BRAK-Mitteilungen 2/2023

AUFSÄTZE NEUES RECHTSINSTRUMENT FÜR DEN SCHUTZ DES ANWALTSBERUFS EIN ZWISCHENBERICHT RECHTSANWÄLTIN KRISTINA TRIERWEILER, LL.M., UND ASS. JUR. FREDERIC BOOG, LL.M.* * Die Autorin Trierweiler ist Rechtsanwältin in Berlin und Geschäftsführerin im Berliner Büro der BRAK. Der Autor Boog ist Referent im Brüsseler Büro der BRAK. Im Europarat wird gegenwärtig ein neues Rechtsinstrument zum Schutz der freien Berufsausübung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten erarbeitet. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über den Hintergrund und die Beweggründe für die Erarbeitung des Instruments, über mögliche Inhalte sowie über die Herausforderungen in den Verhandlungen und den möglichen Fortgang des Projekts. Die Autoren plädieren für die Ausgestaltung des Instruments als robustes, verbindliches, internationales Abkommen, das klare Mindeststandards festlegt und damit Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Anwaltsorganisationen und auch die Mandantschaft effektiv schützt. I. EINFÜHRUNG Es gibt kein bindendes internationales oder europäisches Übereinkommen, das umfassend Rechte und Standards für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs vorgibt. Dabei spielen Rechtsanwältinnen und Rechtanwälte eine Schlüsselrolle bei der Verteidigung rechtsstaatlicher Prinzipien und individueller Freiheiten. Sie nehmen eine zentrale Stellung in der Rechtspflege ein und sorgen insb. dafür, dass das in Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) garantierte Recht auf ein faires Verfahren gewährleistet wird. Wo die Rechtsstaatlichkeit bedroht ist, werden oft auch die mit der Ausübung des Rechtsanwaltsberufs verbundenen Rechte eingeschränkt. Ein neues Rechtsinstrument des Europarats für den Schutz der freien Berufsausübung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, häufig auch als Konvention zum Schutz des Anwaltsberufs bezeichnet, könnte über die bestehenden Instrumente hinausgehen und künftig insb. durch die Festlegung von Mindeststandards, die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten eine freie und unabhängige Berufsausübung – einschließlich z.B. dem Recht auf Zugang zu ihrer Mandantschaft oder der Wahrung des Berufsgeheimnisses – garantieren, einen bedeutenden Beitrag zur Sicherung der Rechtsstaatlichkeit in den Vertragsstaaten leisten. Die Erarbeitung eines solchen Instruments im Europarat befindet sich noch in einer frühen Phase. Wesentliche Grundfragen, wie z.B. seine Rechtsnatur, grundlegende Definitionen oder die Öffnung eines möglichen Abkommens auch für Staaten, die nicht Mitglied des Europarats sind, sind noch nicht abschließend geklärt. Auch die BRAK ist durch den Ausschuss Menschenrechte und den Ausschuss Europa über das Bundesministerium der Justiz und über den Rat der europäischen Anwaltschaften (CCBE) in den Prozess der Erarbeitung intensiv eingebunden. Im Folgenden sollen bestehende Instrumente und damit zugleich die Relevanz des neuen Instruments aufgezeigt (II.), die im Vorfeld im Europarat geführten Debatten, insb. zur wichtigen Frage der Rechtsnatur, erläutert (III.) und die möglichen Inhalte des Instruments zum gegenwärtigen Stand der Verhandlungen überblicksartig beleuchtet werden (IV.). Abschließend (V.) sollen eine Bewertung und ein Ausblick gegeben werden. II. AUSGANGSLAGE Einige internationale und regionale unverbindliche Instrumente befassen sich mit Fragen des fairen Verfahrens, die für den Beruf der Rechtsanwältin bzw. des Rechtsanwalts von Bedeutung sind. Verbindliche, aber nur punktuelle Regelungen finden sich in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). 1. UNVERBINDLICHE INTERNATIONALE UND REGIONALE INSTRUMENTE Zu den wichtigsten internationalen Instrumenten gehört die Empfehlung Nr. R (2000) 21 über die freie Ausübung des Rechtsanwaltsberufs des Ministerkomitees der Mitgliedstaaten des Europarats aus dem Jahr 2000,1 1 Recommendation Nr. R (2000) 21 of the Committee of Ministers to member States on the freedom of exercise of the profession of lawyer, adopted by the Committee of Ministers on 25 October 2000 at the 727th meeting of the Ministers’ Deputies (zuletzt abger. am 13.1.2023). mit der zumindest Mindeststandards gesetzt wurden. Darin wird die grundlegende Rolle unterstrichen, die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Berufsorganisationen auch bei der Gewährleistung des Schutzes der Menschenrechte und Grundfreiheiten spielen. Ferner werden allgemeine Grundsätze zur freien Ausübung des Rechtsanwaltsberufs beschrieben. So sollen „alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen werBRAK-MITTEILUNGEN 2/2023 AUFSÄTZE 70

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