BRAK-Mitteilungen 4/2022

setzungen der umgedeuteten Prozesshandlung eingehalten sind, die Umdeutung dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht.2 2 Z.B. BGH, MDR 2019, 500 m.w.N. (hg) (NOCH) KEINE PFLICHT DER GERICHTE ZUR ELEKTRONISCHEN WEITERLEITUNG AN DAS ZUSTÄNDIGE GERICHT 1. Mit dem Eingang des an das hierfür unzuständige Beschwerdegericht als Empfänger adressierten und gesendeten Schriftsatzes auf dem Intermediär-Server der bayerischen Justiz ist kein Eingang beim Ausgangsgericht verbunden, bei dem die Verfahrenshandlung fristwahrend vorgenommen werden muss. 2. Bei aktiver Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs ist eine postalische Weiterleitung nicht geeignet, die wirksame Beschwerdeeinlegung zu bewirken, da es bezogen auf den maßgeblichen Zugang beim nach § 64 I 1 FamFG zuständigen Ausgangsgericht mit dem Eingang lediglich in schriftlicher Form an den Voraussetzungen gem. § 113 I FamFG, §§ 130a III, 130d ZPO fehlen würde. 3. Ist die elektronisch beim unzuständigen Gericht eingereichte Beschwerdeschrift qualifiziert elektronisch signiert, führt die elektronische Weiterleitung über die EGVP-Postfächer vom unzuständigen an das zuständige Gericht zu einem insoweit formgerechten elektronischen Eingang bei letzterem, da der Schriftsatz dort mit qualifizierter elektronischer Signatur eingeht. 4. Der elektronische Versand zwischen den Gerichten von beim falschen Gericht elektronisch eingereichten Schriftsätzen an das zuständige Gericht gehörte – jedenfalls bis 9.3.2022 – (noch) nicht zum gewöhnlichen Geschäftsgang. OLG Bamberg, Beschl. v. 2.5.2022 – 2 UF 16/22 Eine Beschwerde gegen eine Entscheidung des AG in einer Familiensache war per beA zum OLG als Beschwerdegericht eingelegt worden. Dies ist gem. § 64 I 1 FamFG unzulässig, da hiernach die Beschwerde (nur) bei dem Gericht einzulegen ist, dessen Beschluss angefochten wird (insofern anders als bei der sofortigen Beschwerde in Zivilsachen nach § 569 I 1 ZPO). Die Beschwerde wurde als unzulässig verworfen; Wiedereinsetzung wurde nicht gewährt, da ein Anwaltsverschulden vorliege. Die Beschwerde sei nicht durch den Eingang auf dem Intermediär-Server der Justiz als beim AG eingegangen anzusehen, da sie nicht an dieses adressiert war, so dass es keine Möglichkeit zur Kenntnisnahme gehabt habe. Eine Weiterleitung durch das OLG an das AG (hierfür wären bis zum Ablauf der Beschwerdefrist noch zehn Tage, also ausreichend, Zeit gewesen) auf dem Postweg3 3 Hierzu waren die Gerichte nach bisheriger Rspr. bei offenkundiger Unzuständigkeit im gewöhnlichen Geschäftsgang verpflichtet, vgl. z.B. BVerfG, NJW 1995, 3173. sei nicht geeignet gewesen, die Frist zu wahren, da dies nicht den zwingenden Voraussetzungen der elektronischen Einreichung nach § 113 I FamFG, §§ 130a III, 130d ZPO genügt hätte. Eine elektronische Weiterleitung durch das OLG an das AG hätte den Anforderungen der § 113 I FamFG, §§ 130a III, 130d ZPO hier genügt, da die Beschwerdeschrift vom Anwalt mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) versehen war. (Umkehrschluss: Bei einer nur einfachen Signatur wäre auch eine elektronische Weiterleitung nicht wirksam gewesen!) Die elektronische Weiterleitung habe jedoch zumindest bis zum Fristablauf am 9.3.2022 nicht dem ordentlichen Geschäftsgang des OLG Bamberg entsprochen. Der elektronische Rechtsverkehr befinde sich in einem frühen Stadium. Die Möglichkeit der elektronischen Versendung sei in der Software nur für einen Teil der richterlichen Verfügungen gegeben. Arbeitsanweisungen für die Ausführung einer richterlichen Verfügung zur elektronischen Weiterleitung eines Schriftsatzes existierten für die zuständigen Serviceeinheiten nicht. Auch seien jedenfalls bis zum 9.3.2022 die Adressen der Ausgangsgerichte nicht automatisch in der Software hinterlegt. Eine elektronische Weiterleitung sei nur mit besonderen technischen Kenntnissen möglich. Ob die in dem Beschluss geschilderte, nach Ansicht des Verfassers insuffiziente Ausstattung der Gerichte für den elektronischen Rechtsverkehr ausreicht, eine Handlungspflicht des Gerichts in Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG zu verneinen, erscheint doch zweifelhaft. Allerdings hatte der Senatsvorsitzende die Beteiligten mittels Verfügung nur einen Tag nach Eingang der Beschwerde (und damit innerhalb weit offener Frist) darauf hingewiesen, dass die Beschwerde gem. § 64 I 1 FamFG beim Ausgangsgericht einzureichen sei. Der Anwalt hätte also durchaus die Möglichkeit gehabt, die Beschwerde noch beim richtigen Gericht einzureichen. (hg) JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT BRAK-MITTEILUNGEN 4/2022 AUFSÄTZE 204

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