BRAK-Mitteilungen 5/2022

ständigengutachten gearbeitet werden. Die drei Jahre bis zum regelmäßigen Verjährungseintritt sind dann sehr schnell herum und es gilt, rechtzeitig verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen. Im hier entschiedenen Fall waren beide am 4.6.2004 geschiedenen Ehegatten der Meinung, dass ihnen ein Zugewinnausgleichsanspruch gegen den jeweils anderen zustehe. Die Ehefrau erhob Stufenklage beim AG Mannheim, der im Haftpflichtprozess klägerische Ehemann klagte am 31.5.2007 bereits bezifferten Zugewinn beim AG Delmenhorst ein. Das AG Delmenhorst wollte es sich leicht machen und verwies den Rechtsstreit an das AG Mannheim. Das OLG indes verwies den Rechtsstreit nach Delmenhorst zurück. Daraufhin schlug das Gericht in Delmenhorst den Parteien vor, das Ruhen des Verfahrens bis zum Abschluss des Parallelverfahrens vor dem AG Mannheim anzuordnen, was nach Zustimmung beider Parteien am 14.1.2008 auch erfolgte. Am 5.9.2008 kam es in Mannheim zu einem Teilurteil mit einem Auskunftsanspruch gegen den Ehemann. Am 12.11.2008 beantragte die beklagte Rechtsanwältin des Ehemannes Wiederaufnahme des Verfahrens in Delmenhorst. Das Gericht erhob dann auch zunächst Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens über Immobilienwerte. Nach einem Richterwechsel wurde das jedoch obsolet, denn der neue Richter teilte die Auffassung der beklagten Ehefrau, dass der Anspruch zwischenzeitlich verjährt sei. Das bestätigte auch das OLG Oldenburg im Berufungsverfahren. Das Verfahren war durch den Ruhensbeschluss i.S.d. § 204 II 2 BGB in Stillstand geraten und hätte innerhalb von sechs Monaten durch den Kläger wieder aufgenommen werden müssen. Nur bei Vorliegen eines triftigen Grundes ist § 204 II 2 BGB unanwendbar. Einen solchen sahen die Gerichte nicht in dem gleichzeitigen Verfahren vor dem AG Mannheim, da dieses nicht vorgreiflich gewesen sei. Ob ein triftiger Grund vorliegt, ist immer eine Frage des Einzelfalls; die Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits muss prozesswirtschaftlich vernünftig erscheinen.4 4 BGH, Urt. v. 12.10.1999 – VI ZR 19/99, NJW 2000, 132. Es liegt auf der Hand, dass hierüber immer diskutiert werden kann. Der Klägervertreter muss daher einkalkulieren, dass – entgegen seiner eigenen Auffassung – das Gericht womöglich keinen triftigen Grund sehen könnte. Zur Vermeidung des Verjährungseintritts ist daher jedenfalls vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist des § 204 II BGB die Wiederaufnahme des Verfahrens anzuraten. Dass im konkreten Fall der zunächst zuständige Richter keine Verjährung sah, half auch nichts, die Klägervertreterin musste die laut LG Bremen „nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit“ dennoch einkalkulieren – und anscheinend auch einen möglichen Richterwechsel. Die beklagte Rechtsanwältin als Partnerin der ebenfalls beklagten Rechtsanwalts-PartGmbB berief sich im Haftpflichtprozess noch darauf, dass gem. § 8 IV PartGG eine persönliche Haftung ausgeschlossen sei. Das verneint das LG Bremen aber zutreffend, weil das Mandat seinerzeit mit der einfachen Partnerschaftsgesellschaft abgeschlossen wurde und auch die Pflichtverletzung bereits vor der Umstrukturierung in eine PartGmbB erfolgt war. Eine nachträgliche Haftungsbeschränkung zulasten des Mandanten kommt dann nicht in Betracht. (ju) HINWEIS AUF BERATUNGSHILFE Einem Mandanten steht gegen seinen Rechtsanwalt gem. §§ 675, 670, 280 I BGB ein Schadensersatzanspruch zu, wenn der Rechtsanwalt „bei begründetem Anlass“ den Mandanten nicht gem. § 16 BRAO auf die Möglichkeiten von Beratungshilfe gemäß dem BerHG hingewiesen hat. AG Brandenburg, Urt. v. 28.3.2022 – 31 C 117/21, NJOZ 2022, 606 Der beklagte Anwalt wurde vom AG zur Zahlung i.H.v. 228,60 Euro verurteilt. Das klingt nicht besonders spektakulär, aber der Inhalt der Entscheidung ist für die anwaltliche Praxis ebenso richtig wie wichtig. Aus vorgängigen Beschlüssen des ArbG Berlin hatte der Anwalt unstreitig Kenntnis darüber, dass der Mandant aufgrund seiner Vermögensverhältnisse grundsätzlich berechtigt gewesen wäre, Beratungshilfe in Anspruch zu nehmen. Prozesskostenhilfe wurde in dem arbeitsgerichtlichen Verfahren nur deshalb nicht bewilligt, weil das Streitverhältnis falsch dargestellt und damit die maßgeblichen Voraussetzungen vorgetäuscht worden waren, nicht aber wegen der Vermögensverhältnisse. Außerdem hatte der Mandant schon zu Beginn der Beratung unstreitig darauf hingewiesen, dass er „Hartz IV“ beziehe. Das AG sah den Anwalt deshalb als verpflichtet an, seinen Mandanten von Anfang an darauf hinzuweisen, dass die Berechtigung bestehe, Beratungshilfe in Anspruch zu nehmen. Es verweist dazu auch – fälschlicherweise – auf § 16 BRAO; gemeint ist an dieser Stelle § 16 I BORA, in dem die Verpflichtung des Anwalts festgelegt wird, bei begründetem Anlass auf die Möglichkeiten von Prozesskostenhilfe hinzuweisen. Zwar handelt es sich bei den Vorschriften der BRAO und der BORA nach der Rechtsprechung des BGH nicht um Schutzgesetze i.S.d. § 823 II BGB,5 5 BGH, Urt. v. 23.7.2019 – VI ZR 307/18, NJW 2019, 3003. dennoch handelt es sich um eine Pflichtverletzung gegenüber dem Mandanten mit der Folge, dass dieser so gestellt werden muss, als habe er Beratungshilfe erhalten. Das bedeutet, der Anwalt kann dann im Ergebnis sein Honorar (bis auf die Beratungsgebühr i.H.v. 15 Euro) nicht verlangen und muss bereits erhaltenes Honorar zurückzahlen. Nicht nur das. Das AG hebt darüber hinaus noch den Finger und weist darauf hin, dass der Straftatbestand der Gebührenüberhebung (§ 352 StGB) erfüllt sein könne, wenn der Anwalt weiß, dass der Mandant an und JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 5/2022 257

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