BRAK-Mitteilungen 2/2023

gen für eine Ersatzeinreichung nachträglich darlegt und glaubhaft macht. BGH, Beschl. v 17.11.2022 – IX ZB 17/22, NJW 2023, 456 = BRAK-Mitt. 2023, 61 Ls. Zur Unverzüglichkeit der Glaubhaftmachung bei vorübergehender technischer Unmöglichkeit i.S.v. § 130d S. 2 und 3 ZPO. BGH, Beschl. v. 15.12.2022 – III ZB 18/22 Dass die Einreichung von Schriftsätzen per beA auch einmal daran scheitern kann, dass die dafür eingesetzten Server wegen technischer Schwierigkeiten nicht erreichbar sind oder z.B. Wartungsarbeiten die Zusendung verhindern, hat der Gesetzgeber einkalkuliert. Waren bisher z.B. Faxgeräte nicht erreichbar, konnte man unter bestimmten Voraussetzungen mit Wiedereinsetzung rechnen. Für die beA-Nutzung gilt in solchen Fällen nun § 130d S. 2 und 3 ZPO. Danach bleibt die Übermittlung nach allgemeinen Vorschriften zulässig, wenn die Übermittlung eines elektronischen Dokuments aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Diese Unmöglichkeit ist bei Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen. Das elektronische Dokument ist auf Anforderung nachzureichen. Im Fall, den der IV. Zivilsenat des BGH zu entscheiden hatte, wurde die Berufungsbegründung rechtzeitig – am 4.1.2022 – lediglich per Fax und im Original eingereicht. Mit Verfügung vom 7.1.2022 machte das Berufungsgericht darauf aufmerksam, dass die vorgeschriebene Form des § 130d ZPO nicht beachtet und die Begründungsfrist mithin nicht eingehalten wurde. Noch mit Schriftsatz vom gleichen Tag trug der Prozessbevollmächtigte des Berufungsführers vor, er sei am 1.1. während seines Urlaubs in Österreich erkrankt, habe dann am 3.1. an seinem Wohnort zu Hause einen PCR-Test machen lassen, dessen Ergebnis aber erst am 6.1. vorgelegen habe. Von zu Hause aus habe er den am 3. und 4.1. gefertigten Schriftsatz nicht elektronisch übermitteln können, da er die entsprechenden Vorrichtungen ausschließlich im Büro zur Verfügung gehabt habe. (Erinnert sei an dieser Stelle daran, dass seinerzeit bei Corona-Erkrankung noch Quarantäneregeln galten.) Daher habe er das Schriftstück per Boten in sein Büro bringen lassen, von wo aus es über die dortige Bürogemeinschaft mit einer Steuerberaterkanzlei erst einmal per Fax versandt wurde. Auf Hinweis des Gerichts vom 11.1. ist dann das elektronische Dokument am 24.1. übermittelt worden. Der IV. Zivilsenat des BGH sieht hier schon nicht den Anwendungsbereich des § 130d S. 2 ZPO eröffnet. Nach allgemeinem Sprachgebrauch würden die dort genannten „technischen Gründe“ bei Störungen vorliegen, bei denen die für die Übermittlung notwendigen technischen Einrichtungen nicht funktionierten, nicht aber, wenn der Einreicher aus Gesundheits- oder sonstigen in seiner Person liegenden Gründen an der Bedienung der an und für sich funktionsfähigen Technik gehindert sei. So sei es auch der Gesetzesbegründung zu entnehmen. Grundsätzlich kommt neben dem Vorgehen gemäß § 130d ZPO natürlich ein Wiedereinsetzungsantrag nach allgemein dafür geltenden Voraussetzungen in Frage. Dafür allerdings seien hier die für einen Einzelanwalt zumutbaren Vorkehrungen für den Verhinderungsfall nicht ausreichend gewesen. Es hätte rechtzeitig ein Vertreter mit einem Fristverlängerungsgesuch beauftragt werden können. Für das Arbeitsrecht gibt es zu § 130d ZPO eine Parallelvorschrift, nämlich § 46g ArbGG. Bekanntlich hatte das Land Schleswig-Holstein für die Arbeitsgerichtsbarkeit die zwingende Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs schon zum 1.1.2020 eingeführt. Hier ging es um eine am 17.3.2020 dem ArbG als Telefax übermittelten Kündigungsschutzklage. An diesem Tag war die Übermittlung per beA zumindest teilweise technisch nicht möglich; dazu fanden sich aber keine Ausführungen im Schriftsatz. Vielmehr wurde die Klage am nächsten Tag (und immer noch innerhalb der Klagefrist) als docx-Datei übermittelt, erneut ohne Glaubhaftmachung. Auf den am 27.3. erfolgten Hinweis des Gerichts, dass die Klage zulässig nur als pdf eingereicht werden könne, erfolgte schließlich die Übermittlung in dieser Dateiform, nun allerdings ohne die gem. § 46c VI ArbGG geforderte Glaubhaftmachung, dass die beiden Dokumente inhaltlich übereinstimmen. Erst mit einem weiteren Schriftsatz vom 31.3. erfolgte die Glaubhaftmachung der technischen Störung des beA am 17.3. Das war nach Ansicht des BAG zu spät. Zwar bestehe nach dem Gesetzeswortlaut die Wahlmöglichkeit, ob die Glaubhaftmachung der technischen Störung unmittelbar mit Ersatzeinreichung oder eben erst unverzüglich danach erfolge. Vorausgesetzt werde aber ein sehr enger zeitlicher Zusammenhang mit der Ersatzeinreichung, nicht erst mit dem anschließenden gerichtlichen Hinweis. Der Senat geht bei „normalen Umständen“ von einer Woche aus, zwei Wochen seien zu lang. Die Glaubhaftmachung sei auch nicht deshalb entbehrlich gewesen, weil die Störung gerichtsbekannt gewesen sei. Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung seien nicht hoch, die Glaubhaftmachung müsse aber schon deshalb erfolgen, um die Kausalität zwischen Störung und Ersatzeinreichung zu bestätigen. Auch die per Word-Datei an und für sich noch fristgerecht eingereichte Klage führte nicht zur Zulässigkeit, obwohl der Schriftsatz nach Hinweis des Gerichts noch einmal als pdf-Datei übermittelt wurde. Dazu fehlte dann aber die Glaubhaftmachung, dass beide Schriftsätze einen identischen Inhalt haben. Auch dies hält das BAG selbst dann nicht für entbehrlich, wenn das Gericht – wie hier – ohne Weiteres in der Lage wäre, das ursprüngliche Dokument zu öffnen und die Versionen zu vergleichen. Diese engen Voraussetzungen sollen möglichst auch Missbrauch begegnen. Darauf verweist der IX. Zivilsenat des BGH in einem Fall, in dem eine Berufungsbegründung am 9.1.2022 auf dem Postweg beim Berufungsgericht einging. Auf Hinweis des Gerichts erfolgte JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT BRAK-MITTEILUNGEN 2/2023 AUFSÄTZE 88

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