BRAK-Mitteilungen 6/2025

Fachanwaltschaften u.a. aus wirtschaftlichen Erwägungen weniger attraktiv erscheinen, als in der Vergangenheit. Beachtenswert bleibt die steigende Bedeutung der Fachanwaltschaft innerhalb der Anwaltschaft insgesamt durch leicht steigende Fachanwaltszahlen bei leicht sinkenden Zahlen der Berufsträgerinnen und Berufsträger. Mehr als jeder vierte Rechtsanwalt ist zugleich auch Fachanwalt. Dabei wird jedoch stets zu beachten sein, dass Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte auch in ländlichen Regionen vielfach als Einzelanwälte präsent sind, die vor Ort das Konzept der Fachanwaltschaft aus wirtschaftlichen Gründen nicht verfolgen können, da die durch die Fachanwaltsbezeichnung zum Ausdruck gebrachte Spezialisierung in strukturschwachen Regionen nicht auskömmlich sein kann. IV. RECHTSPRECHUNG IN FACHANWALTSSACHEN Die Rechtsprechung des Anwaltssenats beim BGH war wiederum von Entscheidungen geprägt, die den Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft oder die Zulassung von Syndikusanwältinnen und -anwälten betrafen. Es finden sich in diesem Berichtszeitraum jedoch beachtliche fünf Beschlüsse des Anwaltssenats in Fachanwaltssachen. So hat sich der BGH in Entscheidungen v. 14.10.202410 10 BGH, Beschl. v. 14.10.2024 – AnwZ (Brfg) 25/24, BRAK-Mitt. 2025, 62. mit der Fachanwaltschaft für Erbrecht und in seiner Entscheidung v. 27.5.202511 11 BGH, Beschl. v. 27.5.2024 – AnwZ (Brfg) 20/24. mit der Fachanwaltschaft für Familienrecht beschäftigt. Drei weitere Entscheidungen des Anwaltssenats betrafen die Fortbildungspflicht gem. § 15 FAO. Auch der AGH Nordrhein-Westfalen hatte einen Fall zu entscheiden, der § 15 FAO betrifft.12 12 AGH NRW, Urt. v. 20.12.2024 – 1 AGH 31/24. Diese Entscheidung lag sodann der Entscheidung des Anwaltssenats v. 17.6.2025 zugrunde.13 13 BGH, Beschl. v. 17.6.2025 – AnwZ (Brfg) 15/25. Die vorgenannten Entscheidungen sollen nachstehend einer näheren Betrachtung unterzogen werden. 1. FACHANWALTSCHAFT FÜR ERBRECHT Gemäß § 5 I lit. m FAO ist zur Erlangung der Fachanwaltschaft für Erbrecht der Nachweis von 80 Fällen erforderlich. Davon müssen sich mindestens 20 Fälle auf rechtsförmliche Verfahren erstrecken (davon höchstens 15 Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit). In dem der Entscheidung des Anwaltssenats v. 14.10.202414 14 BGH, Beschl. v. 14.10.2024 – AnwZ (Brfg) 25/24, BRAK-Mitt. 2025, 62. zugrunde liegenden Fall lehnte die zuständige Rechtsanwaltskammer einen Antrag auf Verleihung der Befugnis zur Führung der Fachanwaltsbezeichnung „Fachanwalt für Erbrecht“ mit der Begründung ab, dass von den vom Antragsteller vorgelegten Fällen nur zehn als rechtsförmliche Verfahren und insgesamt nur 72 Fälle anerkennungsfähig seien, da bei etlichen Fällen der erbrechtliche Bezug nicht hinreichend vorhanden gewesen sei. Die Klage des Antragstellers vor dem AGH blieb erfolglos. Der Kläger beantragte die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des AGH. Der Anwaltssenat verweist eingangs auf eine frühere Entscheidung,15 15 BGH, Beschl. v. 20.4.2009 – AnwZ (Brfg) 48/08, BRAK-Mitt. 2009, 177 Rn. 8. wonach die Voraussetzung für das Vorliegen eines Falles als „erbrechtlich“ gegeben sei, wenn ein Schwerpunkt der Bearbeitung in dem in § 14f FAO näher umschriebenen Fachgebiet Erbrecht läge. Grundsätzlich sei zu differenzieren, ob ein Fall originär dem jeweiligen Fachgebiet zuzurechnen sei oder ob er thematisch einem anderen Rechtsbereich unterfalle und lediglich Berührungspunkte zum relevanten Fachgebiet aufweise.16 16 Vgl. BGH, Urt. v. 10.3.2014 – AnwZ (Brfg) 58/12, NJW-RR 2014, 752. Ein thematisch dem jeweiligen Fachgebiet zuzuordnender Fall sei schon dann als entsprechender Fall im Sinne der FAO anzuerkennen, wenn eine Frage des jeweiligen Fachgebiets zumindest erheblich werden könne. Bei Fällen, die dem relevanten Fachgebiet nicht originär zuzuordnen seien, sei hingegen der erforderliche inhaltliche Bezug zum jeweiligen Fachgebiet nur gegeben, wenn im konkreten Fall Fragen des jeweiligen Fachgebiets für die argumentative Auseinandersetzung tatsächlich eine Rolle spielen. Dabei betont der BGH, dass es nicht erforderlich sei, dass die insoweit jeweils gebotene Problemstellung einen wesentlichen Anteil an der Fallbearbeitung habe oder gar den Mittelpunkt des Falles bilde. Es müsse allerdings im Rahmen des Falles im maßgeblichen Referenzzeitraum eine für die juristische Bearbeitung relevante erbrechtliche Frage tatsächlich aufgeworfen worden sein. Bei dieser Gelegenheit betont der Anwaltssenat, dass es im Erbrecht jedenfalls nicht ausreichend sei, dass einem Anspruch eine unstreitige Gesamtrechtsnachfolge gem. § 1922 BGB zugrunde läge. Der BGH betont, dass es dem Antragsteller obliege, in seinem Antrag darzustellen, welche fachgebietsbezogenen Fragestellungen in welcher Form eine Rolle gespielt hätten. In der Folge behandelt der Anwaltssenat jeden einzelnen der von der Rechtsanwaltskammer nicht anerkannten Fälle. Dabei hatte der Antragsteller stets versäumt darzulegen, welche konkreten erbrechtlichen Fragen er im jeweiligen Fall bearbeitet hatte. Überdies hatte er trotz der Anforderung des Vorprüfungsausschusses Arbeitsproben nicht vorgelegt, was ihm nunmehr zur Last fiel. Offen ließ der BGH, ob vom Antragsteller im Ausland geführte Verfahren überhaupt geeignet wären, als rechtsförmliche Verfahren anerkannt zu werden, denn der Antragsteller hatte jeweils nicht dargelegt, welche erbrechtlichen Aspekte er in diesen Fällen behandelt hatte. Die ausführliche Entscheidung des Anwaltssenats erscheint maßgeblich für die regelmäßig in der Anerkennungspraxis auftretende Frage des Bezugs eines Falles zum jeweiligen Rechtsgebiet. Danach bestehen keine überspannten Anforderungen. Der jeweilige AntragstelAUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 6/2025 427

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