BRAK-Mitteilungen 4/2020

Anlass zu einer anderen Annahme, zumal der Beigela- dene unwidersprochen angegeben hat, dass die Aufga- ben der Entgeltabrechnung, der betrieblichen Altersver- sorgung und der Personalentwicklung durch die Kon- zernmutter abgebildet würden und ein Personalbudget nicht existiere. [28] Anderes folgt auch nicht aus dem weiteren Ein- wand der Kl., die mit einem Anteil von 70 % in der Funktions- und Tätigkeitsbeschreibung aufgelisteten Tä- tigkeiten seien zum Teil nicht-anwaltlicher Natur, wie et- wa die Erstellung eines Leitfadens für ein Eingliede- rungsmanagement oder von Stellungnahmen zu aktuel- len arbeits- und sozialrechtlichen Themen. Die Erstel- lung des Leitfadens hat nach Angabe des Beigeladenen lediglich einmalig drei Zeitstunden in Anspruch genom- men. Dass der Erstellung von Stellungnahmen zu aktu- ellen arbeits- und sozialrechtlichen Themen ein beson- deres Gewicht bei der Tätigkeit des Beigeladenen zukä- me, ist ebenfalls nicht ersichtlich; zudem stellt die da- ran anschließende Erstellung von Gutachten zu solchen Fragestellungen „bei Bedarf“ der Arbeitgeberin eine be- ratende Tätigkeit i.S.v. § 46 II Nr. 2 BRAO dar. Eine Un- terschreitung der vom Senat als unterer Rand der an- waltlichen Prägung angesehenen Grenze von 65 % der gesamten Arbeitszeit ist danach jedenfalls nicht anzu- nehmen. [29] Aufgrund dieser quantitativen Prägung des Ar- beitsverhältnisses durch anwaltliche Tätigkeiten ist – mangels gegenteiliger Anhaltspunkte – auch von einer entsprechenden qualitativen Prägung auszugehen (vgl. Senat, Urt. v. 14.1.2019 – AnwZ (Brfg) 25/18, NJW 2019, 927 Rn. 32). [30] 2. Es fehlt jedoch an einer Verletzung der Kl. durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten gem. § 113 I 1 VwGO. [31] a) Eine rein objektive, von der Verletzung eigener Rechte unabhängige Rechtmäßigkeitskontrolle kommt der Kl. nicht zu. Nach den Gesetzesmaterialien gründet sich die der Kl. nach § 46a II 3 BRAO eingeräumte Kla- gebefugnis darauf, dass sie durch die in § 46a II 4 BRAO angeordnete Bindungswirkung insoweit be- schwert ist, als die getroffene Zulassungsentscheidung im Umfang dieser Bindungswirkung unmittelbar Aus- wirkungen auf ihre Befreiungsentscheidung und damit die Rentenversicherungspflicht hat (vgl. Begründung des Fraktionsentwurfs zu § 46a II 3 BRAO-E, BT-Drs. 18/ 5201, 34). Nur insoweit wird ihr daher auch eine Befug- nis zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Zulassungs- bzw. Erstreckungsentscheidung der Kammer einge- räumt. Demnach kann sie eine solche Entscheidung auch nur dann mit Erfolg anfechten, wenn sie durch de- ren Bindungswirkung für ihre Befreiungsentscheidung rechtswidrig in ihren Rechten verletzt wird. Das ist hier nicht der Fall. [32] b) Allein dadurch, dass die Bekl. fehlerhaft einen Erstreckungs- statt eines Widerrufs- und neuen Zulas- sungsbescheids erlassen hat, wird die Kl. nicht im obi- gen Sinne in ihren Rechten verletzt. Der angefochtene Erstreckungsbescheid v. 4.6.2018 entfaltet keine ande- re oder weitergehende Bindungswirkung für die Befrei- ungsentscheidung der Kl. als ein rechtmäßiger Wider- rufs- und neuer Zulassungsbescheid nach §§ 46b II, 46a BRAO. [33] aa) Bei Widerruf der bisherigen und Erteilung einer neuen Zulassung des Beigeladenen als Syndikusrechts- anwalt wäre dessen Befreiung von der Versicherungs- pflicht für seine bisherige Tätigkeit – wie oben ausge- führt – mit der Beendigung dieser Tätigkeit am 30.9.2017 ipso iure entfallen. Mit der Erteilung einer neuen Zulassung für das folgende Arbeitsverhältnis wä- re – aufgrund der in § 46a IV Nr. 2 BRAO vorgesehenen Rückwirkung für die Mitgliedschaft in der RAK – ab dem Antragseingang am 3.11.2017 wieder eine Bin- dungswirkung für die Kl. bei ihrer Befreiungsentschei- dung eingetreten. In der Zwischenzeit vom 1.10. bis zum 2.11.2017 hätte für den Beigeladenen eine Pflicht zur Versicherung in der gesetzlichen Rentenversiche- rung bestanden. [34] bb) Der Erstreckungsbescheid der Bekl. v. 4.6.2018 führt zu keinem anderen Ergebnis. [35] (1) Der Regelungsinhalt des Erstreckungsbe- scheids besteht in der Entscheidung über die Erstre- ckung einer bereits erteilten Zulassung des Beigelade- nen als Syndikusrechtsanwalt auf sein neu begründetes Arbeitsverhältnis. Diese Entscheidung beinhaltet zu- gleich die gem. § 46a II 4 BRAO auch für die Kl. ver- bindliche, der Zulassung immanente Feststellung, dass die neue Tätigkeit des Beigeladenen die Zulassungsvo- raussetzungen des § 46a I BRAO erfüllt. Hinsichtlich des bisherigen Arbeitsverhältnisses erschöpft sich der Regelungsinhalt des Erstreckungsbescheids dagegen in der Feststellung, dass dafür eine Zulassung als Syndi- kusrechtsanwalt besteht. Er enthält hingegen nicht auch die weitergehende feststellende Regelung, dass bezüglich dieser bisherigen Tätigkeit die Zulassungsvo- raussetzungen ebenfalls weiterhin unverändert gege- ben sind. [36] (a) Der – für die Bestimmung des Regelungsge- halts eines Verwaltungsakts maßgebliche (vgl. Ramsau- er, in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl., § 35 Rn. 55; § 43 Rn. 15 f.) – Tenor des Erstreckungsbescheids ent- hält seinem Wortlaut nach keine Feststellung zum rechtmäßigen Fortbestand der Zulassung des Beigela- denen als Syndikusrechtsanwalt für seine bisherige Tä- tigkeit, sondern beschränkt sich auf die Erklärung, dass eine solche Zulassung besteht und nunmehr auf ein wei- teres Arbeitsverhältnis erstreckt wird. Anderes ergibt sich auch nicht aus der – zur Auslegung des Tenors he- ranzuziehenden (vgl. BVerwG, BVerwGE 84, 11, 14; Ramsauer, in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl., § 43 Rn. 15 f.) – Begründung des Bescheids. Diese enthält nicht nur überhaupt keine Feststellungen dazu, ob die bisherige Tätigkeit des Beigeladenen zuletzt noch den Anforderungen des § 46 II-V BRAO entsprach. Vielmehr hat die Bekl. darüber hinaus in den Gründen sogar aus- drücklich festgestellt, dass das bisherige Arbeitsverhält- SYNDIKUSANWÄLTE BRAK-MITTEILUNGEN 4/2020 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 240

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