BRAK-Mitteilungen 1/2023

Der Geschädigte muss dann beweisen, dass er sich anders verhalten hätte und dass insb. auch die Gegenpartei einen anderen Vergleich überhaupt akzeptiert hätte. Der dritte Leitsatz beruht insofern auf der fehlerhaften Anwendung dieser Beweisregel. Am Ende kommt der Senat aber so zu dem Ergebnis, dass der Feststellungsantrag gegen den beklagten Anwalt Erfolg gehabt hätte. Der Konjunktiv genügte, weil nach Erledigungserklärung beider Parteien im Regressprozess ohnehin nur noch über die Verteilung der Prozesskosten nach § 91 a ZPO zu entscheiden war. (bc) FRISTEN WIEDEREINSETZUNG IM STRAFRECHT Zu einer formgerechten Anbringung eines Wiedereinsetzungsantrags gehört, dass der Antragsteller mitteilt, wann das Hindernis, das der Fristwahrung entgegenstand, weggefallen ist (§ 45 I StPO). Dies gilt selbst dann, wenn der Verteidiger ein eigenes Verschulden oder das Verschulden seiner Kanzlei geltend macht, das dem Angeklagten nicht zuzurechnen ist. BGH, Beschl. v. 24.10.2022 – 5 StR 375/22 Auch im Strafprozess gilt seit dem 1.1.2022 die aktive Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs (§ 32d StPO), sodass eine – wie hier – per Fax eingereichte Rechtsmittelbegründung formunwirksam ist. Allerdings wird im Strafprozess das Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem Angeklagten nicht zugerechnet, mit der Folge, dass diesen regelmäßig kein Verschulden trifft. Wichtig zu beachten bleibt jedoch, dass die Einhaltung der Wiedereinsetzungsfrist im Wiedereinsetzungsvortrag dargelegt werden muss. Hierfür ist der Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Angeklagten entscheidend. Solcher Vortrag fehlte im hier entschiedenen Fall. Den Angeklagten (und seinen Prozessbevollmächtigten) rettete nur die Berücksichtigung eines Vermerks der Staatsanwaltschaft über die Kenntnisnahme des Anwalts, woraus gefolgert wurde, dass der Angeklagte jedenfalls nicht früher Kenntnis hatte. Glück gehabt! (ju) DEMNÄCHSTIGE ZUSTELLUNG BEI BESCHLUSSANFECHTUNG NACH WEG Hat der Kläger alle von ihm geforderten Mitwirkungshandlungen für eine ordnungsgemäße Klagezustellung erbracht, insbesondere den Gerichtskostenvorschuss eingezahlt, so sind er und sein Prozessbevollmächtigter im Weiteren nicht mehr gehalten, das gerichtliche Vorgehen zu kontrollieren und durch Nachfragen auf beschleunigte Zustellung hinzuwirken. (eigener Ls.) BGH, Beschl. v. 7.4.2022 – V ZR 165/21, NJW-RR 2022, 1167 Der hier angefochtene Beschluss erging am 19.11. 2019, die Anfechtungsklage wurde am 19.12.2019 bei Gericht eingereicht. Das Gericht forderte am 30.12. 2019 die Gerichtskosten an, die der Kläger anschließend einzahlte, so dass der Betrag am 15.1.2020 bei Gericht einging. Die Klagebegründung reichte der Kläger sodann am 20.1.2020, einem Montag, ein. Dennoch wurde die Klage erst am 14.7.2020 zugestellt, nachdem der Kläger am 6.7.2020 nach dem Sachstand gefragt hatte. Während das AG hier keine demnächstige Zustellung mehr annahm und die Klage deshalb schon wegen Verfristung abwies, entschied das LG in der Sache. Mit Blick auf die Wertung des § 204 II BGB sei es nach rechtzeitiger Einzahlung der Gerichtskosten nicht dem Kläger anzulasten, dass die Klage über fast sechs Monate hinweg nicht zugestellt wurde. Der BGH hält das im Ergebnis für richtig, nicht aber in der Begründung. Die vom Berufungsgericht herangezogene Norm des § 204 II BGB betreffe die Hemmung der Verjährung und damit anders gelagerte materiell-rechtliche Fragen. Die angenommene Sechs-Monats-Frist sei für die Annahme des Rechtsverlusts hier unpassend. Sei der Kläger seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen, dürfe er darauf vertrauen, dass das Gericht seine Aufgaben wahrnimmt; daher sei er grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, das Gericht zu kontrollieren und Nachfrage zu halten. Das könne in besonders gelagerten Ausnahmefällen nur dann in Betracht kommen, wenn für die Partei klar und eindeutig zu erkennen sei, dass sie Mitwirkungsobliegenheiten treffe. Offen lässt der Senat, ob möglicherweise in vorliegendem Zusammenhang „mit Blick auf den Zweck der Klagefrist“ die Jahresfrist des § 234 ZPO herangezogen werden könnte. Kürzere Fristen, innerhalb derer bei Gericht nachzufragen wäre, sieht er jedenfalls nicht. Immer wieder kommt es vor, dass Instanzgerichte im Zusammenhang mit der „demnächstigen Zustellung“ zu streng mit den Parteien umgehen und so Ansprüche fälschlicherweise als verjährt ansehen. Der V. Zivilsenat erteilt Versuchen, dem Kläger Nachfragepflichten aufzuerlegen, weitestgehend eine Absage. Selbst bei der Beschlussanfechtung nach dem WEG, für die zur raschen Herstellung des Rechtsfriedens kurze Fristen vorgesehen sind, bestehen derlei Obliegenheiten nur ganz ausnahmsweise. In Streitfällen ist es wichtig, dass die Chronologie der Ereignisse exakt nachvollzogen und vorgetragen wird, um herauszuarbeiten, welche Mitwirkungshandlungen zu welchen Zeitpunkten wirklich bestanden und durchgeführt wurden. So kann man dann zumindest auf positive Prüfung in den Rechtsmittelinstanzen setzen. (bc) ANWALTLICHE UND GERICHTLICHE FEHLER BEI FRISTVERLÄNGERUNGEN Geht dem Prozessbevollmächtigten des Berufungsklägers auf einen von ihm gestellten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist eine Mitteilung des Gerichts zu, aus der sich ergibt, dass die gewährte Fristverlängerung hinter der begehrten JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT BRAK-MITTEILUNGEN 1/2023 AUFSÄTZE 28

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