BRAK-Mitteilungen 3/2021

BRAK MIT TEILUNGEN JUNI 2021 · AUSGABE 3/2021 52. JAHRGANG AKZENTE REPARATURBEDARF MIT ANSAGE Dr. Ulrich Wessels Nicht nur das Wetter ist derzeit sommerlich heiß, auch gesetzgeberisch geht es kurz vor Ende der Legislaturpe- riode heiß her. Eine ganze Reihe von Gesetzesvorhaben wurde in den letzten Wochen verabschiedet oder steht kurz davor. Dazu ge- hört, wie jüngst aus Kreisen der Großen Koalition bekannt wur- de, auch ein stark umstrittenes Projekt: das „Legal Tech-Ge- setz“ oder korrekt Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechts- dienstleistungsmarkt. Für heftige Kritik sorg- te schon im Novem- ber 2020 der Referen- tenentwurf des Bun- desjustizministeriums, mit dem ein Rechts- rahmen für als Inkas- sodienstleister registrierte Legal Tech-Unternehmen ge- schaffen und die Wettbewerbsbedingungen für die An- waltschaft angeglichen werden sollen. Er sah vor, der Anwaltschaft in größerem Umfang als bisher ein Tätig- werden gegen Erfolgshonorar und zudem die Übernah- me von Prozesskosten ihrer Mandanten zu erlauben; beides zählt zum Geschäftsmodell vieler Legal Tech-In- kassodienstleister. Für sie sollen spezielle Informations- pflichten gelten und das Registrierungsverfahren aus- gebaut werden. Vor allem die Öffnung von Erfolgshonorar und Prozess- finanzierung ist höchst problematisch. Denn hierbei setzt ein Anwalt nicht mehr nur seine juristische Experti- se ein, sondern auch sein Kapital, und das führt not- wendigerweise zu Interessenkonflikten. Die Unabhän- gigkeit anwaltlicher Beratung und das System der Kos- tenerstattung und der Prozess- und Beratungskostenhil- fe würden so untergraben. Der Ende Januar vorgelegte Regierungsentwurf griff nur einen Teil der Kritikpunkte auf, Änderungen brachte er vor allem bei Inkassobegriff und Inkassoaufsicht. Kontrovers verlief auch das weitere Gesetzgebungsver- fahren. Der Rechtsausschuss des Bundesrates forderte – der Kritik der BRAK folgend –, die Regelungen zu Er- folgshonorar und Prozessfinanzierung zu streichen. Dem kam der Bundesrat nicht nach, schlug jedoch eine Deckelung des Erfolgshonorars auf 25 % der durchzu- setzenden Forderung und Einschränkungen bei Ver- braucherverträgen vor. Beides lehnte die Bundesregie- rung ab. Die auch in der Fachöffentlichkeit leidenschaft- lich verfochtenen Positionen – Wahrung der anwalt- lichen Kernwerte auf der einen Seite, weitestgehende Öffnung von Rechtsdienstleistungen für Legal Techs auf der anderen – wurden in einer öffentlichen Anhörung im Bundestags-Rechtsausschuss Anfang Mai diskutiert. Nun hat sich die Koalition auf einen Kompromiss geei- nigt, um das Vorhaben noch in dieser Legislatur ab- schließen zu können. Der Anwaltschaft sollen Erfolgsho- norare bis zu einem Streitwert von 2.000 Euro erlaubt sein, außer bei höchstpersönlichen Forderungen. Durch- setzen konnte sich die BRAK mit ihrer Forderung, dass Anwält*innen keine Prozesse finanzieren dürfen. Die Po- litik hat verstanden, dass diese auch künftig ausschließ- lich den Interessen ihrer Mandanten verpflichtet blei- ben müssen. Nachgeschärft werden sollen hingegen die Pflichten von Inkassodienstleistern. Der weitere Zeitplan ist sehr straff: Soweit bei Redak- tionsschluss bekannt, soll sich noch vor der parlamenta- rischen Sommerpause, am 9. Juni, der Bundestags- Rechtsausschuss erneut mit dem Vorhaben befassen, am 10. Juni der Bundestag und sodann der Bundesrat. Wenn diese Ausgabe der BRAK-Mitteilungen erscheint, wird das Gesetz voraussichtlich gerade beschlossen worden sein. Damit tritt leider ein, was die BRAK bereits an anderer Stelle moniert hatte: Ein bedeutsames Gesetzesvorha- ben mit tiefgreifenden Auswirkungen auf den Rechtsbe- ratungsmarkt wird in sehr knapper Zeit vorangetrieben, in dem Wissen, dass es zahlreiche ungeklärte Punkte – und damit Reparaturbedarf in der kommenden Legisla- turperiode – gibt. Entsprechende Entschließungsanträ- ge wurden bereits angekündigt. Das illustriert einmal mehr, wie wichtig eine frühzeitige und umfassende Be- teiligung der Verbände im Gesetzgebungsverfahren ist. Kommt das Gesetz so, wie es sich derzeit abzeichnet, ist eine sorgfältige Evaluierung vor allem der Auswirkun- gen des Erfolgshonorars – unter Einbeziehung von Wis- senschaft und Anwaltschaft – unbedingt geboten. Ihr Dr. Ulrich Wessels AKZENTE BRAK-MITTEILUNGEN 3/2021 137

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