BRAK-Mitteilungen 6/2022

deshalb von vorneherein nicht ohne den rechtlichen und organisatorischen Rahmen beurteilt werden, der sich für die Kl. aus der Stellung als GmbH-Geschäftsführer ergibt. Damit kommt es hier nicht auf die Kriterien einer sog. „einheitlichen Beschäftigung“ (vgl. hierzu etwa BSG, Urt. v. 31.10.2012, B 12 R 1/11 R, SozR 42400, § 14 Nr. 16 Rn. 16 f m.w.N.) an. [24] b) Die für GmbH-Geschäftsführer geltenden Maßkeine berufsrechtliche Überlagerung stäbe werden nicht berufsrechtlich überlagert. Die Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbstständigkeit erfolgt nach ständiger Rechtsprechung des Senats grundsätzlich nicht abstrakt für bestimmte Berufs- und Tätigkeitsbilder. Es ist daher möglich, dass ein und derselbe Beruf – je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen in ihrer gelebten Praxis – entweder in Form der Beschäftigung oder als selbstständige Tätigkeit ausgeübt wird. Maßgebend sind stets die konkreten Umstände des individuellen Sachverhalts (zuletzt BSG, Urt. v. 27.4.2021 – B 12 R 16/19 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 58 Rn. 15 Fahrkartenkontrolleur; grundlegend BSG, Urt. v. 4.6.2019 – B 12 R 11/18 R, BSGE 128, 191 = SozR 42400 § 7 Nr. 42 Rn. 18 m.w.N. Honorararzt). Etwas anderes gilt nicht wegen der von den Revisionsklägern hervorgehobenen Zuordnung des Rechtsanwalts zu den sog. freien Berufen. Allein aus der Zuordnung zu einem „Freien Beruf“ lässt sich jedoch keine normative Wirkung in dem Sinn ableiten, dass die Angehörigen eines solchen Berufs grundsätzlich einer selbstständigen Tätigkeit nachgingen und in erhöhtem Maße vor gesetzgeberischen Eingriffen – hier durch Begründung der Versicherungspflicht – geschützt wären. Auf die Verkehrsanschauung, der der Typusbegriff letztlich entspringt, kommt es für die Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbstständigkeit nicht an (vgl. hierzu ausführlich BSG, Urt. v. 7.7.2020 – B 12 R 17/18 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 49 Rn. 33 m.w.N. Steuerberater). [25] Ebenso wenig gebietet es die Widerspruchsfreiheit der Gesamtrechtsordnung (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BSG, Urt. v. 11.11.2015 – B 12 KR 13/14 R, BSGE 120, 59 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 26, Rn. 24 m.w.N.; Bernsdorff, Der Betrieb 2014, 1551), Angehörige freier Berufe stets als selbstständig anzusehen. Das Berufsrecht der Rechtsanwälte geht zwar grundsätzlich vom Leitbild der selbstständigen Tätigkeit aus (BT-Dr. 18/ 5201, 25 zu Nr. 2 ‹ § 46 I BRAO-E 8 ), lässt aber auch den Status als Arbeitnehmer zu. Auch wenn der Rechtsanwalt einem freien Beruf nachgeht (vgl. § 2 I BRAO), darf er diesen auch als Angestellter solcher Arbeitgeber ausüben, die als Rechtsanwälte, Patentanwälte oder rechts- oder patentanwaltliche Berufsausübungsgesellschaften tätig sind (§ 46 I BRAO). Angestellte anderer als der zuvor genannten Personen oder Gesellschaften üben ihren Beruf als (angestellter) Syndikusrechtsanwalt aus, sofern sie im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses für ihren Arbeitgeber anwaltlich tätig sind (§ 46 II 1 BRAO). Zwar sind diese Vorschriften erst mit Wirkung ab 1.1.2016 durch das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung v. 21.12.2015 (BGBl. I 2517) eingeführt worden. Bereits nach früherer Rechtslage war aber die Rechtsanwaltstätigkeit in arbeits- und sozialversicherungsrechtlich abhängiger Stellung bei Arbeitgebern zulässig, die denselben Berufspflichten wie angestellte Rechtsanwälte unterlagen (vgl. BT-Drs., a.a.O.; vgl. auch BSG, Urt. v. 14.5.1981 – 12 RK 11/80). [26] Darüber hinaus verfolgen das anwaltliche Berufsunterschiedliche Zwecke recht und das Sozialversicherungsrecht unterschiedliche Zwecke. Die Berufspflichten und die Gewährleistung der Unabhängigkeit dienen insb. dem Gemeinwohl in Gestalt der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege (vgl. BVerfG, Beschl. v. 3.7.2003 – 1 BvR 238/01, BVerfGE 108, 150 Rn. 43 f.; BT-Drs. 12/4993, 27). Die Sozialversicherung dient hingegen der sozialen Absicherung des Einzelnen und dem Schutz der Mitglieder der Pflichtversicherungssysteme, die in einer Solidargemeinschaft zusammengeschlossen sind. Dabei betrifft der in § 7 I 1 SGB IV geregelte Typusbegriff der Beschäftigung den Kernbereich der schutzbedürftigen Personen. Mit dieser unterschiedlichen Zielsetzung ist eine am Berufsrecht orientierte Auslegung des sozialversicherungsrechtlichen Begriffs der Beschäftigung nicht zu vereinbaren. Denn mit der Statusfeststellung werden die Berufspflichten der Rechtsanwälte weder gesichert noch beeinträchtigt (vgl. BSG, Urt. v. 7.7.2020 – B 12 R 17/18 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 49 Rn. 35 m.w.N. Steuerberater). [29] Die im Berufsrecht verankerte Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) und die fachliche Unabhängigkeit als prägendes Element auch im Fall einer Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt (§ 43a I BRAO i.d.F. des Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte v. 2.9.1994, BGBl. I 2278; § 46 III BRAO i.d.F. des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung v. 21.12.2015, BGBl. I 2517) sind als solche keine Merkmale, denen ausschlaggebende Bedeutung für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung zukommt. § 7 I 2 SGB IV bestimmt zwar, dass eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind. Daraus folgt aber nicht, dass Weisungsgebundenheit und Eingliederung in den Betrieb stets kumulativ vorliegen müssten. Die in § 7 I 2 SGB IV genannten Merkmale sind schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nur „Anhaltspunkte“ für eine persönliche Abhängigkeit, also im Regelfall typische Merkmale einer Beschäftigung und keine abschließenden Bewertungskriterien (vgl. hierzu BSG, Urt. v. 4.6.2019 – B 12 R 11/18 R, BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 42 Rn. 29 Honorararzt und BT-Drs. 14/1855, 6). Ungeachtet dessen kann das Weisungsrecht insb. bei sog Diensten höherer Art aufs Stärkste eingeschränkt sein und SONSTIGES BRAK-MITTEILUNGEN 6/2022 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 360

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