BRAK-Mitteilungen 6/2021

Bestreiten näher zu begründen, führt das auch dann nicht zur Unbeachtlichkeit ihrer Erklärung mit Nichtwissen, wenn sie dabei eine Behauptung ins Blaue hinein aufstellt (BGH, Beschl. v. 29.11.2018 – I ZR 5/18, MDR 2019, 242 Rn. 10). [26] (3) Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen lassen sich im Streitfall zugunsten der Kl. die Voraussetzungen des § 138 IV ZPO hinsichtlich der früheren Mitgliedschaft der Bekl. in der bezeichneten Vorstandsabteilung nicht verneinen. Die frühere Mitgliedschaft der Bekl. in der genannten Vorstandsabteilung stellt nicht nur keine eigene Handlung der Kl. oder ihrer Mitglieder dar, sondern war auch nicht Gegenstand deren eigener Wahrnehmung. [27] Die etwaige Zugehörigkeit der Mitglieder der Kl. zur RAK München rechtfertigt nicht die Annahme, die frühere Mitgliedschaft der Bekl. in einer Vorstandsabteilung der RAK München falle in den Wahrnehmungsbereich der Mitglieder der Kl. Es kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Mitglieder einer berufsständischen Selbstverwaltungskörperschaft Kenntnis davon haben, wie Gremien der Körperschaft in der Vergangenheit personell besetzt waren. [28] Soweit sich aus dem Umstand, dass einige Mitglieder der Kl. im Jahr 2014 mit der Bekl. für mehrere Monate zur gemeinsamen Berufsausübung verbunden waren, hinsichtlich der Kenntnis vom zurückliegenden berufsständischen Engagement der Bekl. Anderes ergeben könnte, fehlt es ebenfalls an entsprechenden Feststellungen des Berufungsgerichts. [29] Eine Erkundigungspflicht der Kl. kommt allenfalls hinsichtlich des Bereichs ihres eigenen Unternehmens, also mit Blick auf die bei ihr tätigen Rechtsanwälte in Betracht, nicht aber hinsichtlich der RAK München. Bei der RAK handelt es sich nicht um eine Stelle, die im Unternehmensbereich der Kl. oder unter ihrer Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig geworden ist. Das Berufungsgericht durfte folglich der Kl. nicht zur Last legen, keine weiteren Erkundigungen bei der RAK eingeholt zu haben. [30] (4) Die erst- und zweitinstanzliche Erklärung der Kl., die frühere Mitgliedschaft der Bekl. in der Vorstandsabteilung XII der RAK München zu bestreiten, ist als Erklärung mit Nichtwissen i.S.d. § 138 IV ZPO auszulegen. Bestreitet eine Partei eine erkennbar außerhalb des Bereichs ihrer eigenen Wahrnehmung liegende Tatsache, so ist dies als Erklärung mit Nichtwissen i.S.d. § 138 IV ZPO zu werten (vgl. Zöller/Greger, a.a.O. § 138 Rn. 13). [31] d) Die Würdigung des Berufungsgerichts hat auch dann keinen Bestand, wenn die Behauptung der Bekl. zu ihrer früheren Mitgliedschaft in der Vorstandsabteilung als richtig unterstellt wird. Die Beurteilung des Berufungsgerichts ist widersprüchlich und erfahrungswidrig. [32] aa) Das Berufungsgericht hat sich durch Bezugnahme auf das Urteil des LG dessen Beurteilung zu Eigen gemacht, dass Aktivitäten von Rechtsanwälten außerhalb der eigentlichen Rechtsberatung und Prozessvertretung, insbesondere Mitgliedschaften, die ein hohes Maß an Engagement und Leistungsbereitschaft erkennen lassen, für die Marktentscheidung des Verbrauchers bedeutsam sind. [33] Hiermit ist es nicht vereinbar, die mit der angegriffenen Angabe behauptete Tätigkeit in der Vorstandsabteilung XII (Vermittlungen) der RAK München gleichwohl nicht als für die Verbraucherentscheidung relevant anzusehen. Denn diese Art der ehrenamtlichen Tätigkeit in einer berufsständischen Einrichtung zählt zu den außerhalb der Rechtsberatung entfalteten anwaltlichen Aktivitäten, die ein hohes Maß an Engagement und Leistungsbereitschaft erkennen lassen. [34] bb) Die Würdigung des Berufungsgerichts ist erfahrungswidrig, soweit darin der Angabe über die Mitgliedschaft in einer Vorstandsabteilung der RAK, die für die Vermittlung von Streitigkeiten zwischen Rechtsanwälten oder Rechtsanwälten und ihren Mandanten zuständig ist, generell die geschäftliche Relevanz abgesprochen wird. Gleichermaßen erfahrungswidrig ist die vom Berufungsgericht in Bezug genommene Würdigung des Landgerichts, die Berufung in eine Vorstandsabteilung sei kein besonderer Vertrauensbeweis und vermittele auch nicht den Eindruck besonderer Integrität, Verantwortungsbereitschaft und Kompetenz, weil sie nicht auf einer Wahl beruhe. [35] Es verhält sich vielmehr so, dass eine Angabe der Vermittlung besonderer Integrität, Verantwortungsbereitschaft und Kompetenz streitgegenständlichen Art in der anwaltlichen Werbung durchaus Eindruck auf den Rechtsrat suchenden Verbraucher macht, weil mit ihr nicht nur die Botschaft transportiert wird, dass die werbende Rechtsanwältin für würdig befunden worden ist, in einer Vorstandsabteilung mitzuwirken, sondern sie auch über Erfahrungen in der Streitschlichtung im Umgang mit Rechtsanwälten verfügt. Diese Umstände stellen wirksame Argumente bei der anwaltlichen Mandantengewinnung dar, ohne dass es insoweit darauf ankommt, ob die Aufnahme in die Vorstandsabteilung von einer Wahl oder einer Berufung abhängt. [36] cc) Die Würdigung des Berufungsgerichts ist auch insoweit erfahrungswidrig, als es gemeint hat, dem Verbraucher komme es, wenn eine aktuelle Mitgliedschaft behauptet werde, nicht auf eine aktuelle Mitgliedschaft an, sondern er begnüge sich auch mit einer in der Vergangenheit liegenden. [37] Gerade die Behauptung einer andauernden Mitgliedschaft in der Vorstandsabteilung XII (Vermittlungen) der RAK München entfaltet werbliche Wirkung, weil die mit dieser Angabe verknüpfte inhaltliche Botschaft der Vertrauenswürdigkeit und Streitschlichtungskompetenz (dazu vorstehend Rn. 35) als gegenwärtig gegeben dargestellt wird. [38] III. Auf die Revision der Kl. ist das angegriffene Urteil daher aufzuheben. Hierbei hat der Senat in der SaBERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 6/2021 391

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