BRAK-Mitteilungen 4/2021

Hinweis im Transfervermerk auf ein angeblich ge- sperrtes Zertifikat des Absenders unbeachtlich. (ei- gener Ls.) BGH, Beschl. v. 11.5.2021 – VI ZB 26/20 Der Anwalt übermittelte fristgerecht per beA ohne qua- lifizierte elektronische Signatur eine Berufungsschrift. Das Berufungsgericht teilte dem Anwalt mit, dass es im Transfervermerk heiße: „Das Zertifikat des Herkunfts- nachweises ist gesperrt.“ Der Anwalt verwies auf sein ordnungsgemäßes Sendeprotokoll. Das OLG teilte mit, dass die Berufung nicht wirksam auf einem sicheren Übermittlungsweg übermittelt worden sei und dass eine qualifizierte elektronische Signatur nicht vorliege. Der Anwalt legte vorsorglich erneut Berufung ein und beantragte Wiedereinsetzung. Das OLG wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Berufung als unzulässig. Aufgrund des Hin- weises im Transfervermerk liege keine Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg vor. Warum die vom Klägervertreter vorgelegten Unterlagen diese Fehlermel- dung nicht auswiesen, sei zwar nicht verständlich, aber unerheblich. Die deshalb erforderliche qualifizierte Si- gnatur liege ebenfalls nicht vor. Später teilte das OLG mit, dass der Hinweis auf ein angeblich gesperrtes Zerti- fikat laut Stellungnahme der IT-Stelle des OLG unzutref- fend sei und auf einem Softwarefehler beruhe. Der BGH gab der Rechtsbeschwerde statt. Die Beru- fung sei fristgerecht auf einem sicheren Übermittlungs- weg eingelegt worden. Über den Antrag auf Wiederein- setzung sei daher nicht mehr zu entscheiden. (hg) KEINE VERSCHULDENSZURECHNUNG GEM. § 85 II ZPO NACH MANDATSKÜNDIGUNG 1. (...) 2. Die Stellung als Bevollmächtigter i.S.d. § 85 II ZPO und die damit verbundene Verschuldenszurech- nung enden grundsätzlich mit der Beendigung des Auftragsverhältnisses, also vor allem mit der Kündi- gung des Auftrags durch die Partei oder mit der Nie- derlegung des Mandats. Ein späteres schuldhaftes Verhalten muss der Beteiligte sich daher nicht zu- rechnen lassen. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 1.2.2021 – 18 B 2004/20, 18 E 957/20, NVwZ-RR 2021, 422 Der Sache nach ging es hier um einen Änderungsbe- scheid zu einem Einreise- und Aufenthaltsverbot. Der Antragsteller hatte Prozesskostenhilfe für ein Eilverfah- ren beantragt. Allerdings war die Klagefrist gegen die Ausgangsverfügung bereits verstrichen, als der Antrag bei Gericht eingereicht wurde. Das VG hatte den Aus- gangsbescheid als bestandskräftig angesehen, weil das Verschulden des (ehemaligen) Bevollmächtigten die er- folgreiche Wiedereinsetzung verhindere. Der frühere Anwalt des Antragstellers war von diesem für das Kla- geverfahren wegen des Ausgangsbescheids manda- tiert. Die Vollmacht umfasste ausdrücklich auch die au- ßergerichtliche Vertretung. Diese Vollmacht widerrief der Mandant gegenüber seinem Anwalt, noch bevor diesem der Änderungsbescheid zugestellt wurde. Nach Zustellung der Verfügung informierte der (nicht mehr) bevollmächtigte Anwalt die Behörde über diesen Um- stand und bat darum, die Änderungsverfügung unmit- telbar dem Antragsteller zuzustellen. Dass die Voll- macht tatsächlich schon widerrufen war und der An- tragsteller erst später durch Zustellung an ihn selbst von der Verfügung Kenntnis erlangte, hielt das VG für unerheblich. Die Wiedereinsetzung nach § 60 VwGO scheitere am Verschulden des Bevollmächtigten, das nach wie vor nach § 85 II ZPO zugerechnet werde. Zu diesem Punkt vertritt das OVG eine andere Meinung und folgt dabei dem BGH. 5 5 So auch BGH, NJW 2006, 2334 Rn. 12. Die Verschuldenszurechnung gem. § 85 II ZPO ende vielmehr schon mit Beendigung des Auftragsverhältnisses, sei es durch Kündigung des Mandats durch die Partei, sei es durch Mandatsniederle- gung durch den Anwalt. § 85 II ZPO beruhe auf dem Ge- danken, dass die Partei für den jeweils Bevollmächtigten als Person ihres Vertrauens einzustehen habe. Mit Been- digung des Mandats ende auch dieses Vertrauensver- hältnis. Darin sei kein Widerspruch zu den Zustellungsre- gelungen zu sehen, nach denen im Anwaltsprozess Zu- stellungen bis zur Anzeige des Widerrufs gegenüber Ge- richten oder Behörden eben noch an den ursprünglichen Bevollmächtigten erfolgen müssen und dann auch wirk- sam sind. Diese Regelung diene den Interessen von Geg- ner und Gericht an der ungestörten Abwicklung des Rechtsstreits. Die Partei werde aber unbillig benachtei- ligt, wenn man ihr das Verschulden des Bevollmächtig- ten nach Beendigung des Mandats zurechne. Die Wirksamkeit der Zustellung wird also durch das OVG nicht in Frage gestellt. Davon unabhängig wird die Frage der Zurechnung des Verschuldens im Wieder- einsetzungsverfahren behandelt und im dargestellten Sinne beantwortet. Der erste Orientierungssatz bezieht sich auf die Frage, ob in dieser Fallkonstellation eine Zu- rückverweisung an das VG möglich ist. Im Ergebnis er- folgte diese Zurückverweisung. (bc) WIEDEREINSETZUNGSVORTRAG 1. Erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben in einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten ist, können auch nach Fristablauf – et- wa noch mit der Rechtsbeschwerde – ergänzt oder erläutert werden. 2. Eine solche ergänzungsbedürftige Angabe kann, bei einer im Übrigen aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe bis zur rechtzeitigen Aufgabe eines in Verlust gerate- nen Schriftsatzes zur Post, eine bislang unterbliebene Darlegung zu dessen ausreichender Frankierung sein. BGH, Beschl. v. 11.5.2021 – VIII ZB 65/20 Immer wieder scheitern Wiedereinsetzungsanträge da- ran, dass ein Sachverhalt, der an sich geeignet wäre, BRAK-MITTEILUNGEN 4/2021 AUFSÄTZE 246

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