BRAK-Mitteilungen 6/2025

KEIN UNTERLASSUNGSANSPRUCH GEGEN PRESSEMITTEILUNG EINES STRAFVERTEIDIGERS BGB §§ 823 I, 1004 I analog; GG Art. 5 I * 1. Äußerungen eines Strafverteidigers in behördlichen oder gerichtlichen Verfahren unterfallen im Interesse einer geordneten Rechtspflege der Privilegierung und können daher nicht erfolgreich mit Ehrschutzklagen angegriffen werden. * 2. Etwas anderes gilt für eine Pressemitteilung eines Strafverteidigers, selbst für den Fall, dass sich diese teilweise mit dessen Äußerung in einem „opening statement“ im Rahmen der Hauptverhandlung überschneidet. * 3. Ein Rechtsanwalt, der sich im Zusammenhang mit einem ihm übertragenem Mandat öffentlich erklärt, handelt grundsätzlich als Sprachrohr seines Mandanten, soweit seine Äußerung nicht erkennbar ein ganz persönliches Gepräge trägt und somit lediglich bei Gelegenheit der Mandatswahrnehmung erfolgt. LG Frankfurt/Main, Urt. v. 18.9.2025 – 2-03 O 247/25 AUS DEM TATBESTAND: [1] Die Parteien streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um Unterlassungsansprüche wegen Äußerungen in einer Presseerklärung des Strafverteidigers der Verfügungsbeklagten. [2] Die Verfügungsbeklagte (nachfolgend „Bekl.“) ist die geschiedene Ehefrau des Verfügungsklägers (nachfolgend „Kl.“) und Mutter der vier gemeinsamen Kinder, u.a. der Kinder (...) und (...). [3] Der Kammer ist aus vorangegangenen Verfahren zwischen den Parteien bekannt, dass der Kl. von 2005 bis 2018 mit der Bekl. verheiratet war. Die Bekl. ist die Tochter des Unternehmenseigentümers (...) der „(...)- Gruppe“. Im Jahr 2005 rückte der Kl. in die Leitung der (...)-Gruppe auf und übernahm die Geschäftsführung mehrerer Gesellschaften der Gruppe. [4] Seit 2014 leben der Kl. und die Bekl. getrennt. Sie sind seit 2018 geschieden. [5] Im Anschluss an die Trennung kam es zu einem – teils öffentlich ausgetragenen – Sorgerechtsstreit zwischen den Parteien. [6] Bis zum Sommer 2021 lebten die Kinder bei der Mutter in H. Die Parteien hatten das gemeinsame Aufenthaltsbestimmungsrecht. Nach einem Wochenendbesuch beim Kl., der zwischenzeitlich nach Dänemark verzogen war, kehrten die beiden jüngsten der vier Kinder, (...) und (...), im Sommer 2021 nicht aus Dänemark zur Mutter nach Hamburg zurück. Die Bekl. erwirkte sodann beim OLG Hamburg eine Entscheidung, wonach der Kl. die Kinder wieder zur Mutter zurückführen sollte. Dem kam der Kl. nicht nach. Auch die dänischen Behörden setzten die Entscheidung nicht um, sodass die Kinder fortan beim Kl. in Dänemark blieben. [7] In der Neujahrsnacht 2023/2024 wurden (...) und (...) aus Dänemark gewaltsam nach Süddeutschland entführt. Ab dem 2.1.2024 befanden sich die beiden Kinder bei der Bekl. in H. Unter anderem gegen die Bekl. und ihren Vater (...) wurde wegen der Entführung der Kinder aus Dänemark strafrechtlich ermittelt und schließlich Anklage erhoben. Am 11.7.2025 begann die noch andauernde Hauptverhandlung in dieser Strafsache vor dem LG Hamburg. [8] Anlässlich des Beginns der Hauptverhandlung veröffentlichte einer der Strafverteidiger der Bekl., Herr Rechtsanwalt (...), am 7.7.2025 über das Presseportal www.p....dedie streitgegenständliche Pressemitteilung. Sie ist als „Presseerklärung (...) zur Verteidigung von Frau (...)“ bezeichnet (Anl. AST 1). [9] Darin heißt es im Abschnitt II unter der Überschrift „Was ist über meine Mandantin im Verfahrenszusammenhang zu wissen?“ u.a. wie folgt (Unterstreichung durch die Kammer): „Von 2014 bis Juli 2021 haben alle Kinder durchgehend bei ihrer alleinerziehenden Mutter gelebt. Der Umgang mit dem nach Dänemark gezogenen Vater erfolgte jedes zweite Wochenende und in den Ferien. Meine Mandantin hat das immer ermöglicht. Seit dem Ausscheiden des Herrn (...) aus dem Familienunternehmen (...) befindet er sich mit diesem in Konflikt. Er hat mehrfach geäußert, dass er (...) werde. Dennoch hat er sich bei der Scheidung u.a. durch ein auf ihn übertragenes Haus auf Sylt finanziell abgesichert. Im Juli 2021 wurde, nachdem das bis dahin ein halbes Jahr ganz im Privaten stattfand, öffentlich bekannt, dass Frau (...) eine Liebesbeziehung mit einem bekannten Fernsehkommentator führt. Es ist davon auszugehen, dass das ihren Exmann triggerte und er sein „(...)“ von der finanziellen auf die persönliche Ebene übertrug, zumal alle Kinder sehr begeistert von dem neuen Partner berichteten. Im selben Monat, Juli 2021, erklärte die älteste Tochter, dass sie ab sofort bei ihrem Vater leben wolle. Im August 2021 behielt er das zweitjüngste und das jüngste Kind in Dänemark. Darüber informierte er die Mutter per E-Mail. Er ist wegen dieses Vorgehens zu Recht in H. wegen der Entziehung Minderjähriger angeklagt. Seit ihr Exmann die Kinder entzogen hat, kämpft Frau (...) um sie. Die deutsche Rechtsprechung hat entschieden, dass sie an die Mutter herauszugeben sind. Die deutsche Rechtsprechung als auch das Jugendamt haben wiederholt ihre Sorge wegen einer Gefährdung des Kindeswohls durch Manipulationen des Vaters erklärt. Trotzdem hat Herr (...) die Kinder in Dänemark einbehalten. Er hat, (...). In der Folge hat er vortragen lassen, dass die Kinder sich bei ihrer Mutter vor Gewalt fürchten würden. Davor war davon keine Rede. Ganz klar: Es gab keine Gewalt. Dennoch (...). An einem Tag lebten sie noch bei ihr, am anderen waren sie einfach weg. Frau (...) hat diese Kinder bis zu der Silvesternacht von 2023 auf 2024 nie BRAK-MITTEILUNGEN 6/2025 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 496

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