BRAK-Mitteilungen 6/2022

Grundsätzlich ist der Geschädigte für die Kausalität zwischen dem anwaltlichen Beratungsfehler und seinem (Kosten-)Schaden beweisbelastet. Bei objektiver Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung spricht jedoch ein Anscheinsbeweis dafür, dass der Mandant von ihr bei entsprechender Belehrung abgesehen hätte. Diesen Anscheinsbeweis muss der Anwalt dann entkräften. Insofern hätte er hier seinen Mandanten als Zeugen benennen können, dass dieser die Rechtsmittel auch dann eingelegt hätte, wenn der Anwalt ihm abgeraten hätte. Der Anwalt hat jedoch hierzu weder vorgetragen noch Beweis angeboten. Zu der vom OLG bejahten Frage, ob die Rechtsmittel im konkreten Fall aussichtslos waren, s. die Besprechung in dieser Rubrik a.E. im Abschnitt Versicherungsrecht.7 7 Es ging dort um die Frage, ob ein Deckungsanspruch gegen die Berufshaftpflichtversicherung eines Steuerberaters für dessen Pflichtverletzungen als Treuhandkommanditist im Rahmen einer Kapitalanlage bestand. (hg) FRISTEN beA: EINFACHE SIGNATUR ERFORDERT NAMENSANGABE Die einfache Signatur i.S.d. § 130a III 1 Alt. 2 ZPO meint die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes, beispielsweise bestehend aus einem maschinenschriftlichen Namenszug unter dem Schriftsatz oder einer eingescannten Unterschrift. Nicht genügend ist das Wort „Rechtsanwalt“ ohne Namensangabe. BGH, Beschl. v. 7.9.2022 – XII ZB 215/22, BRAK-Mitt. 2022, 336 (in diesem Heft) = MDR 2022, 1362 Die „eigentliche“ Unterschrift, die besiegeln soll, dass der Schriftsatz von der betreffenden Rechtsanwältin stammt, ist beim beA die Versendung der Datei mittels der beA-Karte bzw. des Zertifikats. Dennoch muss eine Verknüpfung zu dem inhaltlichen Dokument erfolgen, damit auch dort erkennbar ist, wer der Verfasser ist. Das funktioniert nur, wenn der – erkennbare – Name unter dem Schriftsatz steht, nicht nur – wie hier – „Rechtsanwältin“. Anderenfalls fehlt es – so nun auch der BGH8 8 Im Anschluss an BAG, Beschl. v. 14.9.2020 – 5 AZB 23/20 und BSG, Beschl. v. 16.2.2022 – B 5 R 198/21 B. – an einer wirksamen Signatur. Das gilt auch für einen Einzelanwalt, wie das Sächsische OVG9 9 OVG Sachsen, Beschl. v. 21.9.2021 – 3 A 542/20; anders aber BAG, Beschl. v. 25.8.2022 – 2 AZN 234/22, BRAK-Mitt. 2022, 338 mit Anm. Nitschke (in diesem Heft). ausführt. (ju) beA: FÜNFWÖCHIGE INTERNET-STÖRUNG IST NICHT VORÜBERGEHEND 1. Ein Rechtsanwalt kann sich zur Begründung einer vorübergehenden Unmöglichkeit der Übermittlung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument i.S.v. § 55d S. 3 VwGO nicht mit Erfolg auf eine über fünf Wochen dauernde Störung von Telefon- und Internetverbindung berufen. 2. Die Regelung des § 55d S. 3 VwGO entbindet professionelle Einreicher nicht von der Notwendigkeit, die notwendigen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorzuhalten und bei technischen Ausfällen unverzüglich für Abhilfe zu sorgen. 3. Zur Verpflichtung aus § 55d S. 4 Hs. 2 VwGO, auf gerichtliche Aufforderung ein elektronisches Dokument nachzureichen. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 6.7.2022 – 16 B 413/22, ZInsO 2022, 2210 = MDR 2022, 1368 Die am 23.3.2022 eingereichte Beschwerdeschrift ging beim OVG per Fax ein. Das hätte nur dann zu einer fristgerechten Einreichung führen können, wenn gem. § 55d S. 4 VwGO die vorübergehende Unmöglichkeit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft gemacht worden wäre. Das war hier nicht der Fall: Vielmehr hatte der Prozessbevollmächtigte bereits im erstinstanzlichen Verfahren den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes dem Verwaltungsgericht entgegen § 55d S. 1 VwGO nicht als elektronisches Dokument, sondern per Telefax übermittelt und – wie auch vor dem OVG – damit begründet, dass eine Störung der Telefon- und Internetverbindung von der Deutschen Telekom bisher nicht beseitigt worden sei, so dass ihm lediglich ein Faxgerät von Dritten zur Verfügung stehe, was anwaltlich versichert werde. Dass es solche Störungen – auch über Tage – gibt und dass man den Telekommunikationsanbietern zum Teil hilflos ausgeliefert ist, ist leider eine Tatsache. Das OVG verweist u.a. auf die Verwendung eines mobilen Hotspots – auch das ist leider keineswegs überall eine Alternative. Ein gewisses Verständnis sollte man von den Gerichten also schon erhoffen dürfen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Schwierigkeiten, aber auch die Abhilfebemühungen, unverzüglich und glaubhaft dargelegt werden. Bei einer über fünf Wochen dauernden Störung kann das wohl nicht gelingen. Das zweifelhafte Bemühen zeigte sich zudem auch darin, dass der Prozessbevollmächtigte auch nach Behebung der Störung nicht gem. § 55d S. 4 VwGO das elektronische Dokument auf Anforderung nachreichte. Da fehlte es wohl grundsätzlich am Willen... (ju) beA: WAS IST „UNVERZÜGLICH“? Die Glaubhaftmachung mit der Ersatzeinreichung hat grundsätzlich vorrangig zu erfolgen. BayVGH, Beschl. v. 2.5.2022 – 6 ZB 22.30401, NJW 2022, 3239 An die „unverzügliche“ Glaubhaftmachung stellen die Gerichte offenkundig recht unterschiedliche Anforderungen: Während es in einem anderen Fall des OVG Nordrhein-Westfalen10 10 OVG NRW, Beschl. v. 23.9.2022 – 19 B 970/22. dem Gericht ausreichte, dass JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT BRAK-MITTEILUNGEN 6/2022 AUFSÄTZE 312

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