BRAK-Mitteilungen 1/2023

das Führen der Ermittlungen i.S.v. § 75 HeilBG ist (noch) keine hoheitliche Tätigkeit. Es handelt sich um reine Vorbereitungshandlungen ohne eigene Entscheidungsbefugnis, was mit der Zulassung als Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin) vereinbar ist (BGH, 6.5.2019 – AnwZ (Brfg) 31/17; BGH, 6.5.2019 – AnwZ (Brfg) 38/ 17; BGH, 30.9.2019 – AnwZ (Brfg) 38/18). Dabei obliegt der Beigeladenen gerade nicht die VerfolErmittlungsarbeit bei möglichen Berufspflichtverletzungen gung und Ahndung der Verletzung, sondern ausschließlich die Ermittlungsarbeit nach § 75 HeilBG. Auch die Kl. geht davon aus, dass die Beigeladene ausschließlich diese Ermittlungsarbeit nach § 75 HeilBG erledigt. Die Ermittlungsarbeit der Beigeladenen mündet dabei in einem Beschlussvorschlag, den sie dem Vorstand der Bezirksärztekammer vorlegt. Eine eigene Entscheidungsbefugnis oder gar die Befugnis zur Ahndung durch eine Rüge gem. § 12 HeilBG oder die Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens gem. §§ 51 I, 76 HeilBG obliegt der Beigeladenen nicht. Daher kann das von der Kl. zitierte Urteil des BayOLG (NStZ-RR 1997, 312, 313), das für die Ermittlung und Ahndung von Geschwindigkeitsüberschreitungen ergangen ist, nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Zwar erkennt das BayOLG, dass die hoheitliche Maßnahme der Behörde auf der Ermittlung fußt und damit die Ermittlung, Dokumentation, Verfolgung und Ahndung des jeweiligen Verkehrsverstoßes rechtlich gesehen eine Einheit bilden. Das BayOLG stellt aber auch fest, dass auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit eine Beauftragung Privater erfolgen kann, wenn es eine gesetzliche Ermächtigung gibt, was in dem Fall des BayOLG allerdings gerade nicht gegeben war. Im vorliegenden Fall liegt auch keine Maßnahme auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit vor. Dem Tätigwerden der Bezirksärztekammer liegt die gesetzliche Ermächtigung nach § 75 I HeilBG i.V.m. § 2 II Nr. 9 Hauptsatzung der Bezirksärztekammer P. zugrunde. Eine hoheitliche Maßnahme liegt damit in der Ermittlungsarbeit nach § 75 I HeilBG nicht vor. Der Senat folgt in diesem Zusammenhang vielmehr dem Senat für Anwaltssachen des BGH, der in seinem Urt. v. 6.5.2019 (AnwZ (Brfg) 31/17) den Hessischen AGH dahingehend bestätigt, dass der Vorsitzende des Anhörungsausschusses nach §§ 7 bis 12 des Hessischen Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung als Syndikusrechtsanwalt zugelassen wird, da die Tätigkeit als Vorsitzender keine hoheitliche Tätigkeit i.S.d. § 7 Nr. 8 BRAO darstellt. Der BGH führt aus, dass der Vorsitzende zwar den nach § 10 I HessAGVwGO zuständigen Landrat vertritt, jedoch in der Sache keine Entscheidungen trifft oder treffen darf, an die die Verfahrensbeteiligten gebunden wären. Vielmehr ist es Aufgabe des Anhörungsausschusses auf eine einvernehmliche Beilegung der rechtlichen Angelegenheit hinzuwirken. Die Parteien können dann einen Vergleich schließen. Das Ergebnis der Sitzung vor dem Anhörungsausschuss ist gem. § 12 II HessAGVwGO zu protokollieren und mit einem Vorschlag des Ausschusses der Behörde vorzulegen, die den Verwaltungsakt erlassen oder seine Vornahme abgelehnt hat. Da der Vorsitzende des Ausschusses keinerlei Entscheidungsbefugnisse hat, lag nach dem BGH keine hoheitliche Tätigkeit nach § 7 Nr. 8 BRAO vor und sie stand der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nicht entgegen. So wie der Vorsitzende des Anhörungsausschusses handelt auch die Beigeladene im Rahmen ihrer Ermittlungsarbeiten. Das berufsrechtliche Verfahren nach § 12 HeilBG und der gesamte Abschnitt der Berufsgerichtsbarkeit gem. Teil 4, Abschnitt 3, Unterabschnitt 1 HeilBG liegt im Verantwortungsbereich des Vorstandes der Landesärztekammer R. Im berufsrechtlichen Verfahren nach § 12 I 1 HeilBG kann der Vorstand der Landesärztekammer bei einer Berufspflichtverletzung eines Kammermitgliedes eine schriftliche Rüge erteilen und nach § 12 II HeilBG ein Ordnungsgeld bis zu fünfzigtausend Euro verhängen. Eine Zuständigkeit der Bezirksärztekammer besteht nicht. Im berufsgerichtlichen Verfahren nach § 76 I HeilBG stellt der Vorstand der Landesärztekammer den Antrag auf Durchführung des berufsgerichtlichen Verfahrens. Die Bezirksärztekammer hat dabei ebenfalls keine Befugnisse. Der Vorstand der Landesärztekammer kann im berufsgerichtlichen Verfahren auf der Grundlage des § 75 I HeilBG den Vorstand der zuständigen Bezirkskammer nur mit den Ermittlungen beauftragen. Dann hat der Vorstand der zuständigen Bezirkskammer den Sachverhalt zwar zu erforschen, weitere Maßnahmen kann er jedoch nicht ergreifen. Nach § 75 IV HeilBG hat der Vorstand der beauftragten Bezirkskammer den Vorstand der Landeskammer zu unterrichten. Weitere Befugnisse stehen dem Vorstand der Bezirkskammer nicht zu. Auch die Beigeladene hat sich geäußert, dass sie abgesehen von der Ermittlungsarbeit nach § 75 HeilBG in keinerlei Weiterungen des berufsrechtlichen Verfahrens und insb. nicht in das Verfahren der Berufsgerichtsbarkeit eingebunden ist. Der Senat vermag auch keinerlei Anhaltspunkte zu erkennen, dass der Beigeladenen eine Entscheidungsbefugnis als hoheitliche Maßnahme im Rahmen der berufsrechtlichen Verfahren und der Berufsgerichtsbarkeit zustehen könnte, insb. vor dem Hintergrund, dass nicht einmal eine Zuständigkeit ihres Arbeitgebers vorliegt. Auch die Kl. geht davon aus, dass der Beigeladenen nur die (zulassungsunschädliche) Ermittlungsarbeit nach § 75 HeilBG obliegt. ee) Für die Vermutung der Kl., dass die Beigeladene an den Aufgaben der Ausbildung der medizinischen Fachangestellten mit Entscheidungsbefugnis beteiligt sein könnte, sieht der Senat keine Anhaltspunkte. Er hat damit nicht noch aufzuklären, ob die Beigeladene über die Abkürzung oder Verlängerung der Ausbildungszeit SYNDIKUSANWÄLTE BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 1/2023 51

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