BRAK-Mitteilungen 6/2021

für einen Digitalpakt eintreten soll.6 6 S. nunmehr das Positionspapier Digitales Rechtssystem (BRAK-Stn.-Nr. 60/2021) sowie dazu PE-Nr. 14 v. 8.11.2021. Die Hauptversammlung fordert außerdem eine Neuauflage des Pakts für den Rechtsstaat, in den die Anwaltschaft einbezogen werden muss. Um den Zugang zum Recht für alle gleichermaßen zu sichern und zu stärken, müsse die Anwaltschaft in Umstrukturierungsprozesse eingebunden werden und es dürfe keinen weiteren Abbau von Gerichten geben. Einig war sich die Hauptversammlung auch, dass in der neuen Legislaturperiode an die „kleine“ RVG-Reform 2021 angeknüpft und endlich eine regelmäßige Gebührenanpassung sichergestellt werden muss. Nur so werden Rechtsanwält:innen wirtschaftlich dauerhaft in der Lage sein, den Zugang zum Recht zu garantieren. Kritisch steht die Hauptversammlung der von einer Länderarbeitsgruppe vorgeschlagenen „Vorauswahlliste Insolvenzverwalter/innen“ gegenüber, die zentral nach bundeseinheitlichen Kriterien von einer Bundesbehörde geführt werden soll. Darin sieht sie einen Eingriff in die Selbstverwaltung, für den weder Anlass noch Rechtfertigung besteht. Die BRAK hatte im vergangenen Jahr konkrete Regelungen für ein Berufsrecht der Insolvenzverwalter vorgeschlagen.7 7 PE-Nr. 13 v. 23.6.2020 (BRAK-Vorschlag zum Berufsrecht für Insolvenzverwalter). Einen Angriff auf die Selbstverwaltung sieht die Hauptversammlung auch in den seitens der EU geplanten neuen Geldwäschevorschriften. Diese sehen u.a. eine europäische Aufsichtsbehörde vor, die auch die sektoral als Geldwäscheaufsicht fungierende Selbstverwaltung kontrollieren soll. Die Rechtsanwaltskammern nehmen ihre Aufgaben im Rahmen der Geldwäscheaufsicht gewissenhaft und effektiv wahr. Anlass für neuerliche Maßnahmen sieht die Hauptversammlung daher nicht. BERUFS- UND RECHTSPOLITISCHE AKTIVITÄTEN Kritik am EU-Geldwäschepaket – keine Aushöhlung der Selbstverwaltung Anlässlich der Beschlussfassung im Rechtsausschuss des Bundesrates über das EU-Geldwäschepaket am 20.10.2021 hat die BRAK scharfe Kritik am Geldwäschepaket der EU-Kommission geübt.8 8 PE-Nr. 13 v. 15.10.2021. Das Ziel der Geldwäschebekämpfung unterstützt die BRAK uneingeschränkt. Allerdings hegt sie tiefgreifende rechtsstaatliche Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen des neuen Geldwäschepakets auf die Selbstverwaltung.9 9 Dazu BRAK-Stn.-Nr. 50/2021; Paul, BRAK-Magazin 5/2021 – Editorial. Vorgesehen ist die Einrichtung einer EU-Aufsichtsbehörde mit Befugnissen auch im Nichtfinanzsektor sowie nationaler Stellen zur Beaufsichtigung der Selbstverwaltung, die eine Art Fachaufsicht ausüben sollen. Dies stellt aus Sicht der BRAK eine nicht hinnehmbare Durchbrechung des Prinzips der Selbstverwaltung in Deutschland dar; zudem werde dadurch der Schutz des Berufsgeheimnisses gefährdet. Entkriminalisierung Unter dem Titel „Weniger ist mehr – Rechtsstaat stärken durch Entkriminalisierung“ hat die BRAK Vorschläge für Anpassungen im Strafrecht in der 20. Legislaturperiode unterbreitet.10 10 BRAK-Stn.-Nr. 57/2021. Hintergrund ist die Überlastung weiter Teile der (Straf-)Justiz, auf die der Gesetzgeber mit Beschleunigungen und Vereinfachungen im Strafprozessrecht reagiert habe – zu Lasten einer effektiven Strafverteidigung und ohne nennenswerte Erfolge. Aus Sicht der BRAK muss das Strafverfahren auf seine Kernaufgaben beschränkt und einfache Ordnungsverstöße sowie Handlungen weit im Vorfeld von Rechtsgutsverletzungen nicht mehr unter Strafe gestellt werden. Der Gesetzgeber müsse das Kern- wie auch das Nebenstrafrecht darauf überprüfen, ob mit Kriminalstrafe bedrohte Handlungen mit Blick auf den „ultima ratio“-Gedanken und das Verhältnismäßigkeitsprinzip sowie als Ausdruck einer rationalen Strafrechtspolitik weiterhin strafwürdig sind. Hierzu unterbreitet die BRAK eine Reihe konkreter Vorschläge. Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen gegenüber Hoheitsträgern Die BRAK hat zu den Vorschlägen einer Länderarbeitsgruppe zur Reform des Vollstreckungsrechts der VwGO gegen Hoheitsträger Stellung genommen.11 11 BRAK-Stn.-Nr. 56/2021. Hintergrund sind aktuelle Streitigkeiten, in denen politisch motivierter Unwille zur Umsetzung gerichtlicher Entscheidungen in Bezug auf Dieselfahrverbote zum Tragen kam. Die Arbeitsgruppe schlägt Änderungen der §§ 167 ff. VwGO vor, mit denen der Anwendungsbereich erweitert, die Vollstreckung effektiviert und Zwangsgelder bei Nichterfüllung von Handlungs- oder Duldungspflichten ermöglicht werden sollen. Die BRAK sieht hinreichend Anlass für den Gesetzgeber, die Privilegierungen in der Zwangsvollstreckung hoheitlicher Amtshandlungen zu überprüfen, um für Bürger:innen auch hier effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten. Die Reformüberlegungen begrüßt sie im Grundsatz und gibt Anregungen zur konkreten Ausgestaltung. VERFASSUNGS- UND MENSCHENRECHTSBESCHWERDEN Die BRAK hat auf Anfrage des BVerfG zur Verfassungsbeschwerde des Satirikers Jan Böhmermann gegen das teilweise Verbot seines „Schmähgedichts“ Stellung genommen.12 12 BRAK-Stn.-Nr. 58/2021. In dem in der Fernsehsendung „Neo Magazin Royale“ dargebotenen Werk hatte Böhmermann den türkischen Staatspräsidenten Erdogan überspitzt dargestellt und sich zugleich mit dem Begriff der Schmähkritik auseinandergesetzt. Das LG Hamburg hatte die Verbreitung von Textpassagen mit primär sexuellem Inhalt untersagt; das OLG Hamburg hatte diese Entscheidung im Ergebnis bestätigt. Die BRAK hält die Kunstfreiheit, nicht die Meinungsfreiheit für einschlägig. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht Erdogans begrenze die Kunstfreiheit insoweit, als dessen IntimbeBRAK-MITTEILUNGEN 6/2021 AUS DER ARBEIT DER BRAK 376

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