BRAK-Mitteilungen 6/2025

antwortlich mit der Begründung, die Mahnbescheide seien nicht ausreichend individualisiert gewesen. Das OLG als Berufungsgericht sah diese Regressansprüche als begründet an. Der BGH hob das Urteil auf und verwies die Sache zurück. Die Individualisierung der Mahnbescheide sei nach den Annahmen des Berufungsgerichts nicht erfolgt und auch in der Kürze der Zeit nicht möglich gewesen. Offen gelassen hatte das OLG die Frage, ob die Schadenersatzansprüche der Gesellschaft überhaupt begründet und ob sie tatsächlich – und ggf. wann – ganz oder teilweise verjährt waren. Der IX. Senat des BGH sieht hier konkret den Zweck der anwaltlichen Beratung in der Abwehr solcher Schäden, die den Mandanten durch die Verjährung der Forderung drohten. Im Streitfall gehe es aber nicht um solche möglicherweise verjährten Ansprüche, sondern um die Kosten nach Rücknahme der Mahnanträge, die nicht aus Gründen mangelnder Individualisierung erfolgte. Da die Gesellschafter die gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche wünschten und die Kosten des Mahnverfahrens auf diejenigen des nachfolgenden Prozesses anzurechnen sind, stehe die Regressforderung mit der verletzten Pflicht nicht in ausreichendem Zurechnungszusammenhang. Dass die Mahnverfahren nicht geeignet waren, die Verjährung zu hemmen, sei für sich genommen kein ausreichender Grund für die Haftung hinsichtlich der Kosten. Dass es sich schließlich um aus Sicht der Beklagten nutzlose Mehrkosten handelte, sei auf den Umstand zurückzuführen, dass später die Widerklage im Anfechtungsprozess statt der Fortsetzung des Mahnverfahrens im streitigen Verfahren gewählt wurde. Die Gefahr, die in der nicht ausreichenden Individualisierung der Mahnanträge lag, nämlich der Verjährung eines Teils der Forderungen, habe sich nicht verwirklicht. Da schon der Schutzbereich der verletzten Pflicht nicht berührt sei, müsse in diesem Zusammenhang aber nicht entschieden werden, ob aufgrund des neuen Entschlusses bereits von einer Unterbrechung des Kausalverlaufs auszugehen war. Auch unter diesem Gesichtspunkt können letztlich Zurechnungsfragen diskutiert werden. Der BGH bemängelt dazu auch die Beweislastverteilung, die das OLG vorgenommen hatte. Bei der Frage der Individualisierung spielte es nämlich eine möglicherweise entscheidende Rolle, ob diese nicht schon zuvor durch den entsprechenden Gesellschafterbeschluss erreicht worden war. Diesen kannte schließlich auch die dritte Gesellschafterin und allein auf ihren Horizont komme es dabei an. Der Beschluss wurde aber im Prozess nicht vorgelegt; das OLG ging daraufhin von der fehlenden Individualisierung aus. Der BGH hält das für falsch. Es hätte vielmehr der Anspruchstellerin oblegen, die fehlende Individualisierung zu beweisen, so dass ein non liquet zu ihren Lasten gehe. So gesehen wären die Mahnanträge sogar als korrekt und ausreichend individualisiert zu bewerten, so dass schon gar kein Anlass bestanden hätte, die beiden Gesellschafter von den Anträgen abzuhalten. Dann hätte der Regressanspruch eigentlich schon daran scheitern müssen, dass wegen der nicht bewiesenen fehlenden Individualisierung nicht einmal eine relevante Pflichtverletzung vorlag. Zurückverwiesen wurde die Sache, weil die Beklagten noch weitere Gründe für die Haftung geltend gemacht hatten, über die das OLG konsequenterweise nicht mehr entschieden hatte. (bc) KOSTENHAFTUNG DES ANWALTS BEI BERUFUNGSEINLEGUNG OHNE AUFTRAG 1. Die Anwendung des kostenrechtlichen Veranlasserprinzips kommt bei Missbrauch der Prozessvollmacht in Betracht. 2. Ein Missbrauch der Prozessvollmacht kann bei Einlegung einer Berufung ohne Zustimmung des bedürftigen Mandanten zu bejahen sein. 3. Es gehört zum Basiswissen eines forensisch tätigen Rechtsanwalts, dass bei einem bedürftigen Mandanten anstatt der Einlegung eines Rechtsmittels innerhalb der Rechtsmittelfrist Prozesskostenhilfe für das beabsichtigte Rechtsmittel beantragt werden kann. KG, Beschl. v. 17.9.2025 – 20 U 78/25, BRAK-Mitt. 2025, 464 (in diesem Heft) Diese Entscheidung erging nicht in einem Anwaltshaftungsprozess, sondern noch in dem Verfahren, in dem der Anwalt seinen Mandanten vertrat. Nach einem für den Mandanten negativen erstinstanzlichen Urteil legte der Anwalt, der aus der ersten Instanz im Besitz einer Prozessvollmacht war, in dessen Namen Berufung ein. Vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist teilte der Mandant dem KG mit, dass er inzwischen Kenntnis von der Berufungseinlegung erlangt, dass er aber den Anwalt gar nicht damit beauftragt habe. Zudem sei er bedürftig (in erster Instanz war ihm PKH gewährt worden). Er habe den Anwalt nun angewiesen, die Berufung zurückzunehmen. Nach der Rücknahme teilte das KG mit, dass es erwäge, die Kosten dem Anwalt persönlich aufzuerlegen und hörte diesen dazu an. Der Rechtsanwalt teilte mit, dass der Mandant sich nach dem erstinstanzlichen Urteil und hierzu vom Rechtsanwalt erteilter Rechtsbelehrung nicht mehr gemeldet habe; zwei Versuche der telefonischen Kontaktaufnahme seien gescheitert. Er habe daher fristwahrend Berufung eingelegt, um die letzte Möglichkeit der Vermeidung der Rechtskraft nicht zu verlieren. Das KG legte die Kosten des Berufungsverfahrens dem Anwalt persönlich auf. Es berief sich dazu auf das sog. Veranlasserprinzip.3 3 Vgl. BGH, NJW 2017, 2683; OLG Jena, Beschl. v. 29.5.2017 – 1 Ws 134/17; BVerfG, Beschl. v. 24.7.2025 – 2 BvR 424/24. Dieses sei nicht nur bei einer fehlenden wirksamen Bevollmächtigung anzuwenden, sondern auch bei einem Mangel der Vollmacht durch Überschreiten des Umfangs anzuwenden. Eine umfassende Prozessvollmacht müsse der Mandant nicht gegen sich JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 6/2025 437

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