BRAK-Mitteilungen 1/2022

über den Gerichten tätig werden. Die Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs ergibt sich für diese Berufsgruppe aus § 46c BRAO i.V.m den verfahrensrechtlichen Regelungen, da diese keine besonderen Vorschriften für Syndikusrechtsanwälte enthalten. Eine Ausnahme von der ausnahmslosen Verpflichtung, den elektronischen Rechtsverkehr zu nutzen, gilt gem. § 32d StPO für die Kommunikation mit Strafverfolgungsbehörden und Gerichten. Nur die Berufung und ihre Begründung, die Revision, ihre Begründung und die Gegenerklärung sowie die Privatklage und die Anschlusserklärung bei der Nebenklage müssen als elektronisches Dokument übermittelt werden. 2. ERSATZEINREICHUNG BEI VORÜBERGEHENDER TECHNISCHER UNMÖGLICHKEIT Dem Gesetzgeber war bei Einführung der aktiven beANutzungspflicht bewusst, dass Fallgestaltungen auftreten können, in denen die elektronische Einreichung von Schriftsätzen aus technischen Gründen vorübergehend unmöglich ist. Die Ursachen können z.B. in Störungen der Internetverbindung, des IT-Systems der Kanzlei oder auch in einem Ausfall des beA-Systems liegen. Daher ist in den Verfahrensordnungen normiert, dass in einem solchen Fall eine Einreichung nach den allgemeinen Vorschriften möglich bleibt. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll es keine Rolle spielen, ob der Grund für die vorübergehende technische Unmöglichkeit in der Sphäre des Einreichenden oder der des Gerichts zu suchen ist. Ein vorübergehender Ausfall technischer Vorrichtungen soll dem Rechtsuchenden nicht zum Nachteil gereichen.10 10 BT-Drs. 17/12634, 27. Die Möglichkeit der Ersatzeinreichung besteht nur in Fällen einer vorübergehenden Unmöglichkeit der elektronischen Einreichung. Die professionellen Einreicher sind hierdurch nicht von der Verpflichtung entbunden, die erforderlichen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorzuhalten und bei technischen Ausfällen unverzüglich für Abhilfe zu sorgen.11 11 BT-Drs. 17/12634, 28. Zudem müssen es technische Gründe sein, aus denen die elektronische Einreichung unmöglich ist. Hiervon abzugrenzen sind Bedienfehler. Diese werden nicht als technische Störungen angesehen.12 12 BGH, Beschl. v. 17.5.2004 – II ZB 22/03, BRAK-Mitt. 2004, 221 Ls., zur Einreichung per Telefax. Für den Fall einer fehlgeschlagenen Adress-Suche in einer beAKanzleisoftware hat das LAG Schleswig-Holstein entschieden, dass ein konkreter Vortrag erforderlich sei, warum kein Bedienfehler vorliege. Objektive Angaben zu den Eingaben in das Programm und Glaubhaftmachungen zu den Anzeigen und Reaktionen auf der Bildschirmoberfläche seien erforderlich, um die Reaktion der Software zu belegen. Dazu läge die Erstellung von Screenshots oder anderen Dokumentationen nahe, um die Fehlerhaftigkeit der Software zu dokumentieren. Auch eine Auswertung der Metadaten des Programms sei ein mögliches Mittel zur Glaubhaftmachung, dass es sich tatsächlich um eine technische Störung und nicht um einen Bedienfehler handele.13 13 LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 8.4.2021 – 1 Sa 358/20, BRAK-Mitt. 2021, 298 Ls. Die vorübergehende technische Unmöglichkeit ist glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung sollte möglichst gleichzeitig mit der Ersatzeinreichung erfolgen. Jedoch sind Situationen denkbar, in denen der Rechtsanwalt erst kurz vor Fristablauf feststellt, dass eine elektronische Einreichung nicht möglich ist und bis zum Fristablauf keine Zeit mehr verbleibt, die Unmöglichkeit darzutun und glaubhaft zu machen. In diesem Fall ist die Glaubhaftmachung unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, nachzuholen.14 14 BT-Drs. 17/12634, 28. Rechtsfolge einer glaubhaft gemachten, vorübergehenden technischen Unmöglichkeit ist, dass ausnahmsweise eine Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig ist. Allgemeine Vorschriften sind die Übermittlung per Post, das Einlegen in den Briefkasten, auch in den Nachtbriefkasten des Gerichts oder die Übermittlung per Telefax. Die Ersatzeinreichung ist nur für die Dauer der Störung zulässig. Ist diese behoben, muss die Einreichung auf elektronischem Wege erfolgen. Auf Anforderung des Gerichts ist der Einreichende verpflichtet, die Einreichung in elektronischer Form nachzuholen. Die Möglichkeit zur Ersatzeinreichung ist von dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abzugrenzen. Die Ersatzeinreichung gelangt nicht zur Anwendung, wenn eine Frist bereits verstrichen ist. Sie dient vielmehr zur Fristwahrung. Nach Verstreichen einer Frist kommt nur noch ein Antrag auf Wiedereinsetzung in Betracht. Die Ersatzeinreichung ist besonders bei materiell-rechtlichen Verjährungs- und Ausschlussfristen interessant, da in diesen Fällen keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann. Bei Feststehen einer vorübergehenden technischen Störung und drohendem Fristablauf sollte also schnell gehandelt und eine Ersatzeinreichung durch Übermittlung per Telefax oder Einlegen in den Nachtbriefkasten des Gerichts vorgenommen werden. IV. AUSBLICK AUF 2022 Was ist für 2022 zu erwarten? Die Rechtsprechung wird sich voraussichtlich intensiv mit den neuen verfahrensrechtlichen Vorschriften befassen, Anforderungen an anwaltliche Sorgfaltspflichten im elektronischen Rechtsverkehr festlegen und konkrete Vorgaben für Wiedereinsetzungsgesuche entwickeln. An der ein oder anderen Stelle wird der Gesetzgeber Klarstellungen vornehmen (müssen). Elektronischer Rechtsverkehr ist aber sehr viel mehr als nur die Nutzung und rechtliche Verankerung einer elekAUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 1/2022 5

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