BRAK-Mitteilungen 1/2022

tronischen Kommunikationsplattform. Der Austausch elektronischer Nachrichten mit den Gerichten fußt derzeit noch überwiegend auf den Vorstellungen aus der Papierwelt. Diese in der elektronischen Welt abzubilden, erfordert viele umständlich wirkende Einzelschritte. Umso wichtiger ist es, dass die Digitalisierung weiter ausgebaut wird. Erste Überlegungen zur Stärkung und Erhöhung der Akzeptanz des Elektronischen Rechtsverkehrs hat eine Arbeitsgruppe der OLG-Präsidentinnen und -Präsidenten in ihrem Papier zur Modernisierung des Zivilprozesses15 15 https://www.justiz.bayern.de/media/images/behoerden-und-gerichte/oberlandesg erichte/nuernberg/diskussionspapier_ag_modernisierung.pdf. vorgestellt. Sie bieten die Chance für die Anwaltschaft, eigene Strategien im Sinne höherer Effizienz durch Einsatz technischer Möglichkeiten, Sicherheit, Nutzerfreundlichkeit und eines elektronischen Rechtsverkehrs „auf Augenhöhe“ zu entwickeln. Um dies zu erreichen, ist die konsequente Umsetzung und Weiterentwicklung des elektronischen Rechtverkehrs erforderlich – und zwar rechtlich ebenso wie technisch. Die Bundesrechtsanwaltskammer hat in ihrer Stellungnahme zum Digitalen Rechtssystem16 16 BRAK-Stn.-Nr. 60/2021. gefordert, dass die Anwaltschaft an dem von der Bundesregierung beabsichtigten Digitalisierungscheck der Gesetze beteiligt wird. Zur Durchführung dieses Digitalisierungschecks, insbesondere im Hinblick auf die Anpassung materiellrechtlicher und verfahrensrechtlicher Vorschriften an den elektronischen Rechtsverkehr und seine Weiterentwicklung, sollte deshalb eine Expertenkommission aus Vertretern von Bund, Ländern, Justiz und Anwaltschaft eingerichtet werden, die aus der Praxis heraus konkrete Änderungsvorschläge erarbeitet und weitere Anpassungen im Verfahrensrecht und im materiellen Recht diskutiert. Zustellungsfragen müssen geklärt, Besonderheiten für Eilverfahren festgelegt, Fragen zur Vorlage von Originalen, Ausfertigungen und beglaubigten Abschriften gelöst und die Digitalisierung der Zwangsvollstreckung weitergeführt werden. Genauso wichtig ist aber auch die Verbesserung der technischen Ausstattung innerhalb der Justiz, damit elektronischer Rechtsverkehr auf Gegenseitigkeit funktioniert. Die von der Anwaltschaft übersandten Strukturdaten sollten dazu genutzt werden, dass elektronische Posteingänge direkt und automatisiert an die Geschäftsstellen und/oder die zuständigen Richterinnen und Richter durchgeleitet werden. So könnte der elektronische Rechtsverkehr zu einer erheblichen Beschleunigung der Abläufe beitragen. Auch sollte bereits jetzt über technische Weiterentwicklungen nachgedacht werden. Die BRAK hatte in ihrer Stellungnahme bereits Vorschläge für die praxisgerechte Anpassung von Formalien, den Austausch zwischen Prozessbevollmächtigten und Gericht über an die EGVPInfrastruktur angebundene Kommunikationsplattformen oder die Entwicklung einer Ablageplattform zum Up- und Download elektronischer Dokumente unterbreitet. Solche Vorschläge sollten aufgegriffen, sorgfältig abgewogen und in Pilotprojekten oder durch die Entwicklung von Prototypen evaluiert werden. Die Herausforderungen anzunehmen und die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, wird eine der wesentlichen Aufgaben nicht nur des Jahres 2022, sondern der kommenden Jahre sein. Der Gesetzgeber sollte mit Unterstützung der Anwaltschaft und der Justiz die Erfahrungen aus dem sich nun flächendeckend etablierenden elektronischen Rechtsverkehr nutzen, dort gegensteuern, wo es angezeigt ist, und Mut zur Weiterentwicklung auf dem Weg zu einer echten digitalen Justiz zeigen, ohne die Grundwerte des Rechtsstaats dabei aus den Augen zu verlieren. EINIGE BEMERKUNGEN ZUR NEUFASSUNG VON § 3 BORA AKADEMISCHER OBERRAT DR. CHRISTIAN DECKENBROCK* * Institut für Anwaltsrecht, Universität zu Köln. Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe wird nicht nur das anwaltliche Gesellschaftsrecht auf eine neue Basis gestellt.1 1 DazuDeckenbrock, DB 2021, 2200 ff.; Kilian, NJW 2021, 2385 ff.; Nitschke, BRAKMitt. 2021, 218 ff.; Ring, WM 2021, 2265 ff.; Stöber, DStR 2021, 2137 ff. sowie speziell zu Steuerberatern Ruppert, DStR 2021, 2090 ff. Vielmehr werden auch die anwaltlichen Tätigkeitsverbote ein umfassendes Update erfahren. Der Gesetzgeber hat die §§ 43a IV, 45 BRAO vollständig neu formuliert und zahlreiche in der Praxis bestehende Streitfragen adressiert.2 2 Zu den Neuregelungen bereits ausf. Deckenbrock, DB 2021, 2270 ff. sowie Diller, AnwBl. 2021, 470 ff. undOffermann-Burckart, AnwBl. 2022, 90 ff. Wie die Regelungen zum anwaltlichen Gesellschaftsrecht werden auch die Neuregelungen des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen und der Tätigkeitsverbote bei nichtanwaltlicher Vorbefassung zum 1.8.2022 in Kraft treten. Aufgrund dieser gesetzlichen Änderungen war auch eine Anpassung des § 3 BORA geboten. Die 7. Satzungsversammlung der BRAK hat – in Ausübung ihrer Satzungskompetenz gem. § 59a II Nr. 1 e) BRAO n.F. BRAK-MITTEILUNGEN 1/2022 AUFSÄTZE 6

RkJQdWJsaXNoZXIy ODUyNDI0