BRAK-Mitteilungen 4/2022

nach § 8 I Nr. 2 RDG handelt. Zu den Vereinigungen nach § 8 I Nr. 2 RDG zählen juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Unternehmen und Zusammenschlüsse. Ihnen sind Rechtsdienstleistungen erlaubt, die sie im Rahmen ihres Aufgabenund Zuständigkeitsbereichs erbringen. [66] b) Einer Kreishandwerkerschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 89 I Nr. 1, § 53 S. 1 HwO) sind daher nach § 8 I Nr. 2 RDG im Rahmen ihres Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs Rechtsdienstleistungen gegenüber ihren Mitgliedern erlaubt. Mitglieder der Kreishandwerkerschaft sind gem. § 86 S. 1 HwO die in ihrem Bezirk ansässigen Innungen; hierbei handelt es sich um eine Pflichtmitgliedschaft. Dass danach eine Beratung und Vertretung der der Kreishandwerkerschaft angehörenden Innungen eine nach § 46 V 2 Nr. 2 BRAO zulässige „Mitgliederberatung“ im Rahmen des Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs der Kreishandwerkerschaft nach § 87 Nr. 2 HwO („die Handwerksinnungen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen“) ist, stellt auch die Kl. nicht in Frage. [67] c) Entgegen der Ansicht der Kl. fallen aber auch die Tätigkeiten des Beigeladenen für die den Innungen angehörenden Mitgliedsbetriebe unmittelbar unter § 46 V 2 Nr. 2 BRAO. [68] Zwar gibt es nach der Handwerksordnung keine Einzelmitgliedschaft selbstständiger Handwerker in der Kreishandwerkerschaft; diese sind lediglich – sofern sie sich freiwillig einer Innung angeschlossen haben – Mitglieder der der Kreishandwerkerschaft angehörenden Innung (§ 58 HwO). Gleichwohl sind sie aufgrund der Besonderheiten der berufsständischen Organisationen als Mitglieder der Kreishandwerkerschaft i.S.d. § 46 V 2 Nr. 2 BRAO anzusehen. [69] aa) Wie oben ausgeführt, fällt in den Aufgabenund Zuständigkeitsbereich der Kreishandwerkerschaft nach § 87 Nr. 3 HwO nicht nur die Einrichtung von Inkassostellen, sondern – auch nach Auffassung der Kl. – auch die Rechtsberatung und Prozessvertretung der einzelnen Innungsmitglieder. Dies entspricht zudem der der Kreishandwerkerschaft nach § 87 Nr. 1 HwO obliegenden Wahrnehmung der Gesamtinteressen des selbständigen Handwerks und des handwerksähnlichen Gewerbes, da alle unmittelbar dem einzelnen Handwerker zugutekommenden Maßnahmen zugleich der Erhaltung und Förderung des Gesamthandwerks dienen (vgl. BGH, Urt. v. 12.7.1990 – I ZR 62/89, GewArch 1991, 36, 37). [70] bb) Formal sind die einzelnen Handwerksbetriebe nach dem gesetzlichen Aufbau der berufsständischen Organisationen der Handwerksordnung zwar nur Mitglieder der Innung, der sie sich angeschlossen haben. Da diese Innung aber ihrerseits gesetzliches Pflichtmitglied der Kreishandwerkerschaft ist (§ 86 S. 1 HwO), „bilden“ die Innungsmitglieder in ihrer Gesamtheit qua Gesetzes zugleich die Kreishandwerkerschaft, die damit als gesetzlicher „Dachverband“ der Innungen konzipiert ist. Diese gesetzlich zwingend vorgegebene „mittelbare“ Mitgliedschaft der Innungsbetriebe in der Kreishandwerkerschaft, die zudem nach § 87 Nr. 5 HwO sogar zur Übernahme der Geschäftsführung der Innungen auf deren Ersuchen verpflichtet ist, spricht dafür, der Kreishandwerkerschaft in diesem Rahmen auch die den Innungen zustehenden Möglichkeiten der Aufgabenerfüllung einzuräumen. Die Innungen selbst könnten nach § 46 V 2 Nr. 2 BRAO, § 8 I Nr. 2 RDG, § 54 II Nr. 1 HwO eine rechtliche Beratung und Vertretung ihrer Mitglieder durch einen Syndikusrechtsanwalt unproblematisch vornehmen lassen. [71] cc) Die Einbeziehung anwaltlicher Tätigkeiten des Beigeladenen für Mitgliedsbetriebe der Innungen in den Anwendungsbereich des § 46 V 2 Nr. 2 BRAO entspricht zudem der Gesetzesbegründung (Fraktionsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusrechtsanwälte, BT-Drs. 18/5201, 30). Danach folgt aus der gesetzlichen Konkretisierung des Begriffs der Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers, dass auch derjenige als Syndikusrechtsanwalt nach § 46 V BRAO tätig wird, der seine Arbeitskraft dazu verwendet, um im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses zu einem Verband Rechtsrat an dessen Mitglieder bzw. im Falle eines Dachverbands an die Mitglieder der Mitgliedsverbände in deren Rechtsangelegenheiten zu erteilen (Verbandssyndikusrechtsanwalt). Eine solche Konstellation liegt hier vor. [72] Der Einwand der Kl., dass die Ausnahmetatbestände des § 46 V BRAO auf Fallgestaltungen zu beschränken sind, in denen eine Gefahr von Interessenkonflikten und der Beeinflussung der Rechtsberatung durch wirtschaftliche Interessen Dritter ausgeschlossen ist, gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Eine Gefahr von Interessenkonflikten ist nach der Gesetzesbegründung dann nicht zu besorgen, wenn ein Gleichlauf von Interessen vorliegt und die Beratungsleistungen umlagefinanziert sind (Fraktionsentwurf, BT-Drs. 18/ 5201, 31). [73] Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der erforderliche Interessengleichlauf ergibt sich daInteressengleichlauf raus, dass die Innungsmitglieder in ihrer Gesamtheit die Kreishandwerkerschaft als solche bilden und die Wahrung ihrer (Einzel-)Interessen zugleich auch der Wahrnehmung der Gesamtinteressen des selbständigen Handwerks und der handwerksähnlichen Betriebe nach § 87 Nr. 1 HwO dient. Jedenfalls in den Bereichen, auf die sich die rechtsberatende Tätigkeit des Beigeladenen nach seiner Tätigkeitsbeschreibung erstreckt, ist die Möglichkeit eines Interessenkonflikts nicht ersichtlich und wird auch von der Kl. nicht näher dargetan. Soweit die Kl. darauf verweist, dass die Kreishandwerkerschaft im Rahmen der Wahrnehmung der Gesamtinteressen des Handwerks nach § 87 Nr. 1 HwO auch die Interessen von Nichtinnungsmitgliedern wahrzunehmen habe, ist nicht ersichtlich, inwiefern sich aus dieser Vertretung der GruppeninteSYNDIKUSANWÄLTE BRAK-MITTEILUNGEN 4/2022 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 232

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