BRAK-Mitteilungen 6/2025

legschaft durch Krankheit und Ausscheiden einer Mitarbeiterin reduziert ist. Dazu muss sie auch einer eventuellen Überlastung entgegenwirken, die dadurch entsteht, dass dem verbliebenen Personal zu viele Aufgaben übertragen werden. OLG Frankfurt, Beschl. v. 1.9.2025 – 3 U 69/25 Nach den Angaben im Wiedereinsetzungsantrag wurde die Berufungsfrist hier deshalb versäumt, weil die Frist von der dafür zuständigen Kanzleimitarbeiterin versehentlich nicht in den Kalender eingetragen worden war. Die Fristen würden immer durch geschulte Mitarbeiter unmittelbar nach Eingang der entsprechenden Post in den elektronischen und einen handgeschriebenen Fristenkalender eingetragen, die „Hauptfristen“ (keine Vorfristen) auch in einem Fristenblatt in der Handakte vermerkt. Aufgrund einer personellen Ausnahmesituation und der damit verbundenen Mehrbelastung (länger andauernder krankheitsbedingter Ausfall einer erfahrenen Kanzleimitarbeiterin und Ausscheiden einer Auszubildenden) sei hier die Fristeintragung der ansonsten zuverlässigen „verbleibenden Kraft“ versäumt worden. Der OLG-Senat bemängelte in formeller Hinsicht, dass die eidesstattliche Versicherung dieser Mitarbeiterin zwar nachgereicht werden sollte, aber auch drei Wochen nach dem Antrag noch nicht bei Gericht war; auch die anwaltliche Versicherung der Anwältin selbst fehlte. Damit mangelte es bereits insgesamt an der notwendigen Glaubhaftmachung. Daneben sei hier aber auch ein anwaltlicher Organisationsfehler zu konstatieren. Bei den beschriebenen Personalengpässen sei es Sache des Anwalts sicherzustellen, dass die Aufgaben dennoch zuverlässig erfüllt werden. Bestünde aufgrund des erhöhten Arbeitsanfalls die größere Gefahr einer Ablenkung oder Unaufmerksamkeit und könne der Anwalt dies erkennen, müsse er entgegenwirken. Auf welche Weise das geschehe, sei grundsätzlich ihm überlassen. Zu denken sei an erhöhte Kontrolldichte; im Einzelfall könne es sogar notwendig sein, dass die Anwälte die delegierten Aufgaben dann auch wieder voll an sich zögen. Dass auch ein Anwalt selbst dadurch in eine Überlastungssituation kommen kann und dass gerade dann, wenn die üblichen Mechanismen in der Kanzlei geändert werden, neue Fehlerquellen geschaffen werden, scheint das OLG nicht zu sehen. Damit wird die „Entschuldigung“ für den Fehler der Mitarbeitenden durch Personalengpässe und Überlastung zur regelrechten Wiedereinsetzungsfalle, weil das auf den jeweiligen Anwalt selbst zurückfallen kann. Letztlich wäre es ganz offenkundig besser gewesen, von einem im Nachhinein nicht nachvollziehbaren Fehler zu sprechen; die Gründe für ein Augenblicksversagen können ohnehin vielschichtig sein. Auch in Schadenmeldungen gegenüber der Haftpflichtversicherung wird nicht selten Überlastung des Personals als Entschuldigung für Fehler im Kanzleiablauf angeführt. Es ist auch verständlich, wenn Fehler mit solchen Hinweisen begründet werden. Wird aber die Überlastung zum Dauerthema, muss in der Tat gehandelt werden. Wiedereinsetzung hätte wohl auch ohne die vom OLG herangezogene Begründung nicht gewährt werden können. Man muss sich fragen, aus welchen Gründen die fehlende Eintragung nicht spätestens bei Abfassung der Berufung erkannt worden ist, wenn die Fristen korrekterweise in die Akte eingetragen waren. Bei dieser Gelegenheit sind sie nämlich vom Anwalt zu prüfen. (bc) UND ERNEUT: ÜBERLASSUNG VON SIGNATURKARTE UND PIN AN DRITTE 1. Ein Rechtsanwalt kann einen Schriftsatz nicht dann wirksam bei Gericht einreichen, wenn dieser Schriftsatz unter Überlassung seiner Signaturkarte und PIN von einer dritten – insbesondere bei ihm beschäftigten – Person mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen worden ist. 2. Gegen die Möglichkeit der qualifizierten elektronischen Signatur unter Überlassung von Signaturkarte und PIN an Dritte spricht, dass der Rechtsanwalt zu einem solchen Vorgehen nicht berechtigt ist. Bei der Signierung eines ein Rechtsmittel oder eine Rechtsmittelbegründung enthaltenden fristwahrenden elektronischen Dokuments gehört es zu den nicht auf das Büropersonal übertragbaren Pflichten eines Rechtsanwalts, das zu signierende Dokument zuvor selbst sorgfältig auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu prüfen. Das Überlassen der Signaturkarte und PIN erweckt den Anschein, dass das elektronische Dokument vom Rechtsanwalt signiert wurde, obwohl dies nicht der Fall ist. OLG Köln, Urt. v. 12.6.2025 – I – 24 U 92/24, MDR 2025, 1355 Mit Schriftsatz v. 26.7.2024 erfolgte die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil v. 27.6.2024. Fraglich ist, ob die Einlegung der Berufung und auch der späteren Berufungsbegründung den Formerfordernissen entsprach. Das OLG verwarf die Berufung als unzulässig. Zu den Formalien erklärte sich der Prozessbevollmächtigte des Berufungsführers abgekürzt wie folgt: Die Akten würden in seinem Büro in Papierform geführt. Diktierte Schriftsätze würden ausgedruckt und die endgültige Fassung schließlich in der Unterschriftsmappe vorgelegt und vom Prozessbevollmächtigten unterschrieben. Mit dem Schriftsatz und der in seinem Büro verwahrten Signaturkarte gehe er anschließend zu seiner Sekretärin, die die Signaturkarte und die ihr längst geläufige PIN verwende, um das Schriftstück dann aus dessen beA-Account zu versenden. Dabei stehe er regelmäßig neben seiner Sekretärin; dauere der Übertragungsvorgang länger, sei das aber nicht immer und über die gesamte Zeit hin der Fall. Das Sendeprotokoll werde ausgedruckt und vom Bevollmächtigten inhaltlich auf die ordnungsgemäße Übertragung überprüft und anschließend abgeheftet. JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT BRAK-MITTEILUNGEN 6/2025 AUFSÄTZE 442

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