BRAK-Mitteilungen 5/2021

AUFSÄTZE DIE NEUREGELUNGEN DER RECHTSANWALTSVERGÜTUNG IM JAHR 2021 RECHTSANWALT DIRK HINNE* * Der Autor ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht, für Sozialrecht und für Versicherungsrecht in Dortmund. Er ist Vorsitzender des BRAK-Ausschusses Rechtsanwaltsvergütung. In den letzten Monaten der gerade zu Ende gegange- nen Legislaturperiode haben sich die Neuregelungen im anwaltlichen Vergütungsrecht überschlagen. Das „Legal Tech-Gesetz“ oder korrekt: Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleis- tungsmarkt eröffnet seit dem 1.10.2021 weitgehend den Abschluss von Erfolgshonorarvereinbarungen. Das Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht verändert die Regelung der Geschäftsge- bühr ebenfalls seit dem 1.10.2021 maßgebend. 1 1 Ausf. dazu Halm , BRAK-Mitt. 2021, 282 (in diesem Heft). Das Kostenrechtsänderungsgesetz hat seit dem 1.1.2021 neben der Gebührenanpassung, die hinter den Erwar- tungen deutlich zurückgeblieben ist, Neuregelungen insbesondere zur Streitverkündung gebracht. 2 2 Dazu Witte , BRAK-Mitt. 2021, 2. Diese Änderungen stellt der Autor nachfolgend vor. I. SIND VERBRAUCHERGERECHTE ANGEBOTE IM RECHTSDIENSTLEISTUNGSMARKT AUCH ANWALTSGERECHT? 1. ERFOLGSHONORAR Das Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Ange- bote im Rechtsdienstleistungsmarkt 3 3 BGBl. 2021 I 3415. hat mit der Eröff- nung des Erfolgshonorars die weitestgehenden Ände- rungen mit sich gebracht. Der Gesetzgeber reagiert da- mit auf das Ungleichgewicht, das zwischen Rechtsan- wälten und den Inkassodienstleistern entstanden ist, die im Massengeschäft ohne die Bindung an das an- waltliche Berufsrecht bereits seit mehreren Jahren Dienstleistungen, zum Teil gestützt durch neue techni- sche Bearbeitungsmethoden, gegen eine Erfolgsbeteili- gung anbieten. a) HINTERGRUND DER NEUREGELUNG Bisher galt es als ein Dogma, dass Anwälte eben nicht wie gewerbliche Dienstleister sich auf breiter Basis wirt- schaftlich vom Erfolg des Rechtsstreits abhängig ma- chen sollten. Noch durch das Gesetz zur Neuregelung des Verbots der Vereinbarung von Erfolgshonoraren, 4 4 BGBl. 2008 I 1000. das am 1.7.2008 in Kraft getreten ist, hatte der Gesetz- geber ein grundsätzliches Verbot des Erfolgshonorars mit Erlaubnisvorbehalt für die Einzelfälle vorgesehen, in denen der Auftraggeber ohne das Erfolgshonorar von der Rechtsverfolgung abgehalten würde. Die erste Aus- weitung des Erfolgshonorars erfolgte mit dem Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshil- ferechts, 5 5 BGBl. 2013 I 3533. das am 1.1.2014 in Kraft getreten ist. Darin wurde auf Druck der Länder zur Ersparnis bei der Bera- tungs- und Prozesskostenhilfe der Abschluss von Er- folgshonorarvereinbarungen ermöglicht, wenn dadurch auf die Inanspruchnahme von Beratungs- oder Prozess- kostenhilfe verzichtet würde. Das Ungleichgewicht zwischen freiberuflich tätigen Rechtsanwälten, die ihrem Berufsrecht unterliegen, und gewerblichen Inkassounternehmen ist durch die unter- schiedliche Verpflichtung begründet, die Rechtsanwälte einerseits und Inkassounternehmen andererseits ge- genüber dem Auftraggeber haben. Rechtsanwälte sind verpflichtet, ausschließlich zum Nutzen des Auftragge- bers tätig zu werden. Inkassounternehmen dagegen sind gewerblich tätige Unternehmen, die ausschließlich dem eigenen Gewinn verpflichtet sind. Deshalb ist es auch nicht zu beanstanden, wenn Inkassounternehmen andere Gewinnerzielungsmethoden nutzen, die Rechts- anwälten verboten sind. Konsequent wäre es gewesen, wenn der Gesetzgeber dem Unterschied Rechnung getragen hätte, indem er den Begriff des Inkassos substanziell definiert hätte. Die aktuelle Entscheidung des BGH zum Inkassobegriff 6 6 BGH, Urt. v. 13.7.2021 – II ZR 84/20, BRAK-Mitt. 2021, 310 (in diesem Heft). führt aus, dass auch die klageweise Rechtsdurchset- zung Inkasso im Sinne des RDG darstellt. Damit ist letztlich jede Rechtsdienstleistung, sei es durch Rechts- anwälte oder Inkassounternehmen, Inkasso. Der Ge- setzgeber hat das bei der Schaffung des RDG so nicht gesehen und gewollt. Jedoch fehlt dem RDG eine taug- liche Definition des Inkassobegriffs. Der Gesetzgeber wäre gefordert gewesen, hier regelnd tätig zu werden. Offenbar war ihm das in der Eile der Torschluss-Gesetz- gebung zum Ende der Legislaturperiode zu schwierig. Stattdessen hat der Gesetzgeber die angeblich unzu- träglichen Unterschiede zwischen Rechtsanwälten und Inkassounternehmen eingeebnet und den Rechtsanwäl- ten denselben Spielraum für Inkassotätigkeiten einge- räumt, wie er Inkassounternehmen bereits möglich ist. HINNE, DIE NEUREGELUNGEN DER RECHTSANWALTSVERGÜTUNG IM JAHR 2021 BRAK-MITTEILUNGEN 5/2021 AUFSÄTZE 278

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