zungen für das Anwaltsnotariat erfüllt, zum Zuge kommen. Betroffen ist mittlerweile die Mehrzahl der Oberlandesgerichtsbezirke des Anwaltsnotariats (vgl. Rn. 34 ff.). [166] (b) Diese geschwundene Wirkung der Altersgrenze wird auch nicht durch einen möglichen alternativen Wirkmechanismus ersetzt. [167] Der BGH hat im Ausgangsverfahren angenommen, die Funktion der Altersgrenze werde bei nicht ausreichender Bewerberzahl dadurch erfüllt, dass beim Ausscheiden eines lebensälteren Anwaltsnotars sein Urkunden- und Gebührenaufkommen auf die jüngeren Anwaltsnotare übergehe. Nur wenn lebensältere Notare aus dem Notarberuf ausschieden, hätten jüngere Berufsträger eine hinreichende Aussicht auf ein angemessenes Urkunden- und Gebührenaufkommen und nähmen die erheblichen Belastungen auf sich, die mit dem Berufseintritt verbunden seien (vgl. Rn. 42). Die Bundesregierung sowie verschiedene sachkundige Dritte haben sich in ihren Stellungnahmen dieser Auffassung angeschlossen. Dem liegt die Einschätzung zugrunde, potentielle Berufsanwärter sähen sich in erheblichem Maße durch den mittlerweile hohen finanziellen und zeitlichen Aufwand für das Ablegen der notariellen Fachprüfung und durch die hohen Kosten für die Einrichtung einer Geschäftsstelle gehindert, den Beruf des Anwaltsnotars anzustreben. Dieses Hindernis könne durch erhebliche wirtschaftliche Anreize herabgesetzt werden. [168] Die Notwendigkeit solcher Anreize erscheint zumindest hinsichtlich derjenigen Regionen des Anwaltsnotariats fraglich, in denen aufgrund des Bewerbermangels bereits eine Vielzahl von Notarstellen unbesetzt geblieben ist. Empirische Erkenntnisse dafür, dass das „Freiwerden“ zusätzlichen Urkunden- und Gebührenaufkommens überhaupt entscheidungsrelevante Anreize setzt, gibt es nicht. Die bereits jetzt großräumig bestehenden Vakanzen deuten darauf hin, dass die Anreizwirkung allenfalls gering wäre. Im Übrigen basiert die Vorstellung, die beschriebenen Anreize seien erforderlich, auf der Annahme, der Bewerbermangel im Anwaltsnotariat habe keine demographischen Ursachen, sondern sei allein strukturell bedingt. Diese Annahme ist jedoch nicht hinreichend plausibel. Nach Einschätzung des Instituts für Anwaltsrecht der Universität zu Köln ist der Rückgang der Zahl der Bewerber auf die Anwaltsnotariate vielmehr auf mehrere zusammenwirkende Ursachen zurückzuführen. [169] (aa) Ein Faktor ist dabei die demographische Entdemographische Entwicklung wicklung des Rechtsanwaltsberufs als Quellberuf des Anwaltsnotariats, weil sich das Kontingent potentieller Anwaltsnotare verringert. [170] Die Zahl der zugelassenen Rechtsanwälte insgesamt ist zwar seit 2015 mit jährlichen Zuwächsen beziehungsweise Rückgängen von jeweils unter einem Prozent weitgehend stabil. Als Anwaltsnotare kommen aber im Wesentlichen nur niedergelassene Rechtsanwälte in Betracht, die nicht über eine Zulassung als Syndikusanwalt oder über eine Doppelzulassung als niedergelassener Rechtsanwalt und Syndikusanwalt verfügen. Denn Syndikusanwälte erfüllen regelmäßig nicht die Voraussetzung des § 5b I Nr. 1 BNotO, wonach zum Anwaltsnotar nur bestellt werden soll, wer in nicht unerheblichem Umfang für verschiedene Auftraggeber rechtsanwaltlich tätig war (vgl. BGH, Urt. v. 23.11.2015 – NotZ (Brfg) 2/15, BGHZ 208, 39 ‹ 45 Rn. 15 8 ). Rechtsanwälte mit Doppelzulassung entfalten nach Auskunft des Instituts für Anwaltsrecht neben der Syndikustätigkeit für ihren Arbeitgeber regelmäßig keine nennenswerte Tätigkeit als niedergelassener Rechtsanwalt und erfüllen damit ebenfalls nicht die genannte Voraussetzung. Der Anteil der ausschließlich niedergelassenen Rechtsanwälte aber geht erheblich zurück, einerseits aufgrund einer deutlich gesunkenen Zahl an Neuzulassungen, andererseits durch die gestiegene Zahl jüngerer Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die nach wenigen Berufsjahren auf ihre Zulassung ganz verzichten oder in die Syndikusanwaltschaft wechseln. So waren im Gebiet des Anwaltsnotariats zum 1.1.2017 noch 60.456 niedergelassene Rechtsanwälte ohne Zulassung als Syndikusanwalt oder Doppelzulassung tätig, zum 1.1.2025 war die Zahl auf 54.270 Rechtsanwälte gesunken. Der Rückgang in diesem Zeitraum ist in den großstädtisch geprägten Bezirken des Oberlandesgericht Frankfurt am Main und des Kammergerichts Berlin unterdurchschnittlich (unter 5 %) und in den Oberlandesgerichtsbezirken Celle, Hamm, Schleswig, Bremen und Braunschweig überdurchschnittlich (13 % bis 14,7%). [171] Nach den nachvollziehbaren und unwidersprochenen Berechnungen des Instituts für Anwaltsrecht treten jährlich nur etwa 700 bis 900 potentielle Anwaltsnotare neu in den Rechtsanwaltsberuf ein. Mit Blick darauf, dass nach Auskunft des Instituts für Anwaltsrecht auf Grundlage empirischer Untersuchungen nur ein Bruchteil der Rechtsanwälte überhaupt eine Notartätigkeit in Betracht zieht, reicht diese Zahl nicht aus, um die ausscheidenden Berufsträger zu ersetzen. [172] (bb) Daneben spielen geänderte berufliche Präfegeänderte berufliche Präferenzen renzen jüngerer Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte eine Rolle. Nach Studien zur Berufstätigkeit junger Rechtsanwälte waren im Jahr 2012 Rechtsanwälte mit sechs Jahren Berufserfahrung zu 30 % Kanzleiinhaber oder Mitinhaber und im Jahr 2024 nur noch zu 11 %. Auch sehen heute deutlich weniger angestellte Rechtsanwälte ihre berufliche Perspektive in unternehmerischer Tätigkeit als noch in den 1990er Jahren, wie empirische Erhebungen zeigen. Insbesondere das Interesse am Anwaltsnotariat ist gering. Nach einer Befragung jüngerer Rechtsanwälte in den Jahren 2023/24 strebten nur 18 % perspektivisch eine Tätigkeit als Anwaltsnotar an. Als Gründe wurden mangelndes fachliches Interesse an der Tätigkeit (66 % der Befragten), der hohe zeitliche Aufwand für die QuaBERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 6/2025 483
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