BRAK-Mitteilungen 5/2021

b) NEUE FÄLLE ZULÄSSIGEN ERFOLGSHONORARS § 4a RVG n.F. ermöglicht nun für drei alternative Fälle ein Erfolgshonorar. Die bisherige Einzelfallregelung bleibt als Nr. 3 bestehen. Hinzu kommen in Nr. 1 der Bagatellbereich, in dem der Gesetzgeber ein angeb- liches rationelles Desinteresse der Verbraucher an der Rechtsverfolgung zu gesetzlichen Gebühren erkennen will, und in Nr. 2 die Inkassodienstleistung. aa) GELDFORDERUNGEN BIS 2.000 EURO In Nr. 1 wird der Abschluss einer Erfolgshonorarverein- barung ermöglicht, wenn es um eine Geldforderung von höchstens 2.000 Euro geht. Hier sieht der Gesetz- geber ein Missverhältnis zwischen der vergleichsweise hohen Gebühr nach dem RVG und der Forderung selbst, die den Verbraucher bewegen könnte, von der Rechtsverfolgung abzusehen. Jedoch haben 2019 die Kläger in 89 % der amtsgerichtlichen Rechtsstreite an- waltlichen Beistand trotz des angeblichen rationellen Desinteresses in Anspruch genommen. Ein Bedürfnis für die Erfolgshonorarvereinbarung ist daher durchaus zweifelhaft. Werden die Verbraucher denn auch tatsächlich in maßgeblichem Umfang Erfolgshonorarvereinbarun- gen mit Rechtsanwälten abschließen? Das wird davon abhängen, ob das Geschäftsmodell der Erfolgshono- rarvereinbarung auch für die Rechtsanwälte als Anbie- ter attraktiv sein kann. Bei der Erfolgshonorarvereinba- rung versprechen Inkassodienstleister zugleich ein no win no fee. Das werden Rechtsanwälte ebenfalls an- bieten müssen, wenn sie in dem Bereich geringer Streitwerte mithalten wollen. Ein solcher Verzicht muss umgekehrt durch einen Mehrgewinn ausgeglichen werden. Man wird also das Entgelt bei gesetzlicher und bei erfolgsbasierter Vergütung einmal vergleichen müssen. Auf Verbraucherseite muss dagegen abgegli- chen werden, ob der Verzicht auf eine Kostenerstat- tung durch die Regelung des „no win no fee“ akzepta- bel ist. Bei einer außergerichtlich und gerichtlich verfolgten Forderung beträgt in einem Durchschnittsfall die ge- setzliche Vergütung 3,15 Gebühren nach dem Gegen- standswert (1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV-RVG, 1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV-RVG, 0,65 Anrechnung nach Vorbem. 3 IV VV-RVG, 1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV-RVG). Bei Erfolgshonoraren beträgt der durchschnittliche Vergütungssatz etwa 30 % des erstrit- tenen Betrags. Ausgehend von einem Streitbetrag von 500 Euro wür- den die gesetzlichen Gebühren 151,90 Euro ausma- chen, während bei einem vollen Obsiegen das Er- folgshonorar 150 Euro betragen würde. Würde nur eine Quote von 50 % erreicht werden, würde das Erfolgshonorar lediglich 75 Euro betragen. Aus be- triebswirtschaftlicher anwaltlicher Sicht ist bei diesem Wert ein Ausweichen auf ein Erfolgshonorar nicht at- traktiv. Ein Streitwert von 2.000 Euro lässt gesetzliche Gebüh- ren von 514,60 Euro entstehen. Das Erfolgshonorar würde bei vollem Obsiegen 600 Euro ausmachen. Bei einer Quote von 50 % würde das Erfolgshonorar nur 300 Euro ausmachen. Dabei ist ein Rechtsstreit über Bagatellbeträge nicht grundsätzlich weniger aufwändig oder weniger risiko- reich als ein hochwertiger Rechtsstreit. Die Rechtsan- waltsgebührenordnung wurde 1879 als Teil der Teilha- begesetze geschaffen. Sie war nie ein Gesetz zur Berei- cherung der Rechtsanwälte, sondern ein Gesetz, das je- dem Verbraucher den Zugang zum Recht sichern sollte. Deshalb sind die Gebühren nicht an die Leistung des Rechtsanwalts, seinen Aufwand und die Schwierigkeit der Mandatsbearbeitung angeknüpft worden, sondern an den Gegenstandswert. Für Rechtsanwälte sind Rechtsstreite um geringe Streit- werte in der Regel nicht kostendeckend. Das ändert sich auch durch die Ermöglichung von Erfolgshonora- ren nicht. Allerdings dürfte aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein geringwertiger Rechtsstreit auf der Basis eines Erfolgshonorars mit der Regelung „no win no fee“ nicht attraktiv für den Rechtsanwalt sein. Allenfalls bei Mas- sengeschäften, auf die Rechtsanwaltskanzleien (noch?) nicht ausgerichtet sind, kann ein Erfolgshonorar loh- nend sein. Aber auch das gilt nur, wenn auch die Zwei- felsfälle ausgeschieden werden und nur absolut sichere Rechtsstreite geführt werden. Das schließt aber für den Verbraucher mit einer nicht ganz sicheren Forderung den Zugang zum Recht aus. bb) INKASSOLEISTUNGEN Der zweite Fall des Erfolgshonorars betrifft die außerge- richtliche und im gerichtlichen Mahnverfahren bis zur Abgabe an das Streitgericht zu erbringende Inkassoleis- tung. Vor dem Hintergrund der bereits zitierten BGH- Rechtsprechung sind alle Rechtsdienstleistungen Inkas- sodienstleistungen. Hier ist also für alle Leistungen au- ßer dem Auftreten beim Streitgericht die Vereinbarung eines Erfolgshonorars möglich. In diesem Bereich entstehen gesetzliche Gebühren in Höhe von durchschnittlich 1,65 der Wertgebühr (1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV-RVG, 1,0 Verfahrensge- bühr Nr. 3305 VV-RVG, Anrechnung Vorbem. 3 IV VV- RVG). Bei einer Forderung von 5.000 Euro macht das einen Betrag von 551,10 Euro aus. Ein Erfolgshonorar würde 1.500 Euro ausmachen. Mit steigendem Gegen- standswert steigt aufgrund der degressiven Berech- nung der Gebühren nach dem RVG aus betriebswirt- schaftlicher Sicht die Attraktivität des Erfolgshonorars aus anwaltlicher Sicht. Ungeklärt bleibt derzeit jedoch, wie die Gestaltung der vertraglichen Vereinbarungen zum Erfolgshonorar aus- sehen kann, wenn die Rechtverfolgung in ein Verfahren vor dem Streitgericht mündet. Hier ist eine Erfolgshono- rarvereinbarung – jedenfalls solange die willkürliche Streitwertgrenze von 2.000 Euro gilt, die sich auf keine AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 5/2021 279

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