BRAK-Mitteilungen 6/2025

gen, wie sie in der Pressemitteilung getroffen wurden, nicht gegen die Äußerung im „Opening Statement“ im Rahmen der Hauptverhandlung, selbst wenn sich diese inhaltlich teilweise überschneiden mögen. [40] Die Äußerungen des Strafverteidigers in dessen „Opening Statement“ unterfallen freilich der Privilegierung. Das Interesse an einer geordneten Rechtspflege, dem die von der Rechtsprechung angeordnete Privilegierung von Äußerungen in gerichtlichen und behördlichen Verfahren dient, erfordert es indes nicht, auch eine Äußerung jenseits des Strafverfahrens im Rahmen einer dieses flankierenden Presseerklärung eine Privilegierung zukommen zu lassen. [41] Die Pressemitteilung soll (ausweislich des Abschnitts „Was ist das Anliegen dieser Erklärung“) im Hinblick auf die vielen „Stellungnahmen von Medien und Verfahrensbeteiligten“ als „kompakte Erklärung“ „aus der Sicht der Verteidigung von (...) die wesentlichen Fragen beantworten“. Sie zielt erkennbar darauf ab, die Verteidiger von (...) der Öffentlichkeit bekannt zu machen und der Medienberichterstattung über die Hauptverhandlung eine Darstellung der Geschehnisse aus der Sicht der Verteidigung entgegenzusetzen. Mag dies zwar anlässlich des Strafverfahrens passieren, steht es gleichwohl nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Ablauf des Strafverfahrens, ebenso wenig ist es im Hinblick auf dieses oder gar zu dessen Sicherung geboten oder erforderlich. [42] II. Die Bekl. ist hinsichtlich der geltend gemachten Unterlassungsansprüche auch passivlegitimiert. [43] Wie der Kl. zutreffend vorträgt, ist für den vorliegenden Fall einer medial verbreiteten Pressemitteilung eines Rechtsanwalts anerkannt, dass derartige öffentliche Einlassungen des Rechtsanwalts regelmäßig nicht als dessen eigene Äußerungen, sondern als solche zu würdigen sind, die der Anwalt kraft seiner beruflichen Stellung als Organ der Rechtspflege und Wahrer fremder Interessen tätigt. [44] Denn wer sich als Rechtsanwalt im ZusammenAnwalt als Sprachrohr des Mandanten hang mit einem ihm übertragenen Mandat erklärt, handelt grundsätzlich als Sprachrohr seines Auftraggebers, soweit seine Äußerung nicht erkennbar ein ganz persönliches Gepräge trägt, folglich lediglich bei Gelegenheit der Mandatswahrnehmung erfolgt. Denn als unabhängiges Organ der Rechtspflege ist es Aufgabe des Rechtsanwalts, die Interessen seines Mandanten unabhängig zu vertreten und wahrzunehmen, um dessen Rechte zu wahren und zu verfolgen. Soweit sich der Anwalt im Interesse eines Mandanten äußert, wird er nicht als Privatperson tätig, sondern in seiner Funktion als Rechtsanwalt und Vertreter seines Mandanten. Regelmäßig macht er sich den Sachverhalt, den ihm sein Mandant schildert, nicht als persönliche Behauptung zu Eigen und stellt, indem er diesen wiedergibt, keine eigene persönliche Behauptung auf. Materiellrechtlich ist in diesen Fällen nicht er, sondern sein Mandant als Störer anzusehen (vgl. BGH, NJW 2005, 279, 281; KG, NJW 1997, NJW 2390 = MDR 1998, 504). Ansprüche gegen derartige Äußerungen sind mithin gegen den Mandanten und nicht den Anwalt zu richten (vgl. KG, NJW 1997, 2390). [45] Gemessen an diesen Grundsätzen ist eine Haftung der Bekl. für die streitbefangenen Äußerungen in der Pressemitteilung zu bejahen. Die Bekl. hat eingewandt, es handele sich um eine „eigene Erklärung von (...), die (...) rechtlich nicht verantworte“. Die von der Bekl. insoweit ins Feld geführten Indizien dafür, dass es sich bei der Pressemitteilung um eine eigene Erklärung allein des Strafverteidigers handele, sind nicht geeignet, eine Verantwortlichkeit der Bekl. für die Erklärung auszuräumen. [46] Hierfür spricht bereits der Umstand, dass es sich um die Pressemitteilung eines Strafverteidigers im Hinblick auf ein anhängiges Strafverfahren handelt, in welcher die Geschehnisse im Zusammenhang mit der der Mandantin vorgeworfenen Tat aus der Sicht der Verteidigung detailreich geschildert werden. Es ist in berufsrechtlicher Hinsicht geradezu ausgeschlossen, dass eine solche Erklärung – insb. aber die hier streitgegenständlichen Äußerungen aus dieser Erklärung, die konkret die Mandantin und deren Wahrnehmungen betreffen – ohne Einwilligung und Abstimmung mit der Bekl. verfasst und veröffentlicht wurde. Dies behauptet auch die Bekl. ausdrücklich nicht. [47] Zwar hat der Strafverteidiger der Bekl. die Pressemitteilung auf seinem eigenen Briefkopf unter der Überschrift „Presserklärung (...) zur Verteidigung von Frau (...)“ veröffentlicht. Indes ergibt sich aus der Sicht eines unbefangenen Durchschnittsempfängers trotz der Bezugnahme auf seine eigene Person in der Überschrift, dass es sich hierbei um eine Erklärung für und im Namen der Bekl. handelt. Denn darin werden die dem Strafverfahren gegen die Bekl. zugrundliegenden Sachverhalte gerade aus deren persönlicher Sicht und unter Berufung auf Sachverhaltskenntnisse, die nur von der Bekl. selbst und nicht von deren Verteidiger stammen können, geschildert. [48] Die Pressemitteilung enthält zwar auch Ausführungen, die eher als persönliche Äußerungen des Rechtsanwalts erscheinen, wie insb. der Abschnitt „Wer sind die Verteidiger von (...)“. Solche Äußerungen sind hier indes nicht streitgegenständlich, sondern Äußerungen, die die Sorgerechtsstreitigkeiten von (...) im Vorfeld zu der ihr vorgeworfenen Tat schildern. Dafür, dass diese allein vom Strafverteidiger stammen und lediglich bei Gelegenheit der Mandatswahrnehmung erfolgten, ist nichts ersichtlich. [49] In der Gesamtschau erscheinen die angegriffenen Äußerungen in der Pressemitteilung nach alledem jedenfalls ebenso als Erklärung der Bekl. wie ihres Rechtsanwalts, weshalb die Bekl. hierfür auch verantwortlich ist. [50] III. Es fehlt indes jeweils an den geltend gemachten Verfügungsansprüchen. BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 6/2025 499

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