BRAK-Mitteilungen 5/2021

[10] c) Der Vertretungszwang als solcher ist verfas- Vertretungszwang verfassungskonform sungskonform. Der Gesetz- geber darf im Interesse einer geordneten und kon- zentrierten Verfahrensfüh- rung den Anwaltszwang einführen; dies ist bereits durch das BVerfG geklärt (NJW 1987, 2569, 2570). Der klägerseits geforderten Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 I 1 GG bedurfte es daher nicht. [11] Der Situation, dass ein dem Vertretungszwang un- terliegender Beteiligter keinen Rechtsanwalt findet, der bereit ist, für ihn aufzutreten, hat der Gesetzgeber da- durch Rechnung getragen, dass sich der Beteiligte nach § 112c I 1 BRAO, § 173 S. 1 VwGO, § 78b ZPO auf An- trag einen Notanwalt beiordnen lassen kann, wenn die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos er- scheint. Dies setzt allerdings voraus, dass der Beteiligte zumutbare eigene Anstrengungen unternommen hat, einen vertretungsbereiten und -berechtigten Prozessbe- vollmächtigten zu finden (vgl. Hartung/Schramm , in BeckOK VwGO, 57. Edition, § 67 Rn. 44). Die Kl. hat aber weder einen solchen Antrag gestellt noch eigene Anstrengungen, einen vertretungsberechtigten Prozess- bevollmächtigten zu finden, dargetan. [12] d) Der Vertretungszwang ist auch europarechts- konform. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen Art. 47 GRCh vor; dies ist bereits durch den Europäischen Ge- richtshof geklärt (EuGH, Beschl. v. 6.4.2017 – C-464/16 Rn. 22 ff.), weswegen eine Vorlage im Rahmen des Vor- abentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV nicht geboten ist. [13] e) Soweit die Kl. auf einen römischrechtlichen Grundsatz Bezug nimmt, ist klarzustellen, dass die Befä- higung zum Richteramt tatsächlich die Befähigung zum Beruf des Rechtsanwalts einschließt (vgl. § 4 S. 1 Nr. 1 BRAO). Das Gesetz stellt aber zulässigerweise weitere Anforderungen auf, die über den reinen Befähigungs- nachweis hinausgehen und die der spezifischen Ausge- staltung des Anwaltsberufs – insb. als unabhängiges Organ der Rechtspflege – Rechnung tragen. [14] 2. Ob das statthafte Rechtsmittel des Antrags auf Zulassung der Berufung im Schriftsatz v. 12.2.2021 mit der Wendung „sonstige Rechtsmittel“ überhaupt hinrei- chend bezeichnet worden ist (vgl. hierzu die Rechtspre- chung des Senats, wonach eine „Revision“ durch einen Rechtsanwalt im Regelfall nicht in einen Antrag auf Zu- lassung der Berufung umgedeutet werden kann, Beschl. v. 2.6.2017 – AnwZ (Brfg) 26/16, AnwBl. 2017, 1115 Rn. 14), kann angesichts der Ausführungen zu 1. dahin- stehen. [15] 3. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wäre in- des auch unbegründet. Die Kl. macht der Sache nach den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils und eines Verfahrensmangels geltend (§ 112e S. 2 BRAO, § 124 II Nr. 1, 5 VwGO). [16] a) Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen nicht. Der AGH hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen, weil die Klage unter Verstoß gegen den auch vor dem AGH bestehenden Vertretungszwang er- hoben wurde (§ 112c I 2 BRAO, § 67 IV 1 VwGO). We- gen der weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen unter II.1 Bezug genommen. [17] b) Soweit die Kl. die Beteiligung von Anwaltsrich- tern an der Entscheidung rügt und damit der Sache nach einen Verfahrensmangel geltend macht, geht auch dies fehl. Das Gesetz sieht die Beteiligung der An- waltsrichter an der Rechtsprechung der Anwaltsge- richtshöfe ausdrücklich vor (§§ 100 III, 104 BRAO). Zweifel an der Verfassungskonformität der Beteiligung von Anwaltsrichtern an der Anwaltsgerichtsbarkeit be- stehen nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG nicht (vgl. nur BVerfG, NJW 1978, 1795 m.w.N.). HINWEISE DER REDAKTION: Die Beiordnung eines Notanwalts setzt voraus, dass die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichts- los erscheint. Aussichtslosigkeit besteht, wenn ein günstiges Ergebnis auch bei anwaltlicher Beratung ganz offenbar nicht erreicht werden kann. Für die Beiordnung eines Notanwalts muss eine Partei darle- gen und glaubhaft machen, dass sie eine gewisse Anzahl von Rechtsanwält:innen vergeblich um die Übernahme eines Mandats ersucht hat. Davon ist nicht auszugehen, wenn die Partei die Mandatsab- lehnung dadurch provoziert hat, dass sie Rechtsan- wält:innen erst am Tag eines Fristablaufs um eine Mandatsübernahme gebeten hat (vgl. BAG, BAGE 149, 57). BESCHRÄNKTER RECHTSWEG ZUR ANWALTSGERICHTSBARKEIT BRAO § 112a * 1. Für eine nicht zur Anwaltschaft zugelassene Per- son ist der Rechtsweg zur Anwaltsgerichtsbarkeit auch dann nicht eröffnet, wenn diese ihren Klagean- spruch aus Vorschriften der BRAO herzuleiten sucht, etwa indem sie anwaltliches Fehlverhalten zu ihrem Nachteil geltend macht. * 2. Ein solcher Anspruch wäre nicht berufsrecht- licher, sondern allgemein öffentlich-rechtlicher Na- tur und daher vor dem Verwaltungsgericht geltend zu machen. * 3. Der Vorstand einer RAK kann von einem kam- merangehörigen Rechtsanwalt kraft Berufsrechts nicht die Vornahme oder Unterlassung einer be- stimmten künftigen Handlung verlangen. Ihm steht lediglich die Befugnis zu, dem Anwalt eine Rüge zu erteilen oder den Rechtsanwalt durch Zwangsgeld zur Einhaltung der ihm gegenüber dem Vorstand obliegenden besonderen Pflichten anzuhalten. Eine weitergehende Befugnis, dem Rechtsanwalt ver- BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 5/2021 339

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