BRAK-Mitteilungen 3/2022

chend sichere Grundlage verschaffen, um sein Ermessen bei der Bestellung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters in einem konkreten Insolvenzverfahren sachgerecht ausüben zu können (vgl. BVerfGE 116, 1, 17 m.w.N.), indem er auf einen Kreis von Bewerbern zurückgreifen kann, auf deren allgemeine Qualifikation er sich verlassen kann, weil deren generelle persönliche und fachliche Eignung bereits geprüft und bejaht worden ist (BGH, Beschl. v. 19.12.2007 – IV AR(VZ) 6/07, ZIP 2008, 515 Rn. 20). Daher muss das Vorauswahlverfahren dem Richter nicht nur eine zügige Eignungsprüfung für das konkrete Verfahren ermöglichen, sondern ihm außerdem hinreichende Informationen für eine pflichtgemäße Ausübung des Auswahlermessens verschaffen und verfügbar machen (vgl. BVerfGE 116, 1, 17). Erfüllt ein Bewerber die persönlichen und fachlichen Anforderungen für das Amt des Insolvenzverwalters im Allgemeinen, kann ihm die Aufnahme in die Liste nicht versagt werden. Ein Ermessen für den die Vorauswahlliste führenden Insolvenzrichter besteht nicht (BGH, Beschl. v. 19.12.2007, a.a.O.; v. 17.3.2016 – IX AR(VZ) 1/15, ZIP 2016, 876 Rn. 24). Es ist zwischen dem Beurteilungsspielraum einerseits zu unterscheiden, welcher der Justizverwaltungsbehörde zuzubilligen ist, wenn sie den Bewerber an den allgemeinen Kriterien für die fachliche und persönliche Eignung misst, und dem Ermessensspielraum des Insolvenzrichters andererseits, der aus den in die Liste aufgenommenen Bewerbern einen Insolvenzverwalter im Einzelfall bestimmt (vgl. BGH, Beschl. v. 19.12.2007, a.a.O. Rn. 21). [29] (2) Nach diesen Maßstäben ist die vom Ag. geführte Vorauswahlliste – wie das KG im Ergebnis mit Recht annimmt – hinsichtlich der Punktebewertung rechtswidrig. Die Punktbewertung ist nach der Art ihrer Ausgestaltung für den angestrebten Zweck ungeeignet. Der Insolvenzrichter überschreitet damit den ihm bei der Vorauswahlliste zur Verfügung stehenden Ermessensspielraum. Dies gilt auch dann, wenn es sich – wie der Ag. meint – um eine unverbindliche Vorbereitung der Entscheidung über die Bestellung handelt. [30] (a) Die Punktebewertung ist rechtswidrig, weil keine ausreichend vergleichbaren Daten nicht ersichtlich ist, dass die zugrundeliegenden Daten der einzelnen Bewerber auf einer gesicherten Grundlage gewonnen und ausreichend vergleichbar sind. Die Einzelpunktzahlen und die Gesamtpunktezahl entbehren mithin eines sachlichen Grundes, der eine Ungleichbehandlung der Bewerber nach Maßgabe der im Vergleich zu anderen Bewerbern erzielten Gesamtpunktezahl rechtfertigen könnte. [31] Der Ag. vergibt ausweislich des dem Ast. erteilten Bescheids v. 23.3.2017 Einzelpunktezahlen für die allgemeinen Merkmale Berufserfahrung, Qualifikation, Kommunikative Kompetenz, Berufsfelder, Fortbildung Verwalter, Fortbildung Mitarbeiter und Zertifizierung sowie für die verfahrensbezogenen Merkmale Sanierung, Insolvenzpläne, Massesteigerung, Ausschüttungsquote, Verwaltungskosten, Abweisung mangels Masse und Verfahrensdauer. Auf die verfahrensbezogenen Merkmale entfallen maximal 280 Punkte. Sie machen den Großteil der möglichen Punkte aus. Für verfahrensbezogene Merkmale hat der Bewerber allein anhand der Unternehmensinsolvenzen, in denen er in der Vergangenheit als Insolvenzverwalter bestellt worden ist und für die er in einem vom Ag. festgelegten Zeitraum die Schlussrechnung eingereicht hat (vom Ag. als schlussgerechnete Unternehmensinsolvenzen bezeichnet), einen individuellen Wert zu ermitteln. [32] Dieser Wert hängt entscheidend davon ab, zu welchem Zeitpunkt, in welcher Anzahl und in welcher Art von Unternehmensinsolvenzen der Bewerber in der Vergangenheit als Insolvenzverwalter bestellt worden ist. Die Eigenheiten dieser Verfahren prägen diesen Wert. Demgegenüber richtet sich die Punktezahl, die ein Bewerber bei einem dieser Merkmale erzielt, allein danach, wie sich der in den von ihm bearbeiteten Unternehmensinsolvenzen erzielte Wert im Vergleich zu den von anderen Bewerbern in den von diesen bearbeiteten Unternehmensinsolvenzen darstellt. Ein solcher Vergleich anhand der erzielten Ergebnisse ist nur stichhaltig, wenn eine gesicherte Grundlage besteht, dass die für die erzielten Werte herangezogenen Insolvenzverfahren ihrer Art und Struktur nach vergleichbar sind. Der Ag. zeigt nicht auf, dass dies der Fall ist. Damit ist die Punktebewertung ohne Aussagekraft, weil weder die herangezogene Datengrundlage noch die Vergleichbarkeit der zugrundeliegenden Verfahren gesichert ist. [33] Das Ziel, der Eignung und Befähigung jedes einzelnen Bewerbers mit Hilfe der Punktebewertung einen festen Wert zuzuweisen, der einen Vergleich mit anderen Bewerbern auf der Grundlage der Punktebewertung ermöglicht, lässt sich mit der Vorauswahlliste des Ag. nicht in rechtlich vertretbarer Weise erreichen. Vielmehr fließen in die Punktebewertung Merkmale aus von den einzelnen Bewerbern geführten Insolvenzverfahren ein, ohne dass erkennbar und gesichert wäre, dass diese Insolvenzverfahren hinsichtlich der abgefragten Merkmale in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht miteinander vergleichbar wären (vgl. auch Graf-Schlicker/ Graf-Schlicker, InsO, 5. Aufl., §§ 56, 56a Rn. 34). Ebenso wenig entspricht die Auswahl der für den einzelnen Bewerber zu berücksichtigenden Insolvenzverfahren den Anforderungen an eine statistisch aussagekräftige Stichprobe. [34] Die Vorauswahlliste des Ag. ermittelt die Werte der jeweiligen Merkmale allein auf der Grundlage der vom einzelnen Bewerber schlussgerechneten Verfahren. Das vom Ast. in diesen 85 Verfahren erzielte Ergebnis ist nicht geeignet, eine Punktebewertung als Vergleich zu den übrigen Bewerbern zu rechtfertigen. Es ist schon nicht ersichtlich, dass die 85 Verfahren einen repräsentativen Ausschnitt aller Insolvenzverfahren darstellen. Die Punktebewertung ermöglicht nur dann einen Vergleich zwischen den Bewerbern, wenn die Gesamtzahl der von einem einzelnen Bewerber schlussgerechneten BRAK-MITTEILUNGEN 3/2022 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 178

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