BRAK-Mitteilungen 6/2022

fähigen Berufe wurde zudem auf sämtliche freien Berufe i.S.v. § 1 II PartGG erweitert (§ 59c I Nr. 4 BRAO). Neben Heilberufen – die für diese Erweiterung einen wesentlichen Anstoß gaben –9 9 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.1.2016 – 1 BvL 6/13, BRAK-Mitt. 2016, 78. zählen dazu u.a. beratende Volks- und Betriebswirt:innen, Ingenieur:innen und Architekt:innen, hauptberufliche Sachverständige und Journalist:innen, aber auch nicht explizit in § 1 II 2 PartGG genannte Berufe wie etwa Mediator:innen. Über diesen bereits gegenüber dem bisherigen Recht deutlich größeren Kreis sozietätsfähiger Berufe hinaus erweitert § 59q II BRAO den Kreis der Berufe, mit denen eine Bürogemeinschaft zulässig ist, auf alle Berufe, die mit dem Anwaltsberuf vereinbar sind. Als Partner einer Bürogemeinschaft ausgeschlossen sind lediglich Personen, die Versagungsgründe für die Anwaltszulassung gem. § 7 Nr. 1, 2 oder 6 BRAO erfüllen. Eine Bürogemeinschaft ist also nunmehr mit Angehörigen aller Berufe möglich, die eine Anwältin oder ein Anwalt auch selbst als Zweitberuf ausüben dürfte.10 10 Zum HintergrundHenssler, AnwBl. 2021, 69, 75 f. Dabei handelt es sich nicht um eine Spezialität der Bürogemeinschaft, auch als Gesellschafter einer Berufsausübungsgesellschaft sind nach § 59c I 2 BRAO Personen ausgeschlossen, denen die Zulassung nach § 7 BRAO (hier jedoch nach allen Versagungsgründen in Nr. 1 bis 8) zu versagen wäre.11 11 Vgl. dazu die Nachw. bei Kilian, NJW 2022, 2577, 2581 Rn. 23. Einer der Diskussionspunkte im Gesetzgebungsverfahren war, ob sich neben Einzelpersonen auch anwaltliche Berufsausübungsgesellschaften an einer Bürogemeinschaft beteiligen können sollen.12 12 So der Vorschlag von Henssler, dazuders., AnwBl. 2021, 69, 76. Dem wurde jedoch nicht gefolgt. Der Wortlaut des § 59q I BRAO lässt klar erkennen, dass nur Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte als Bürogemeinschafter in Betracht kommen. IV. PFLICHTEN INNERHALB DER BÜROGEMEINSCHAFT Auch in der Bürogemeinschaft gelten die anwaltlichen Berufspflichten umfassend. Dies muss gem. § 59q III BRAO durch angemessene organisatorische, personelle und technische Maßnahmen sichergestellt werden. 1. VERSCHWIEGENHEITSPFLICHT Im Zentrum steht dabei die Wahrung der Verschwiegenheitspflicht gegenüber den anderen Mitgliedern der Bürogemeinschaft. Insofern hat sich gegenüber dem bisherigen Recht inhaltlich nichts geändert,13 13 Vgl. nur BGH, Urt. v. 29.1.2018 – AnwZ (Brfg) 32/17, BRAK-Mitt. 2018, 85 Rn. 38 m.w.N.; Urt. v. 25.7.2005 – AnwZ (B) 42/02, NJW 2005, 2692, 2693. denn schon bisher war eine Anwältin bzw. ein Anwalt gegenüber ihren/seinen Bürogemeinschaftern zur Verschwiegenheit verpflichtet. Erforderlich ist dazu insbesondere, dass Arbeitssphären und IT-Zugriffsrechte voneinander getrennt gehalten werden.14 14 Vgl. BT-Drs. 19/26760, 200. In Bezug auf die Mandate anderer Bürogemeinschafter muss gesellschaftsvertraglich sichergestellt werden, dass die Verschwiegenheit gewahrt wird. Denn diese sind nicht Partei des Mandatsvertrags und zählen daher insoweit nicht zum Kreis der Berufsgeheimnisträger. Die Weitergabe von mandatsbezogenem Wissen innerhalb einer Bürogemeinschaft ist daher – wie schon bisher – unzulässig.15 15 S. etwa Weyland/Träger, § 43a Rn. 19; Henssler/Prütting/Henssler, 5. Aufl. 2019, § 43a Rn. 84; BeckOK BORA/Römermann/Praß, § 43a Rn. 100. Umfasst die Bürogemeinschaft auch die gemeinsame Beschäftigung und Finanzierung von Kanzleipersonal, muss arbeitsvertraglich die Wahrung der Verschwiegenheit in Bezug auf die Sphären der einzelnen Bürogemeinschafter gewährleistet werden.16 16 Vgl. Weyland/Brüggemann, § 59a Rn. 82. 2. EINHALTUNG DES BERUFSRECHTS Anwältinnen und Anwälte dürfen nicht in einer Bürogemeinschaft mit Personen tätig sein, wenn diese in schwerwiegender Weise oder wiederholt gegen berufsrechtliche Pflichten aus BRAO und BORA verstoßen. Im Gesellschaftsvertrag über die Bürogemeinschaft – dabei handelt es sich meist um eine GbR –17 17 Vgl. BT-Drs. 19/26760, 199. ist vorzusehen, dass Gesellschafter bei derartigen Verstößen ausgeschlossen werden. Diese Verpflichtung ergibt sich aus § 59q IV BRAO, der auf die entsprechenden Regelungen für Berufsausübungsgesellschaften in § 59d IV, V BRAO verweist.18 18 Ausf. zu § 59d BRAOAdelberger, AnwBl. Online v. 28.9.2022. 3. TÄTIGKEITSVERBOT BEI INTERESSENKOLLISION Eine wesentliche Änderung bringt die „große BRAO-Reform“ im Bereich des Tätigkeitsverbots wegen Vertretung widerstreitender Interessen. Dieses wird nun nicht mehr auf andere Mitglieder einer Bürogemeinschaft erstreckt. Nach dem früheren Recht war es Anwältinnen und Anwälten verboten, tätig zu werden, wenn sie in derselben Angelegenheit bereits widerstreitende Interessen vertreten hatten (§ 43a IV BRAO a.F.). Das Tätigkeitsverbot galt nach § 3 I BORA a.F. auch, falls die Anwältin oder der Anwalt i.S.v. § 45 BRAO a.F. beruflich vorbefasst war. § 3 II 1 BORA a.F. bezog die Bürogemeinschaft ausdrücklich in den Anwendungsbereich des Tätigkeitsverbots ein. Nach § 3 III BORA a.F. galt das Tätigkeitsverbot zudem auch, sofern eine Anwältin oder ein Anwalt von einer Berufsausübungs- oder Bürogemeinschaft zu einer anderen Berufsausübungs- oder Bürogemeinschaft wechselte. Auch nach dem neuen Recht erstreckt sich das Tätigkeitsverbot bei Interessenkollision (§ 43a I BRAO) auf Anwältinnen und Anwälte, die ihren Beruf gemeinschaftlich mit der/dem vom Tätigkeitsverbot betroffenen Anwältin oder Anwalt ausüben. § 43a I 2 BRAO beNITSCHKE, DIE „NEUE“ BÜROGEMEINSCHAFT AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 6/2022 299

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