BRAK-Mitteilungen 3/2022

Die Rechtsanwältin hat bei der Datenverarbeitung rechtmäßige Datenverarbeitung nicht gegen die DSGVO, insbesondere Art. 5 I DSGVO verstoßen. Die Datenverarbeitung, auch die der personenbezogenen Daten des Kl., erfolgte vielmehr rechtmäßig nach Art. 6 I UA 1 S. 1 f, Art. 9 II lit. f DSGVO. Zur Frage der Anwendbarkeit von § 26 BDSG wird auf die Vorlage an den EuGH verwiesen (VG Wiesbaden, Beschl. v. 27.1.2021 – 23 K 1360/20.WI). Die Rechtsanwältin ist zwar „Verantwortliche“ i.S.d. Art. 4 Nr. 7 DSGVO und wäre damit richtige Adressatin eines Bußgeldbescheids. Nach dieser Vorschrift ist derjenige Verantwortlicher, Rechtsanwälte als „Verantwortliche“ der allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Rechtsanwälte sind ein unabhängiges Organ der Rechtspflege, § 1 BRAO. Der Rechtsanwalt ist der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten, § 3 I BRAO. In dieser Eigenschaft verarbeitet er regelmäßig personenbezogene Daten aufgrund eines Mandats. Der Schwerpunkt der Tätigkeit liegt dabei auf der berufsständisch verankerten unabhängigen Tätigkeit. Ein Rechtsanwalt ist daher datenschutzrechtlich selbst als Verantwortlicher einzuordnen (vgl. Kühling/Buchner/Hartung, 3. Aufl. 2020, DSGVO Art. 28 Rn. 47). Dies ergibt sich insb. aus seiner Rechtsstellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege gem. § 1 I BRAO und seiner unabhängigen Berater- und Vertretereigenschaft gem. § 3 I BRAO. Der Anwalt trägt selbst die Verantwortung für den Inhalt der Schriftsätze hinsichtlich der Haftung und der Gestaltung (vgl. BeckOK DatenschutzR/Spoerr, DSGVO, 34. Ed. 1.11.2020, Art. 28). Es ist auch eine Datenverarbeitung i.S.v. Art. 4 Nr. 2 DSGVO gegeben. Ein Verarbeitungsvorgang ist nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO jeder mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführter Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, der Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung. Die Datenverarbeitung ist nach Art. 6 I UA 1 S. 1 f i.V.m. Art. 9 DSGVO rechtmäßig, wenn die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen. Für die Frage, ob ein berechtigtes Interesse vorliegt, ist zunächst das Interesse des Verantwortlichen auf berechtigtes Interesse Grundlage der Zweckbestimmung zu betrachten. In Betracht kommen bspw. rechtliche, wirtschaftliche oder ideelle Interessen (Gola, DSGVO/Schulz, DSGVO, 2. Aufl. 2018, Art. 6 Rn. 57). Im vorliegenden Fall ist es das Interesse der Rechtsanwältin, die vertragliche Verpflichtung mit dem Mandanten, der Arbeitgeberin, zu erfüllen (vgl. § 3 III BRAO). Hierfür ist sie gehalten, die Prozessvertretung im arbeitsgerichtlichen Verfahren zu übernehmen und hierzu vorzutragen. Die Rechtsanwältin erklärte sich zudem nicht im eigenen Namen über die Daten des Kl., sondern als Vertreterin und im Namen der Partei über die ihr vom Mandanten zugetragenen Tatsachen. Bei den Äußerungen eines Anwalts im Prozess handelt es sich um Parteivortrag. Die Verarbeitung ist auch zur Wahrung der berechtigten Interessen der Mandantschaft, hier der Bekl. Arbeitgeberin, erforderlich. Die Tätigkeit eines Rechtsanwalts wäre unmöglich, wenn er nicht grundsätzlich das vortragen dürfte, was ihm der Mandant mitteilt. Er würde sich sogar seinerseits der Gefahr der Anwaltshaftung aussetzen, wenn er entgegen § 138 II, III ZPO nicht den Vortrag der gegnerischen Partei bestreitet und den Sachverhalt aus der Perspektive des Mandanten darstellt. Aus anwaltlicher Vorsicht ist der Rechtsanwalt gehalten, umfassend vorzutragen und zu bestreiten. Die im Rahmen des Art. 6 I UA 1 S. 1 f DSGVO vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem berechtigten Interesse des Verantwortlichen bzw. einem Dritten (hier der Mandantschaft) an der Verarbeitung und dem Interesse des Kl. an der Vertraulichkeit seiner Daten geht zu Gunsten der Rechtsanwältin aus. Die von der Rechtsanwältin verwendeten Daten sind weder falsch, noch durch diese in rechtswidriger Weise beschafft. Sie war bei dem Gespräch v. 29.8.2019 nicht anwesend. Sie hat auch umfassend dazu vorgetragen, dass sie selbst keinen Einblick in die „BEM-Akte“ hatte und auf Basis des Vortrags des Kl. Fragen an die Arbeitgeberin zur Sachverhaltsaufklärung stellte. Hieran besteht kein Zweifel. In diesem Rahmen kommt es nicht drauf an, ob es sich um ein wirksames „BEM-Gespräch“ handelte. Selbst bei einem wirksam durchgeführten „BEM“ läge kein Geheimnisverrat durch die Rechtsanwältin vor. Diese darf alle Umstände nutzen, weil sie selbst mangels Teilnahme an dem Gespräch nicht der Verschwiegenheit unterliegt. Ansonsten würde sie die Interessen des Mandanten und ihre Verpflichtungen aus dem Mandatsverhältnis verletzen. Hierauf kommt es aber im vorliegenden Fall nicht an, da der Kl. selbst im arbeitsgerichtlichen Verfahren vorgetragen hat, dass es sich nicht um ein wirksames „BEM“ gehandelt habe. Demnach können die Inhalte des Gesprächs auch nicht der Geheimhaltung unterliegen. Der Inhalt des Gesprächs kann erst Recht verwendet werden. Dies hätte der Kl., der promovierter Volljurist ist, erkennen müssen. BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 3/2022 173

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