BRAK-Mitteilungen 4/2021

An diesen Versorgungsvereinbarungen haften indes erhebliche Risiken. Droht austrittswilligen Gesellschaf- tern aufgrund der Versorgungszahlungen die Fehlbe- tragshaftung nach § 739 BGB, ist dieser Umstand ge- eignet, eine kündigungsbeschränkende Wirkung i.S.d. § 723 III BGB zu entfalten. Das gilt umso mehr, wenn die Versorgungsregelung so auszulegen ist, dass Ge- sellschafter auch nach ihrem Austritt noch für die Ver- sorgungszahlungen mitverantwortlich sind. 53 53 BGH, ZIP 2008, 967: „lebenslange Schuldknechtschaft“; BGH , DStR 2010, 1898 (1899); OLG Düsseldorf, BeckRS 2019, 7450 Rn. 6; LG München I, NJW 2014, 478 (481). Erst recht unzulässig ist daher eine Regelung, die die aus- geschiedenen Sozien noch an die Rentenzahlungsver- pflichtung bindet, wenn sie selbst in den Ruhestand eintreten. 54 54 OLG Düsseldorf, BeckRS 2019, 7450 Rn. 3 ff.; Pieronczyk , Auflösung und Ausschei- den, 97. Zudem führen Versorgungsregelungen zu Komplikationen, wenn die übrigen Sozien die Sozietät nicht mehr fortführen, sodass die Vereinbarung nach- träglich undurchführbar wird. Dann muss im Nachhi- nein das Abfindungsguthaben im Zeitpunkt des Aus- scheidens bestimmt und ein etwaiger Restbetrag aus- gezahlt werden. 55 55 BGH, NJW 2004, 2449 (2450). Zu Recht werden Versorgungsvereinbarungen daher heute kaum noch getroffen. Zumal sie neben dem recht- lichen auch persönliches Konfliktpotenzial bieten, wenn neue Sozien den Eindruck erhalten, nur für die ausge- schiedenen Gesellschafter zu arbeiten 56 56 Peres/Schmid , in Peres/Senft, Sozietätsrecht, 3. Aufl. 2015, § 10 Rn. 119. oder der Sozie- tät nur beitreten, um Know-How und Mandanten zu er- werben, dann aber „Abspringen“, bevor sie die Versor- gungspflicht trifft. 57 57 Hirtz , AnwBl. 2020, 600 (601). V. NACHVERTRAGLICHE WETTBEWERBS- BESCHRÄNKUNGEN 1. ALLGEMEINE WIRKSAMKEITSMASSSTÄBE In engem Zusammenhang mit den Abfindungsvereinba- rungen sind Klauseln zum nachvertraglichen Wettbe- werb zu sehen. 58 58 Dazu bereits II. Auch sie treten in unterschiedlichen Varianten auf. Gemeinsam ist ihnen, dass sie nicht ge- gen § 138 I BGB i.V.m. Art. 12 GG verstoßen, wenn sie dazu dienen, zu verhindern, dass der ausgeschiedene Sozius die Erfolge der gemeinsamen Arbeit illoyal ver- wertet oder in sonstiger Weise zu Lasten seiner Partner die Freiheit der Berufsausübung missbraucht. 59 59 BGH, NJW 1968, 1717; NJW 1997, 3089; NJW 2000, 2584 (2584 f.); OLG Stutt- gart, BeckRS 2019, 8992 Rn. 35. Unwirksam sind daher Klauseln, die nur darauf gerich- tet sind, den ehemaligen Sozius als Konkurrenten aus- zuschalten. 60 60 BGH, NJW 2000, 2584 (2585). Das ist der Fall, wenn die wettbewerbsbe- schränkende Vereinbarung über das räumliche, gegen- ständliche oder zeitliche Maß hinausgeht, wobei der BGH bei der Überschreitung des zeitlichen Höchstma- ßes von zwei Jahren eine – mit Blick auf den Zweck des § 138 I BGB fragwürdige – geltungserhaltende Reduk- tion zulässt. 61 61 BGH, NJW 1997, 3089; NJW 2000, 2584 (2585); krit. auch Reuter , in FS Immen- ga, 2004, 667 (675); Römermann , NJW 2002, 1399 (1400). Das zeitliche Höchstmaß von zwei Jahren folgt daraus, dass nach Ablauf dieser Zeitspanne der Sozius seiner alten Sozietät wie jeder Mitbewerber auch gegenübertritt, da sich zu diesem Zeitpunkt der Vorteil seiner früheren Kontakte verflüchtigt hat. 62 62 Dazu oben II. 3. 2. NIEDERLASSUNGSVERBOTE Gelegentlich anzutreffen sind Niederlassungsverbote, die es einem ausgeschiedenen Sozius verbieten, sich in- nerhalb eines bestimmten räumlichen Umkreises um die Sozietät niederzulassen. Der neuralgische Punkt liegt in der Bestimmung des noch zulässigen räum- lichen Umfelds. Sittenwidrig ist die Vereinbarung, wenn sie den Ausgeschiedenen dazu zwingt, seinen beruf- lichen und persönlichen Lebensmittelpunkt zu verän- dern. 63 63 Zutr. Koch/Kilian , Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl. 2018, B Rn. 1206; dem folgend Pieronczyk , Auflösung und Ausscheiden, 298. Dazu gehört auch schon die Verpflichtung zu einem Wechsel in einen anderen Landgerichtsbezirk. 64 64 Peres/Schmid , in Peres/Senft, § 10 Rn. 108; Römermann , NJW 2007, 2209, (2214). Schon aufgrund dieses sehr begrenzten Anwendungs- bereichs und aufgrund der Tatsache, dass Mandatsak- quise kaum noch über Laufkundschaft, sondern primär über das Internet stattfindet, sind Niederlassungsver- bote kaum praktikabel; zumal sich die Stimmen meh- ren, die solche Klauseln generell für unwirksam hal- ten. 65 65 Peres/Schmid , in Peres/Senft, § 10 Rn. 100; Pieronczyk , Auflösung und Ausschei- den, 297 ff. 3. MANDANTENSCHUTZKLAUSELN Zweckmäßiger sind Mandantenschutzklauseln, die den ausgeschiedenen Sozius verpflichten, der Sozietät die Mandanten zu belassen. Unbedenklich sind hierbei be- schränkte Mandantenschutzklauseln, die es dem Aus- geschiedenen verbieten, Mandanten aktiv abzuwerben, da sie nur festhalten, was sich ohnehin bereits aus § 43b BRAO und § 826 BGB ergibt. Unbeschränkte Mandantenschutzklauseln untersagen darüber hinaus auch die Annahme von Mandanten der Sozietät, die den ausgeschiedenen Sozius selbst aufsu- chen. 66 66 Zur Unterscheidung Peres/Schmid , in Peres/Senft, § 10 Rn. 99. Inhärent ist solchen Klauseln die räumliche und gegenständliche Begrenzung auf Mandanten der Sozie- tät, wobei sie auf die Mandanten der letzten zwei Jahre beschränkt sein müssen. 67 67 BGH , NJW 1991, 699 (700): „zwei oder drei Jahre“. Zeitlich gilt das allgemeine Höchstmaß von zwei Jahren. 68 68 BGH, NJW 2000, 2584 (2585). Rechtliche Probleme er- geben sich auch, wenn sie mit Abfindungsvereinbarun- gen zusammentreffen, die den Praxiswert ausklam- mern. 69 69 Dazu II.3. Bisher nicht gefolgt ist der BGH der in der Lite- ratur verbreiteten Auffassung, dass solche Klauseln auf- grund des Eingriffs in das Recht der Mandanten auf AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 4/2021 241

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