BRAK-Mitteilungen 1/2023

lich persönlich haften. Bei der BGB-Gesellschaft haften die BGB-Gesellschafter analog § 128 HGB akzessorisch. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die nicht Gesellschafter sind, können jedoch ebenfalls in die Haftung kommen, wenn gegenüber dem Vertragspartner (Mandanten) der Rechtsschein erweckt wird, dass sie Gesellschafter sind. Im entschiedenen Fall wurde – wie häufig – der Beklagte auf dem Briefkopf der Kanzlei neben dem Rechtsanwalt E. und dem Rechtsanwalt M. unter dem Titel „Rechtsanwälte“ aufgeführt. Für den Rechtsschein maßgeblich ist das Auftreten nach außen. Die Struktur einer Kanzlei ist für den Mandanten nicht durchschaubar, es kann neben echten Gesellschaftern auch Angestellte, verschiedene Kategorien von „Associates“ sowie freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geben, die alle namentlich auf dem Briefkopf und/oder der Homepage auftauchen. Der Mandant darf daher grundsätzlich von einer persönlichen Haftung ausgehen, sofern für ihn nicht klar erkennbar ist, dass der betreffende Rechtsanwalt kein echter Sozius ist. Dafür, wie der Rechtsschein zerstört werden kann, gibt es in der Rechtsprechung bislang nur punktuelle Hinweise. Die ausdrückliche Bezeichnung als „Angestellter“ oder „freier Mitarbeiter“ dürfte reichen.6 6 OLG Dresden, Urt. v. 5.12.2006 – 14 U 1686/06. Auch „Sachbearbeiter“ indiziert keine Sozienstellung.7 7 BGH, Beschl. v. 14.2.2013 – IX ZR 121/12. Im entschiedenen Fall machte der Beklagte geltend, dass neben dem Namen des Rechtsanwalts E. das Wort „Inhaber“ stand. Nach zutreffender Ansicht des LG Bremen suggeriert das Wort „Inhaber“ aber nur, dass der genannte Inhaber Namensgeber und Gründer einer Kanzlei ist und er möglicherweise Eigentümer der Kanzleiräumlichkeiten ist, aber gerade nicht, dass die neben dem Inhaber aufgeführten Rechtsanwälte alle „nur“ angestellte Rechtsanwälte und keine Sozien sind. Hierzu hätte es vielmehr einer gesonderten Kennzeichnung bedurft. (ju) FESTSTELLUNGSANTRAG IST BEI ARZTHAFTUNGSSACHEN REGELFALL 1. Ein Antrag, einen Rechtsanwalt im Regressweg zur Erstattung künftig entstehender Schäden aus einer Behandlung zu verurteilen, die Gegenstand des Ausgangsverfahrens war, ist regelmäßig als Feststellungsantrag auszulegen. 2. In einer Arzthaftungssache hat der Rechtsanwalt den Mandanten auch dann auf die Möglichkeit hinzuweisen, Zukunftsschäden durch einen Feststellungsantrag zu sichern, wenn der Mandant nur eine auf Schmerzensgeld beschränkten Klageauftrag erteilt hat. 3. Die Beweislast dafür, dass auch ein solcher Feststellungsantrag keine Auswirkungen auf die Höhe eines mit dem Arzt geschlossenen Vergleiches gehabt hätte, trägt im Haftungsprozess der Anwalt. OLG Dresden, Beschl. v. 27.10.2022 – 4 U 2642/21 Das Urteil berührt verschiedene Aspekte in einer Regresssache, bei der es um Fehler in einem Haftungsprozess gegen einen Zahnarzt ging. Zunächst hatte sich der Senat mit dem offenbar etwas verunglückten Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers zu beschäftigen. Der behauptete Schaden lag darin, dass zukünftige Ansprüche, die gegen den Zahnarzt hätten geltend gemacht werden müssen, nun durch Verjährung abgeschnitten waren, nachdem diese nicht in einem Feststellungsantrag zum Gegenstand des Vorprozesses gemacht wurden. Beantragt wurde deshalb die Verurteilung zur Erstattung künftig entstehender Schäden. In dieser Form des Leistungsantrags konnte das Klageziel allerdings nicht erreicht werden. Bei verständiger Würdigung des Klageziels könne aber in einen entsprechenden Feststellungsantrag umgedeutet werden. Die Pflichtverletzung sei hier bereits im Zuge der Mandatserteilung unterlaufen. Selbst wenn der Kläger von vornherein ein eingeschränktes Mandat erteilt habe und zukünftige Schäden außer Betracht lassen wollte (so hatte der Beklagte vorgetragen), hätte der anwaltliche Berater die Pflicht gehabt, auf die damit verbundenen negativen Folgen aufmerksam zu machen. Dazu meint der Senat, dass es in Arzthaftungssachen regelmäßig geboten sei, etwaige Zukunftsschäden des Mandanten, die hier typischerweise vorkämen, durch einen Feststellungsantrag abzusichern. Da es dazu keine vernünftige Alternative gab, sprach der Anscheinsbeweis des beratungsgerechten Verhaltens dafür, dass bei vollständiger Beratung und Beachtung dieser Warnpflicht kein eingeschränktes Mandat erteilt worden wäre. Nun hatte der Beklagte allerdings auch noch eingewandt, dass sein Mandant nach immerhin fünfjähriger Prozessdauer auch dann den letztlich abgeschlossenen Vergleich akzeptiert hätte, wenn die Feststellung zukünftiger Schäden mit beantragt worden wäre. Das OLG stellt dazu fest, mehrere vernünftige Handlungsalternativen seien in Frage gekommen, aber der Vortrag trage schon nicht die Behauptung, der Vergleich sei in jedem Fall so abgeschlossen worden. Zumindest hätte die Option bestanden, einen Vergleich unter Aufrechterhaltung zukünftiger Schadenersatzansprüche abzuschließen oder zumindest aufgrund der besseren Position einen höheren Geldbetrag zu verhandeln. Der Kläger habe aber bei Vergleichsabschluss schon gar nicht die Wahl gehabt, sich einen Feststellungsanspruch abgelten zu lassen. Bei der Frage, ob dieser Anscheinsbeweis greift oder nicht, ist aber nicht danach zu fragen, ob der Geschädigte wegen der Pflichtverletzung die Wahlmöglichkeit verloren hat, sondern ob er sie bei unterstellt richtiger Vorgehensweise oder Beratung gehabt hätte. Das genau war hier aber der Fall. Wenn man also davon ausgeht, dass es richtigerweise zum Feststellungsantrag gekommen wäre und in diesem Fall mehrere vernünftige Vergleichsvarianten zur Verfügung gestanden hätten, von denen nur eine die tatsächlich gewählte war, entfällt die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens. JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 1/2023 27

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