BRAK-Mitteilungen 6/2025

es für Rechtsuchende künftig ermöglicht wird, Klagen bis zu einem Streitwert von 10.000 Euro vor einem Amtsgericht ohne Anwaltszwang einzureichen. Werden die mit dem KI-Einsatz verbundenen Rechtsunsicherheiten nicht beseitigt, gerät das RDG unter Reformdruck. Eine klärende BGH-Entscheidung zum Sammelklage-Inkasso im Kartellrecht steht noch aus, wobei zu erwarten ist, dass die EuGH-Entscheidung berücksichtigt wird. Folgt der BGH seiner inkassofreundlichen Rechtsprechung, dürfte es auf die EuGH-Kriterien nicht mehr ankommen. PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT RECHTSANWÄLTIN ANTJE JUNGK, RECHTSANWÄLTE BERTIN CHAB UND HOLGER GRAMS* * Die Autorin Jungk ist Leitende Justiziarin, der Autor Chab Leitender Justiziar bei der Allianz Versicherungs-AG, München; der Autor Grams ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht in München. In jedem Heft der BRAK-Mitteilungen kommentieren die Autoren an dieser Stelle aktuelle Entscheidungen zum anwaltlichen Haftungsrecht. HAFTUNG ZURECHNUNGSZUSAMMENHANG BEI HAFTUNG AUF MAHNBESCHEIDSKOSTEN Soll mittels eines Mahnbescheids die Verjährung einer Forderung gehemmt werden, individualisiert der anwaltliche Mahnantrag die Forderung des Mandanten aber nicht hinreichend, besteht zwischen einer diesem Umstand zugrunde liegenden anwaltlichen Pflichtverletzung und der Kostenlast des Mandanten infolge der späteren Rücknahme des Mahnantrags durch dessen neuen Prozessbevollmächtigten kein Zurechnungszusammenhang, wenn eine tatsächliche Verjährung der anderweitig verfolgten Forderung nicht festgestellt ist. BGH, Urt. v. 14.7.2025 – IX ZR 95/24, WM 2025, 1898 Dass ein Schadenersatzanspruch gegen rechtliche Berater daran scheitert, dass der Schutzzweck der verletzten Pflicht den Anspruch nicht erfasst und es daher am Zurechnungszusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden fehlt, ist selten. Soweit es an diesem Zusammenhang fehlt, wird dies darauf gestützt, dass der Rechtsanwalt vertraglich nur für solche Nachteile einzustehen hat, zu deren Abwendung er die aus dem Mandat folgenden Pflichten übernommen hat. Der Schutzzweck der Beratung ergibt sich nach früheren Ausführungen des BGH1 1 BGH, Urt. v. 9.7.2009 – IX ZR 88/08, NJW 2009, 3025. aus dem für den Anwalt erkennbaren Ziel, das der Mandant mit der Beauftragung verfolgt, und ist objektiv aus Inhalt und Zweck der vom Anwalt geschuldeten Tätigkeit zu bestimmen. Auf dieser Grundlage schied etwa ein Schmerzensgeldanspruch nach Gesundheitsbeeinträchtigungen der Mandanten aus, die unmittelbar (und nachvollziehbar) durch eine fehlerhafte Beratung durch einen Anwalt verursacht wurden.2 2 BGH, a.a.O. Man könnte also das nun dazu ergangene Urteil als für die allgemeine Praxis kaum relevant abtun; indes lohnt die Lektüre, da die Entscheidung zum Verständnis der Kausalität und auch zur Beweislastverteilung viel zu bieten hat. Ausgangspunkt ist die Klage einer Anwaltskanzlei gegen deren frühere Mandantin, eine Gesellschaft bestehend aus drei Gesellschaftern, auf Zahlung der gesetzlichen Gebühren, die wegen der Beantragung zweier Mahnbescheide entstanden waren. Die Beklagte widersetzte sich dem Anspruch mit dem dolo-agit-Einwand. Die Gesellschafter stellten sich auf den Standpunkt, dass der Mahnbescheid nicht ausreichend individualisiert gewesen sei, weshalb die Anwälte von der Beantragung hätten abraten müssen. Gegenstand der beiden Mahnbescheide waren Schadenersatzansprüche zweier Mitgesellschafter gegen die dritte Gesellschafterin. Die beiden Gesellschafter beauftragten die Klägerin kurz vor Weihnachten 2020 mit der Beantragung der Mahnbescheide. Am 30.12.2020 übersandten die Gesellschafter zu diesem Zweck eine Tabelle mit den Ansprüchen, die sich aus einer Vielzahl von Einzelpositionen zusammensetzte. Noch am gleichen Tag wurden auf dieser Basis die Mahnbescheide beantragt, um die denkbare Verjährung zum Ende des Jahres möglichst noch zu hemmen. Die Mahnverfahren wurden aber anschließend nicht fortgesetzt. Stattdessen beauftragten die Gesellschafter eine andere Kanzlei. Die neuen Vertreter brachten die Ansprüche in einen laufenden Prozess im Wege der Widerklage ein. In diesem Verfahren hatte die dritte Gesellschafterin gegen die entsprechenden Gesellschafterbeschlüsse eine Anfechtungsklage erhoben. Wegen der dadurch entstandenen doppelten Rechtshängigkeit nahmen die neuen Bevollmächtigten die beiden Mahnanträge zurück. Für die dadurch entstandenen Kosten machte man nun die Erstanwälte verBRAK-MITTEILUNGEN 6/2025 AUFSÄTZE 436

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