BRAK-Mitteilungen 4/2020

ments oder im Wege des Einzelkaufes Rechtsdokumen- te, insbesondere Verträge zu diversen Rechtsthemen, erwerben. Hierzu wird der Kunde durch einen Fragen- Antwort-Katalog geführt. Der Erstellungsprozess ist da- bei laut Bewerbung durch die Bekl. „dem Gespräch mit dem Rechtsanwalt nachempfunden“. Basierend auf den Angaben des Kunden wird sodann das Dokument in- haltlich individuell erstellt. Im Rahmen der Bewerbung des Produkts „A“ im Internet traf die Bekl. u.a. die fol- genden Aussagen: – „Günstiger und schneller als der Anwalt“ – „Rechtsdokumente in Anwaltsqualität“ – „Individueller und sicherer als jede Vorlage und güns- tiger als ein Anwalt“ – „Unsere Partner: Top-Anwälte und Spitzenkanzleien“ – „Rechtsdokumente in Anwaltsqualität – unser Portfo- lio umfasst mehr als 190 Rechtsdokumente und Ver- träge. Jedes einzelne dieser Dokumente können Sie mit unserem intuitiven Frage-Antwort-Dialog in weni- gen Minuten selbst erstellen. All das ganz ohne juris- tisches Know-how – denn das haben wir: In Zusam- menarbeit mit unseren Rechtsexperten – allesamt Profis auf ihren Gebieten – haben wir den Erstel- lungsprozess so gestaltet, dass er dem Gespräch mit dem Rechtsanwalt nachempfunden ist“. Das Impressum der Bekl. enthält die Hinweise: „Bitte beachten Sie, dass wir keine Rechtsberatung leisten dürfen“ sowie „Mit dem Angebot auf Internetadresse 1 bietet die B GmbH keine Rechtsberatung an, sondern ausschließlich Verlagsleistungen zu Rechtsthemen“. Die Kl. hat die Ansicht vertreten, dass es sich bei „A“ um eine Rechtsdienstleistung handele, die Bekl. mithin gegen §§ 2, 3 RDG verstoße und daher nach §§ 8, 3, 3a UWG zur Unterlassung verpflichtet sei. Die o.a. Wer- beaussagen seien irreführend i.S.d. § 5 UWG und die Bekl. auch insoweit zur Unterlassung verpflichtet. Der Verkehr werde über die Rechtmäßigkeit des Leistungs- angebots getäuscht. Zudem vermittelten die Aussagen den unrichtigen Eindruck, die von der Bekl. erbrachten Leistungen entsprächen qualitativ denen eines Rechts- anwalts. Die Kl. hat sinngemäß beantragt, 1. die Bekl. zu verurteilen, es bei Vermeidung der üb- lichen Ordnungsmittel zu unterlassen, a) geschäftlich handelnd, entgeltlich und selbstständig Dritten gegenüber ohne entsprechende Erlaubnis au- ßergerichtlich Rechtsdienstleistungen zu erbringen, an- zubieten und/oder zu bewerben, indem sie für Dritte durch einen digitalen Rechtsdokumentengenerator auf Grundlage eines Frage-Antwort-Systems aus einer Sammlung alternativer Textbausteine individuelle Rechtsdokumente erstellt, wie geschehen unter Inter- netadresse 1 und als Anlagen K5 bis K8 (...) ersichtlich; b) im geschäftlichen Verkehr in der Werbung für ihre Dienstleistungen wie folgt zu formulieren, „Günstiger und schneller als der Anwalt“ und „Rechtsdokumente in Anwaltsqualität“ und „Individueller und sicherer als je- de Vorlage und günstiger als ein Anwalt“ und „Unsere Partner: Top-Anwälte und Spitzenkanzleien“ und „Rechtsdokumente in Anwaltsqualität – unser Portfolio umfasst mehr als 190 Rechtsdokumente und Verträge. Jedes einzelne unserer Dokumente können Sie mit unse- rem individuellen Frage-Antwort-Dialog in wenigen Mi- nuten selbst erstellen. All das ganz ohne juristisches Know-how – denn das haben wir: In Zusammenarbeit mit unseren Rechtsexperten – allesamt Profis auf ihren Gebieten – haben wir den Erstellungsprozess so gestal- tet, dass er dem Gespräch mit dem Rechtsanwalt nach- empfunden ist“, wie geschehen unter Internetadresse 1 wie aus den Screenshots Anlage K1 (...) ersichtlich. Die Bekl. hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Bekl. hat gemeint, ihre Dienste seien denen der seit über 20 Jahren auf dem Markt erhältlichen EDV-basier- ten Steuererklärungsprogrammen gleichzusetzen, die aktuell einen höheren Grad an Komplexität aufwiesen als das Produkt „A“. Ein Vertragsgenerator übertrage das Prinzip der computergestützten eigenen Anfertigung der Steuererklärung auf eine computergestützte eigene Anfertigung von Verträgen. Das Produktangebot richte sich an eine Zielgruppe, die aus Kosten- oder Zeitgrün- den keine individuelle Beratung durch einen Rechtsan- walt bzw. -dienstleister erwarte oder nachfragen würde, sondern ihre Verträge selbst erstellen möchte und hier- für traditionell auf klassische Formulare bzw. Muster zu- rückgegriffen hätte. Die tatbestandlichen Voraussetzun- gen der §§ 3, 2 I RDG seien nicht erfüllt, da diese stets die Tätigkeit eines Menschen voraussetzten. Zudem liege zum Zeitpunkt der Konzeption und Programmierung der relevanten Software noch keine „konkrete“ fremde Ange- legenheit vor, während im Zeitpunkt des Einsatzes der Software nur der Nutzer selbst in eigenen Angelegenhei- ten tätig werde. Hierbei werde dieser nur durch allge- mein-abstrakte Hinweise des Programms unterstützt. Mit Urteil v. 8.10.2019, auf das wegen der weiteren Ein- zelheiten gem. § 540 I ZPO Bezug genommen wird, hat das LG der Klage antragsgemäß stattgegeben. Der Ge- nerator stelle eine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleis- tung nach § 2 RDG dar. Insoweit sei auch die angegrif- fene Werbung für ihn unlauter. Gegen diese Entscheidung hat die Bekl. Berufung einge- legt. Sie hat zunächst eine vollständige Abweisung der Klage erstrebt. Die vom LG vorgenommene Auslegung der §§ 2, 3 RDG, namentlich des Tatbestandsmerkmals der Rechtsdienstleistung, sei weder mit dem Wortlaut der Vorschriften vereinbar, noch mit der Systematik und dem Zweck des RDG, und missachte dessen verfas- sungsrechtliche Vorgaben bei der Anwendung auf soft- waregestützte Angebote des sog. Legal Tech. Insoweit verweist die Bekl. auf das Urteil des BGH v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18. Das LG habe nicht bedacht, dass, wie vom Gesetzgeber des RDG gewollt, sich gerade im Be- reich EDV-gestützter Systeme neue Berufsbilder entwi- ckeln könnten, die den Schutz des Art. 12 GG genießen. Selbst wenn – wie nicht – das Angebot eine Rechts- dienstleistung wäre, sei diese jedenfalls als Nebenleis- RECHTSDIENSTLEISTUNGSGESETZ BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 4/2020 223

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