BRAK-Mitteilungen 6/2025

BAG, Beschl. v. 5.6.2020 – 10 AZN 53/20 Rn. 39, BAGE 171, 28; BSG, Beschl. v. 27.6.2024 – B 1 KR 58/23 BH Rn. 15). [24] bb) Nach diesen Maßstäben liegt eine Verletzung Pflichtverletzung der gerichtlichen Fürsorgepflicht vor. Denn es ist davon auszugehen, dass bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang dem Prozessbevollmächtigten des Kl. ein Hinweis so rechtzeitig hätte erteilt werden können, dass er die Berufung formgerecht hätte übermitteln und einlegen können. Mit Blick auf den Transfervermerk einschließlich des darin enthaltenen „Vertrauenswürdigen Herkunftsnachweises“ besteht eine einfache und wenig Zeitaufwand erfordernde Möglichkeit zu prüfen, ob ein aus einem beA versandter Schriftsatz einfach elektronisch signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg bei Gericht eingereicht wurde. Hierzu gehört auch die Prüfung, ob die Person, die das Dokument elektronisch signiert hat, mit derjenigen identisch ist, die Inhaberin des beA ist. Es stellt keine nennenswerte Belastung für die Funktionsfähigkeit des angerufenen Gerichts dar, zeitnah nach Eingang eines elektronischen Dokuments zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Übermittlung erfüllt sind (vgl. BAG, Beschl. v. 5.6.2020 – 10 AZN 53/20 Rn. 40, BAGE 171, 28; vgl. BGH, Beschl. v. 14.10.2008 – VI ZB 37/08 Rn. 10, MDR 2009, 285: nicht unterschriebene Berufungsschrift). Das Gericht muss auf Mängel des Formats i.S.v. § 130a II ZPO nach § 130a VI 1 ZPO unverzüglich hinweisen. Das setzt eine entsprechende Prüfung des elektronischen Dokuments voraus. Solange die Akte dem Richter im ordnungsgemäßen Geschäftsgang nicht vorgelegen hat, kommt es für die leichte Erkennbarkeit des Mangels auf den Wissensstand des zuständigen Geschäftsstellenbeamten an (vgl. BAG, Urt. v. 5.6.2020 – 10 AZN 53/20 Rn. 40, BAGE 171, 28; BGH, Beschl. v. 11.12.2015 – V ZB 103/14 Rn. 10, NZM 2016, 446; Beschl. v. 12.10.2011 – IV ZB 17/10 Rn. 15, NJW 2012, 78). Für die Geschäftsstellenbeamtin war die Abweichung der elektronischen Signatur des RA M. von RA R. als dem Inhaber des beA, aus dem der Schriftsatz übermittelt worden ist, ohne Weiteres erkennbar. Dies ergibt sich bereits daraus, dass sie die Eingangsbestätigung schon am 20.12.2023, einen Tag nach Eingang der Berufungsschrift, an deren Unterzeichner, RA M., und nicht an den Übermittler des Schriftsatzes, RA R., übersandt hat. [25] Für die danach gebotene äußerliche Prüfung des Transfervermerks genügt in der Regel ein Zeitraum von zehn bis zwölf Kalendertagen (vgl. BGH, Beschl. v. 14.10.2008 – VI ZB 37/08 Rn. 11, MDR 2009, 285; BAG, Beschl. v. 5.6.2020 – 10 AZN 53/20 Rn. 40, BAGE 171, 28), der nicht unterschritten ist. Bei Eingang der Berufungsschrift am 19.12.2023 standen noch 30 Kalendertage bis zum Fristablauf am 18.1.2024 offen. [26] cc) Die weiteren Voraussetzungen, unter denen dem Kl. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Berufungsfrist zu gewähren ist, liegen vor. Der Kl. hat die Wiedereinsetzung fristgerecht innerhalb der nach § 234 I 1 ZPO zu beachtenden zweiwöchigen Frist beantragt, die gem. § 234 II ZPO mit dem Tag beginnt, an dem das Hindernis behoben ist und die versäumte Prozesshandlung innerhalb dieser Frist gem. § 236 II 2 ZPO nachgeholt. Der Kl. ist durch den Hinweis der Bekl. in der Berufungserwiderung v. 19.4.2024, die seinen Prozessbevollmächtigten am 25.4.2024 zugegangen ist, darauf hingewiesen worden, dass die Berufung nicht formgerecht eingelegt worden ist. Mit am 25.4.2024 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Datum hat der Kl. die Einlegung der Berufung nachgeholt und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. BEWEISKRAFT EINES ELEKTRONISCH ABGEGEBENEN EMPFANGSBEKENNTNISSES BGB §§ 274, 387, 389, 818 ff., 2287 I; ZPO §§ 173, 175, 287, 517 1. Die Beweiskraft eines elektronisch abgegebenen Empfangsbekenntnisses wird nicht allein durch die Tatsache erschüttert, dass zwischen der Zusendung des Urteils an den Rechtsanwalt und dem im Empfangsbekenntnis angegebenen Zustellzeitpunkt zwölf Tage liegen und die Partei von dem Urteilstenor bereits Kenntnis erlangt hatte. 2. (...) OLG Nürnberg, Urt. v. 12.9.2025 – 1 U 2003/24 Erb Volltext unter www.brak-mitteilungen.de NOTARRECHT VERFASSUNGSWIDRIGE ALTERSGRENZE IM ANWALTSNOTARIAT BNotO §§ 3 II, 5b, 47 Nr. 2 Var. 1, 48a; GG Art. 12 I 1. Die Berufsfreiheit nach Art. 12 I GG hat eine wirtschaftliche und eine auf die Entfaltung der Persönlichkeit bezogene Dimension. Sie konkretisiert das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit im Bereich der individuellen Leistung sowie der Existenzgestaltung und -erhaltung und zielt auf eine möglichst unreglementierte berufliche Betätigung ab. 2. Die Altersgrenze des vollendeten siebzigsten Lebensjahres nach §§ 47 Nr. 2 Variante 1, 48a BNotO NOTARRECHT BRAK-MITTEILUNGEN 6/2025 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 474

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