BRAK-Mitteilungen 3/2022

Zudem hat der Kl. die Daten und damit Gesundheitsdaten selbst ins Verfahren eingebracht, indem er den Prozess beim Arbeitsgericht mit seiner Klage einleitete und den Gegenstand dieses Verfahrens durch den von ihm geltend gemachten Anspruch auf eine leidensgerechte Beschäftigung denkbar weit fasste. Die Verarbeitung von Gesundheitsdaten des Kl. nach Verarbeitung von Gesundheitsdaten Art. 9 I DSGVO ist zulässig. Denn sie erfüllt die für eine Datenverarbeitung durch den Vortrag und Speicherung im Prozess geltenden Voraussetzungen des Art. 9 II lit f DSGVO. Zwar ist vom Grundsatz her gem. Art. 9 I DSGVO die Verarbeitung von Gesundheitsdaten einer natürlichen Person untersagt. Aus Art. 9 II lit. f DSGVO ergibt sich jedoch, dass dieses Verbot dann nicht gilt, wenn die Verarbeitung zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen oder bei Handlungen der Gerichte im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit erforderlich ist. Diese Norm dient der Sicherung des Justizgewährleistungsanspruchs (vgl. Art. 47 GRCh, Art. 20 II 2, III GG). Lässt sich ein rechtlicher Anspruch nur unter Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten, hier sensitiver Gesundheitsdaten, durchsetzen, so soll es hieran nicht scheitern (Kühling/Buchner/Weichert, 3. Aufl. 2020, DSGVO Art. 9 Rn. 83). Das Datenschutzregime soll nicht so weit gehen, dass die legitime Durchsetzung von Rechten nicht mehr möglich ist (Paal/Pauly/Frenzel, DSGVO Art. 9 Rn. 37). Dasselbe muss vor dem Hintergrund der Waffengleichheit und des effektiven Rechtsschutzes auch für die Abwehr von Ansprüchen gelten. Art. 9 II lit. f DSGVO verweist auf die nationalen verfahrensrechtlichen Regelungen, die einen angemessenen Interessenausgleich der Beteiligten sicherstellen sollen. Ein expliziter Verweis auf nationale Regelungen war insofern nicht nötig (Kühling/Buchner/Weichert, 3. Aufl. 2020, DSGVO Art. 9 Rn. 87). Streitgegenstand der Verfahren vor dem ArbG Hannover und dem LAG Niedersachsen ist der vom Kl. in seinen Anträgen und Schriftsätzen geltend gemachte Anspruch auf eine leidensgerechte Beschäftigung. Hierfür legte der Kl. selbst insb. ärztliche Atteste, eine E-Mail von Fr. S., die den Inhalt des „BEM“ zum Gegenstand hat und eine E-Mail von ihm an die Arbeitgeberin, die ebenfalls auf das „BEM“ Bezug nimmt, vor. Falls man der Argumentation des Kl. folgt, so würde der Justizgewährleistungsanspruch einseitig zu Lasten des im arbeitsgerichtlichen Verfahren Bekl. ausgehebelt werden. Hierbei ist auch die besondere Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege zu beachten, § 1 BRAO. Aus § 3 III BRAO folgt, dass jedermann im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften das Recht hat, sich in Rechtsangelegenheiten aller Art durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl beraten und vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden vertreten zu lassen. Auch § 11 II 1 ArbGG sieht dies vor. Das wäre unmöglich, wenn die Rechtsanwältin im vorliegenden Fall am Vortrag im Prozess gehindert wäre. Da die Datenverarbeitung der Rechtsanwältin rechtmäßig war und ist, hat auch der Klageantrag zu 4), über den mangels Erfolgs der Klageanträge zu 1) bis 3) zu entscheiden ist, aus den oben aufgeführten Gründen ebenfalls keinen Erfolg. Da das Verhalten der Rechtsanwältin im arbeitsrechtlichen Prozess nicht zu beanstanden ist, liegt für den Bekl. eine Ermessensreduktion auf Null bezüglich eines Nichteinschreitens vor. HINWEISE DER REDAKTION: Grundsätzlich steht jedem Mandanten gegen seinen Anwalt ein Anspruch auf Datenauskunft gem. Art. 15 DSGVO zu. Der Begriff der „personenbezogenen Daten“ nach Art. 4 DSGVO umfasst nach der Legaldefinition in Art. 4 Nr. 1 DSGVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierbare natürliche Person beziehen. Dem Auskunftsanspruch unterfallen auch die Angaben aus dem Mandatskonto sowie die betreffend den Mandanten gespeicherte elektronische Kommunikation. Ausführlich dazuKolb, BRAK-Mitt. 2022, 64. SONSTIGES RECHTSWIDRIGE VORAUSWAHLLISTE FÜR INSOLVENZVERWALTER InsO § 56 1. Ein Bewerber kann mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung geltend machen, dass die Auswahlkriterien, die der Insolvenzrichter bei der Aufnahme in die Vorauswahlliste für Insolvenzverwalter heranzieht, rechtswidrig sind und ihn in seinen Rechten verletzen. Hierzu zählen auch Merkmale, die eine Strukturierung der Vorauswahlliste ermöglichen sollen. 2. Ein Bewerber kann mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung geltend machen, dass er bei rechtsfehlerfreier Anwendung der vom InsolvenzBRAK-MITTEILUNGEN 3/2022 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 174

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