BRAK-Mitteilungen 4/2020

seine bestehende Zulassung als Syndikusrechtsanwalt auf seine ab dem 1.10.2017 neu aufgenommene Tätig- keit zu erstrecken. Dem Antrag beigefügt waren sein Ar- beitsvertrag v. 20.6.2017, demzufolge er als „Rechtsan- walt (Syndikusrechtsanwalt) Leiter Personalteam“ ein- gestellt wurde, und eine Funktions- und Tätigkeitsbe- schreibung vom selben Tage. Mit Bescheid v. 4.6.2018 erstreckte die Bekl. die dem Beigeladenen erteilte Zulas- sung als Syndikusrechtsanwalt gegen die Stellungnah- me der Kl. auf sein ab 1.10.2017 bestehendes Arbeits- verhältnis bei der N. GmbH und ordnete die sofortige Vollziehung an. [3] Die Kl. hat gegen den Erstreckungsbescheid Klage mit der Begründung erhoben, die Voraussetzungen für eine Erstreckung der Zulassung nach § 46b III BRAO hätten nicht vorgelegen. Zum einen setze eine Erstre- ckung nach § 46b III BRAO voraus, dass das Arbeitsver- hältnis, für das eine Zulassung als Syndikusrechtsan- walt nach § 46a BRAO erteilt worden sei, fortbestehe, wohingegen bei der hier vorliegenden Beendigung des bisherigen und anschließenden Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses ein Widerruf der bisherigen Zulas- sung nach § 46b II BRAO und die Erteilung einer neuen Zulassung nach § 46a BRAO zu erfolgen habe. Zum an- deren seien die erforderliche anwaltliche Prägung so- wie die fachliche Unabhängigkeit und Eigenverantwort- lichkeit der Tätigkeit des Beigeladenen gem. § 46 II-IV BRAO nicht gegeben. [4] Der AGH hat die Klage abgewiesen und zur Begrün- dung im Wesentlichen ausgeführt, der Erstreckungsbe- scheid sei formell rechtmäßig, da § 46b III BRAO auch bei Beendigung des bisherigen und daran anschließen- der Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses an- wendbar sei, wenn die Voraussetzungen des § 46 BRAO durchgehend erfüllt seien. Das sei hier der Fall, da die Tätigkeit des Beigeladenen bei der N. GmbH den Anforderungen des § 46 II-V BRAO entspreche. Dage- gen richtet sich die vom AGH zugelassene Berufung der Kl. AUS DEN GRÜNDEN: [5] Die nach § 112e S. 1 BRAO statthafte und auch im Übrigen gem. § 112e S. 2 BRAO, § 124a II, III VwGO zulässige Berufung der Kl. ist nicht begründet. [6] I. Der AGH hat die Klage der Kl. gegen den Erstre- ckungsbescheid v. 4.6.2018 im Ergebnis zu Recht abge- wiesen. [7] Die Klage ist als Anfechtungsklage gem. § 112c I 1 BRAO, § 42 VwGO statthaft und auch im Übrigen zu- lässig; insbesondere sind die Klagebefugnis und das Rechtsschutzinteresse der Kl. als Trägerin der Renten- versicherung wegen der in § 46a II 4 BRAO angeordne- ten Bindungswirkung der Zulassungsentscheidung ge- geben (vgl. BGH, Urt. v. 29.1.2018 – AnwZ (Brfg) 12/ 17, BGHZ 217, 226 Rn. 7 ff.). Das gilt gem. § 46b III i.V.m. § 46a BRAO auch im Fall einer Zulassungserstre- ckung. [8] Die Klage ist jedoch nicht begründet. [9] 1. Der Erstreckungsbescheid v. 4.6.2018 ist aller- dings objektiv rechtswidrig. [10] a) Die formellen Voraussetzungen des § 46b III § 46b III nicht anwendbar BRAO für den Erlass eines Erstreckungsbescheids la- gen nicht vor. Entgegen der vom AGH und im Schrift- tum teilweise vertretenen Auffassung (siehe etwa Wolf, in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 46b BRAO Rn. 20 f., 31; Huff , AnwBl. 2017, 40, 43; Offermann-Burckart , AnwBl. 2016, 474, 476; Schuster , AnwBl. 2016, 121, 124) ist im vorliegenden Fall eines Arbeitgeberwechsels § 46b III BRAO weder unmittelbar noch analog anwendbar, sondern ein Wi- derruf der bisherigen Zulassung nach § 46b II BRAO und die Erteilung einer neuen Zulassung nach § 46a BRAO geboten. Das gilt auch bei durchgehender Erfül- lung der Zulassungsvoraussetzungen der §§ 46a, 46 II- V BRAO. [11] aa) Der Wortlaut des § 46b III BRAO ist insoweit Wortlaut allerdings nicht eindeutig. Danach ist, wenn nach einer Zulassung als Syndi- kusrechtsanwalt nach § 46a BRAO weitere Arbeitsver- hältnisse als Syndikusrechtsanwalt aufgenommen wer- den oder innerhalb bereits bestehender Arbeitsverhält- nisse eine wesentliche Änderung der Tätigkeit eintritt, auf Antrag die Zulassung nach Maßgabe des § 46a BRAO unter den dort genannten Voraussetzungen auf die weiteren Arbeitsverhältnisse oder auf die geänderte Tätigkeit zu erstrecken. Die Aufnahme eines „weiteren“ Arbeitsverhältnisses kann zwar dahingehend verstan- den werden, dass zu einem fortbestehenden Arbeitsver- hältnis ein anderes Arbeitsverhältnis hinzutreten muss. Zwingend ist das jedoch nicht. Vielmehr kann nach all- gemeinem Sprachgebrauch mit einem „weiteren“ Ar- beitsverhältnis auch jedes andere, d.h. auch ein das ers- te Arbeitsverhältnis ablösendes neues Arbeitsverhältnis gemeint sein. [12] bb) Entgegen der Ansicht des Anwaltsgerichtshofs ergibt sich aber aus der Systematik von § 46b II und III BRAO, dass im Fall des Arbeitgeberwechsels auch bei durchgehender Erfüllung der Zulassungsvoraussetzun- gen der §§ 46a, 46 II-V BRAO keine Erstreckung (§ 46b III BRAO), sondern ein Widerruf (§ 46b II BRAO) der bis- herigen Zulassung zu erfolgen hat. [13] Nach § 46b II 2 BRAO ist die Zulassung als Syndi- kusrechtsanwalt zu widerrufen, soweit die arbeitsver- tragliche Gestaltung eines Arbeitsverhältnisses oder die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit nicht mehr den Anfor- derungen des § 46 II-V BRAO entspricht. Ob der Begriff der tatsächlich ausgeübte(n) Tätigkeit im zweiten Fall des § 46b II 2 BRAO – wie der AGH offenbar meint – völlig abstrakt, d.h. von dem konkreten Arbeitsverhält- nis gelöst zu verstehen und dieser Widerrufsgrund da- her nicht gegeben ist, wenn die ausgeübte Tätigkeit durchgehend – wenn auch bei verschiedenen Arbeitge- bern – den Anforderungen des § 46 II-V BRAO ent- BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 4/2020 237

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