BRAK-Mitteilungen 4/2020

Gegen das am 26.11.2015 zugestellte Urteil hatte der Beklagte noch am gleichen Tag Berufung eingelegt; am 7.12.2015 wurde das Insolvenzverfahren über das Ver- mögen der Beklagten eröffnet und Eigenverwaltung an- geordnet. Ein Insolvenzplan wurde vorgelegt und mit Beschluss v. 30.12.2016 gerichtlich bestätigt. Das Insol- venzverfahren wurde dann am 15.5.2017 aufgehoben. Mit Schriftsatz v. 18.9.2018 hat der Kläger die Fortset- zung des Verfahrens beantragt, dem die Beklagte wi- dersprach mit der Begründung, der Klage fehle (jetzt) das Rechtsschutzbedürfnis. Die Zwangsvollstreckung aus außerhalb des Insolvenzverfahrens erlangten Titeln sei nämlich nach dem Insolvenzplan unzulässig. Mit Be- schluss v. 24.6.2019 verwarf das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten als unzulässig. Die Rechtsbe- schwerde hatte keinen Erfolg. Die Frage der Zulässig- keit der Klage im Hinblick auf den Insolvenzplan hätte im Berufungsverfahren geklärt werden müssen. Dem stand aber die Versäumung der Berufungsbegrün- dungsfrist auf Basis des im Leitsatz wiedergegebenen Obersatzes entgegen. So wurde das Urteil dann also doch rechtskräftig. Hier muss der Prozessbevollmäch- tigte der Insolvenzschuldnerin aufpassen und Fristen kontrollieren, die allein durch Vorgänge im Insolvenz- verfahren beeinflusst werden. (bc) BERUFSHAFTPFLICHTVERSICHERUNG KEIN VERSICHERUNGSSCHUTZ FÜR NICHT BERUFSSPEZIFISCHE RISIKEN Ob in der anwaltlichen Berufshaftpflichtversiche- rung eine versicherte berufliche Tätigkeit vorliegt, kann nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der im Versicherungsvertrag getroffenen Vereinbarungen und der konkret vom Anwalt übernommenen Aufga- ben beurteilt werden. Für die Frage, ob eine Tätig- keit versichert ist, muss die gesamte Tätigkeit in den Blick genommen und als Ganzes bewertet werden. (eigener Ls.) BGH, Beschl. v. 18.3.2020 – IV ZR 43/19 Die Kläger machen aus abgetretenem Recht Ansprüche aus einer anwaltlichen Berufshaftpflichtversicherung geltend. Sie hatten den bei der Beklagten versicherten Anwalt im Rahmen eines „Geschäftsbesorgungsvertra- ges“ als „Treuhänder“ damit beauftragt, ihre bestehen- de Lebensversicherung zu kündigen und das Guthaben bei einer Schweizer Finanzdienstleistungsgesellschaft zu investieren. Mit dieser schloss der Anwalt namens der Kläger einen „Kaufvertrag“, wonach der Finanz- dienstleister nach sechs Jahren das Doppelte des erhal- tenen Abwicklungsguthabens als „Kaufpreis“ an die Kläger zahlen sollte. Nach einer Mitteilung der BaFin, dass es sich dabei nach §§ 1 I 2 Nr. 1, 32 I KWG um ein erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft handle, eine Er- laubnis aber nicht vorliege, wurde der Finanzdienstleis- ter von der Schweizer Finanzmarktaufsicht aufgelöst und befindet sich in Konkursliquidation. Die Kläger for- derten vom RA Schadensersatz. Im Rahmen eines Ver- gleichs trat dieser Ansprüche gegen seine Haftpflicht- versicherung an die Kläger ab. Die Klage gegen den Versicherer blieb erfolglos. 9 9 Berufungsinstanz: OLG München, MDR 2019, 639, Bespr. von Grams , BRAK-Mitt. 2019, 128. Der BGH wies darauf hin, dass er beabsichtige, die vom OLG zugelassene Revi- sion nach § 552a ZPO zurückzuweisen. Daraufhin wur- de die Revision zurückgenommen. Der BGH verneinte die grundsätzliche Bedeutung. Die Frage, ob die Abgrenzung des Versicherungsschutzes nach dem Schwerpunkt des Auftrags bzw. der Tätigkeit des RA erfolgen müsse oder nach dem Bereich, in dem der Anwalt konkret tätig war, sei nicht entscheidungser- heblich. Das OLG habe den Versicherungsschutz im Er- gebnis für beide Varianten verneint. Die Revision habe auch keine Aussicht auf Erfolg. Das OLG habe rechtsfehlerfrei entschieden, dass die Treu- händertätigkeit des RA nicht vom Versicherungsschutz seiner Berufshaftpflichtversicherung umfasst sei. Die nach Ziff. I. RB-RA (Risikobeschreibung) versicherte frei- berufliche Tätigkeit als Anwalt meine alleine die von un- abhängiger Beratung und Vertretung in Rechtsangele- genheiten geprägte „klassische“ Tätigkeit des Anwalts, wie sie auch in § 3 BRAO beschrieben sei. Dafür spre- che auch die Formulierung Tätigkeit „als Rechtsanwalt“ statt „des Rechtsanwalts“, die im Kontext zu dem ab- schließenden Katalog anderweitiger, mitversicherter Tä- tigkeiten (Insolvenzverwalter, Liquidator, Testaments- vollstrecker, Mediator etc., RB-RA a.E.) zum Ausdruck bringe, dass Ziff. I. RB-RA nur die Kerntätigkeit des An- waltsberufs meine. Die vom OLG getroffenen Wertungen seien revisions- rechtlich nicht zu beanstanden. Das OLG hatte ent- schieden, dass Schwerpunkt des „Geschäftsbesor- gungsvertrages“ mit dem Anwalt die wirtschaftliche Durchführung der Kapitalanlage im Rahmen eines vor- gegebenen Systems, die Vornahme der dazu erforder- lichen Handlungen und die Funktion als Treuhänder ge- wesen und dass eine Rechtsberatung nach dem Vertrag nicht vereinbart gewesen sei. Der vom Anwalt abzu- schließende „Kaufvertrag“ sei bereits als Muster vorge- geben gewesen, die Prüfung, Vermittlung und Beratung hinsichtlich der Neuordnung der Vermögensanlagen so- gar ausdrücklich ausgeschlossen. Eine Haftung des An- walts als Treuhänder sei nicht zu prüfen, da diese jeden- falls nicht unter den Versicherungsschutz falle. Die Regelungstechnik der RB-RA bestärke den durch- schnittlichen Versicherungsnehmer in der Annahme, für die Frage, ob eine Tätigkeit versichert sei, müsse die ge- samte Tätigkeit in den Blick genommen und als Ganzes bewertet werden. Dies ergebe sich daraus, dass die in Ziff. I. Nr. 1–6 RB-RA aufgezählten mitversicherten Tä- tigkeiten mittels berufsähnlicher Titulierungen gekenn- zeichnet seien, die jeweils eine Gesamtheit von Pflichten und Handlungen beschreiben sollen. Dieser abge- schlossene Katalog sei überflüssig, wenn es bei jeg- licher Tätigkeit des Anwalts für die Frage des Versiche- AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 4/2020 201

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