BRAK-Mitteilungen 1/2022

2. § 46c III 1 ArbGG dient mit seinen Formanforderungen an Signatur und Einreichung – genauso wie die identische Vorschrift in § 130a III 1 ZPO – ausschließlich der Sicherstellung der Authentizität und Integrität des eingereichten elektronischen Dokuments. Fragen der Prozessvertretung sind hierfür ohne Relevanz. 3. Bis zur technischen Einsatzbereitschaft und organisatorischen Umsetzung des elektronischen Bürger- und Organisationenpostfachs (eBO) bleibt das beA des Syndikusrechtsanwalts eines Verbands eine sinnvolle, rechtssichere und unproblematisch nutzbare Alternative zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr. ArbG Stuttgart, Beschl. v. 15.12.2021 – 4 BV 139/21 AUS DEN GRÜNDEN: I. Die Beteiligte zu 1 betreibt deutschlandweit eine Vielzahl von Filialen, in denen sie Kochutensilien vertreibt. An ihrem Hauptsitz in G. ist ein Betriebsrat (im Folgenden: Beteiligter zu 2 gebildet, der für alle Filialen zuständig ist. Die Beteiligte zu 1 ist Mitglied im ...verband W. Mit Antragsschrift v. 8.7.2021 beantragte die Beteiligte zu 1 – vertreten durch den ...verband W. – die Ersetzung der zuvor verweigerten Zustimmung des Beteiligten zu 2 zur zeitlich bis 14.12.2021 befristeten Versetzung eines Filialmitarbeiters. Mit Schriftsatz v. 15.12.2021 nahm die Beteiligte zu 1 den Antrag zurück. Der Schriftsatz v. 15.12.2021 wurde aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (im Folgenden: beA) von Frau Syndikusrechtsanwältin K. versandt. Der nicht qualifiziert signierte Schriftsatz ist maschinenschriftlich wie folgt unterzeichnet: „...verband W. RAin N. K. (Syndikusrechtsanwältin)“. II. Das Verfahren war gem. § 81 II 2 ArbGG durch Beschluss des Vorsitzenden einzustellen, nachdem die Beteiligte zu 2 mit Schriftsatz v. 15.12.2021 den Antrag auf Zustimmungsersetzung (§ 99 IV BetrVG) gem. § 81 II 1 ArbGG zurückgenommen hat. Die Voraussetzungen für die wirksame Übermittlung eines elektronischen Dokuments gem. § 46c ArbGG liegen vor. 1. § 46c ArbGG findet jedenfalls seit der Neufassung von § 80 II 1 ArbGG zum 12.10.2021 auch im Beschlussverfahren Anwendung. Die Gesetzesnovelle diente u.a. der Klarstellung, dass die Vorschriften zum elektronischen Rechtsverkehr im Arbeitsgerichtsgesetz auch im Beschlussverfahren Anwendung finden (BT-Drs. 19/28399, 46). 2. Der Schriftsatz v. 15.12.2021 wahrt die Voraussetzungen für die wirksame Übermittlung eines elektronischen Dokuments gem. § 46c ArbGG i.V.m. § 80 II 1 ArbGG. a) Gemäß § 46c I ArbGG können vorbereitende Schriftsätze und schriftlich einzureichende Anträge nach Maßgabe von § 46c II-VI ArbGG als elektronisches Dokument beim Arbeitsgericht eingereicht werden. Sie müssen gem. § 46c III 1 ArbGG entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (im Folgenden: qeS) der verantwortenden Person versehen sein (Alt. 1) oder von der verantwortenden Person – einfach – signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (Alt. 2). Die sicheren Übermittlungswege bestimmt § 46c IV ArbGG. Gemäß § 46c IV Nr. 2 ArbGG handelt es sich bei dem Übermittlungsweg zwischen dem beA nach § 31a BRAO und der elektronischen Poststelle des Gerichts um einen sicheren Übermittlungsweg (zum Ganzen BAG, 30.7.2020 – 2 AZR 43/20 Rn. 11). Ein elektronisches Dokument, das aus einem beA verVersender muss Signierender sein sandt wird und nicht mit einer qeS versehen ist, wahrt nur dann die Formvoraussetzungen des § 46c III 1 Var. 2 ArbGG, wenn die das Dokument signierende und damit verantwortende Person mit der des tatsächlichen Versenders übereinstimmt (BAG, 5.6.2020 – 10 AZN 53/20; 14.9.2020 – 5 AZB 23/20; H. Müller, in Ory/Weth, jurisPK- ERV Band 2, 1. Aufl., § 130a ZPO, Stand: 10.12.2021, Rn. 84.1 ff. m.w.N.). Die einfache Signatur meint die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes. Dies kann beispielsweise der maschinenschriftliche Namenszug unter dem Schriftsatz oder eine eingescannte Unterschrift sein (BAG, 14.9. 2020 – 5 AZB 23/20 Rn. 15). b) Diese Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Übermittlung gem. § 46c III 1 Alt. 2 ArbGG sind im Hinblick auf den Schriftsatz v. 15.12.2021 erfüllt. aa) Frau Syndikusrechtsanwältin K. hat ausweislich des Prüfprotokolls „inspection_sheet“ (dazu H. Müller, a.a.O. Rn. 85) den Schriftsatz v. 15.12.2021 aus ihrem beA persönlich an das Gericht gesandt. Ein vertrauenswürdiger Herkunftsnachweis (VHN) und damit eine Übermittlung auf einem sicheren Übermittlungsweg liegen vor (zum VHN s. BAG, 5.6.2020 – 10 AZN 53/20 Rn. 27 ff.). bb) Der Name von Frau Syndikusrechtsanwältin K. ist am Ende des Schriftsatzes v. 15.12.2021 in maschinenschriftlicher Form wiedergegeben. Eine einfache Signatur liegt mithin ebenso vor wie die notwendige Identität zwischen der das Dokument signierenden Person und der Versenderin (beA-Postfachinhaberin). cc) Frau Syndikusrechtsanwältin K. war auch die „ververantwortende Person antwortende Person“ i.S.v. § 46c III 1 Alt. 2 ArbGG. Dem steht nicht entgegen, dass Prozessvertreter der Beteiligten zu 1 gem. § 11 II 1 Nr. 4 ArbGG der ...verband W. war. (1) In der Literatur wurde unlängst die Ansicht angedeutet, bei Prozessvertretung durch einen Verband gem. § 11 II 1 Nr. 4 ArbGG sei dessen ERV-Pflichtenprogramm maßgebend. Daraus folge nicht nur, dass für einen gem. § 11 II 2 ArbGG handelnden Syndikusrechtsanwalt ab 1.1.2022 die aktive Nutzungspflicht aus § 46g ArbGG nicht gelte. Darüber hinaus könne „verELEKTRONISCHER RECHTSVERKEHR BRAK-MITTEILUNGEN 1/2022 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 52

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