BRAK-Mitteilungen 5/2022

nicht gehindert ist, das Fallquorum mit formularmäßig bearbeiteten Fällen zu erfüllen. Aus den dargestellten Gründen stellt sich nach Auffassung des Senats auch bei rein formularmäßig abgewickelten Fällen nicht die Frage der persönlichen anwaltlichen Bearbeitung sondern – wie bei Serienfällen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 8.4.2013 – AnwZ (Brfg) 54/11 Rn. 38) – die Frage der Gewichtung des einzelnen Falls. bb) Der Senat sieht keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Kl. die in den Listen aufgeführten Fälle nicht eigenhändig bearbeitet hat. Soweit die Bekl. darauf verweist, dass die Kl. Büropersonal und nach eigenen Angaben seit dem Frühjahr 2019 einen angestellten Rechtsanwalt beschäftigt, kann der persönlichen Bearbeitung der Scheidungsanträge nur die Übertragung der Fallbearbeitung auf den angestellten Anwalt entgegen stehen. Büropersonal kann Scheidungsanträge zwar vorbereiten, die Anweisung nach welchen Kriterien der Antrag vorzubereiten ist, die Überprüfung des Antrags, seine Unterzeichnung und die gerichtliche Vertretung bleiben anwaltliche Tätigkeit. Wenn Verfahren durch Büroangestellte bis zur Unterschriftsreife vorbereitet werden können, ist dies wiederum eine Frage der Gewichtung des Falls, aber nicht der persönlichen anwaltlichen Leistung. Die Kl. hat in der Klagebegründung v. 25.1.2022 geltend gemacht, die in den Listen aufgeführten Fälle eigenhändig bearbeitet zu haben. Soweit die Bekl. in dem Bescheid v. 7.10.2021 ausführt, es sei im Verwaltungsverfahren nicht klar geworden, wer welche Büroabläufe übernehme, teilt der Senat diese Bedenken nicht. Die Kl. hat in dem Fachgespräch v. 21.10.2020 ihre Arbeitsweise erläutert, die sich anhand der dem Senat vorgelegten Arbeitsproben nachvollziehen lässt. Danach ist davon auszugehen, dass die Kl. die Schriftsätze an das Gericht unterzeichnet, diese dort einreicht, die Termine wahrnimmt und ihren Mandanten für Beratungsgespräche zur Verfügung steht. Der Senat hat sich bewusst zufällig ausgewählte Aktenstücke aus dem Jahr 2019 vorlegen lassen. In keine der vorgelegten Arbeitsproben ist ein anderer verantwortlicher anwaltlicher Bearbeiter als die Kl. aufgetreten. In einem Fall hat Rechtsanwalt E eine Sachstandanfrage an das Gericht gerichtet, in einem weiteren Fall ist der Verhandlungstermin von einem Unterbevollmächtigten wahrgenommen worden, was der persönlichen Bearbeitung des Scheidungsverfahrens durch die Kl. jedoch nicht entgegensteht. Die Berichterstatterin der Bekl. hat ebenfalls Arbeitsproben der Kl. eingesehen, wobei nicht ersichtlich ist, dass sich daraus grundlegend andere Erkenntnisse ergeben haben. 3. Die Versagung der Erlaubnis, die Fachanwaltsbezeichnung führen zu dürfen, kann letztendlich auch nicht darauf gestützt werden, dass die Kl. nach Auffassung der Bekl. im Fachgespräch v. 21.10.2020 keine besonderen Erfahrungen im Familienrecht vermitteln konnte. Fachliches Wissen der Kl. durfte in dem Fachgespräch nicht geprüft werden. Der Nachweis der besonderen praktischen Erfahrungen ist regelmäßig durch die Erfüllung des Fallquorums geführt (Hartung/Scharmer, BORA/FAO, § 2 FAO Rn. 11, 19, 24). Nach der Rechtsprechung des BGH steht dem Fachausschuss der Kammer nicht das Recht zu, sich durch das Fachgespräch von der fachlichen Qualifikation des Bewerbers zu überzeugen. Dies widerspricht der Formalisierung des Verfahrens zur Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung nach der FAO (vgl. Hartung/ Scharmer, BORA/FAO, 7. Aufl., § 7 Rn. 19 f.; BGH, BRAK-Mitt. 2003, 25 Rn. 11, 18 ff.; BGH, BRAK-Mitt. 2012, 243 Rn. 6). Zulässig ist das Fachgespräch deshalb nur dann, wenn sich aus den vorgelegten Unterlagen noch Unklarheiten oder Zweifel ergeben (BGH, NJW 2008, 3496 Rn.15), etwa was die Gewichtung einzelner Fälle angeht (BGH, BRAK-Mitt. 2014, 83 Rn. 29). Daher war im vorliegenden Fall das Fachgespräch mit der Kl. nur zur Klärung der persönlichen Urheberschaft der in den Falllisten aufgeführten Scheidungsanträge zulässig. HINWEISE DER REDAKTION: Eine persönliche und weisungsfreie Bearbeitung von Fällen i.S.d. § 5 I 1 FAO ist anzunehmen, wenn sich ein Rechtsanwalt namentlich durch Anfertigung von Vermerken und Schriftsätzen oder die Teilnahme an Gerichts- oder anderen Verhandlungen selbst mit der Sache inhaltlich befasst hat. Beschränkt sich seine Befassung hingegen auf ein Wirken im Hintergrund, liegt eine persönliche Bearbeitung nicht vor. Ein solches Wirken im Hintergrund ist bei einer bloß untergeordneten, unterstützenden Zuarbeit anzunehmen, etwa wenn der Berufsträger nur eng umgrenzte Teilaspekte eines Falls bearbeitet, keinen eigenen Schriftsatz angefertigt und auch nicht an einer Gerichtsverhandlung teilgenommen hat. Eine persönliche Bearbeitung hat der Rechtsanwalt in der Form des § 6 FAO nachzuweisen, soweit er nicht durch die Verwendung eines eigenen Briefkopfs oder in ähnlicher Weise nach außen als Bearbeiter in Erscheinung tritt. Ferner sind anwaltliche Versicherungen von Rechtsanwälten zu berücksichtigen, von denen ein Berufsträger Fälle zur eigenständigen persönlichen Bearbeitung erhalten hat (vgl. hierzu auch BGH, BRAK-Mitt. 2022, 216). BRAK-MITTEILUNGEN 5/2022 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 276

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