AUFSÄTZE ZUGANG ZUM RECHT INS GRUNDGESETZ RECHTSANWÄLTINNEN EVA MELINA BUCHMANN UND DR. TANJA NITSCHKE, MAG. RER. PUBL.* * Die Autorin Buchmann ist Rechtsanwältin in Berlin, die Autorin Dr. Nitschke ist Rechtanwältin in Karlsruhe; beide sind Geschäftsführerinnen der BRAK. „Jedermann hat das Recht, sich vor Gericht und in außergerichtlichen Rechtsangelegenheiten unabhängiger anwaltlicher Hilfe zu bedienen.“ So soll nach dem Willen der BRAK-Hauptversammlung ein neuer Abs. 5 des Art. 19 GG lauten, mit dem Rechtsuchende ein Grundrecht auf unabhängigen, nur ihren Interessen verpflichteten anwaltlichen Beistand erhalten sollen. Mittelbar soll damit auch die Unabhängigkeit der Anwaltschaft garantiert werden. Weshalb das aus Sicht der BRAK dringend notwendig ist, wie es zu dem Gesetzesvorschlag kam und wie die ersten Reaktionen aus der Politik sind erläutern die Autorinnen; sie dokumentieren zudem das Positionspapier der BRAK im Wortlaut. I. EINLEITUNG Einstimmige Beschlüsse unter Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten sind selten und nicht selbstverständlich. Es wird intensiv diskutiert, verschiedene Positionen werden eingenommen und „es kommt darauf an“ wird gerne verwendet. Die 169. Hauptversammlung der BRAK hat sich in ihrer Sitzung am 19.9.2025 in Hannover jedoch einstimmig für eine Verankerung eines unabhängigen anwaltlichen Beistands im Grundgesetz ausgesprochen.1 1 Presseerkl. Nr. 9/2025 v. 19.9.2025; Nachr. aus Berlin 20/2025 v. 1.10.2025. Der Beschluss fußt auf einem Papier,2 2 Positionspapier zur Verankerung unabhängigen anwaltlichen Beistands im Grundgesetz. in dem diese Grundgesetzänderung als konkreter Formulierungsvorschlag ausgeführt und erläutert wird – zwar in der Sache so überzeugend, dass alle Kammern sich letztlich darüber einig waren. Aufgekommen war das Thema durch eine Initiative der Rechtsanwaltskammer Nürnberg Anfang des Jahres 2025, angeregt durch die von der BRAK und dem Institut für Prozess- und Anwaltsrecht veranstaltete Konferenzreihe „Anwaltschaft im Blick der Wissenschaft“, die im November 2024 unter dem Titel „Wie resilient ist die Anwaltschaft? – Herausforderungen für Rechtsstaat, anwaltliche Selbstverwaltung und Anwaltschaft angesichts erstarkender antidemokratischer Kräfte“ stattfand.3 3 S. dazu https://anwaltskonferenz.de/die-konferenz-2024/; ein Tagungsband ist in Vorbereitung. Themen waren dort u.a. konkrete Bedrohungen von Anwältinnen und Anwälten wegen ihrer beruflichen Tätigkeit, wie sie z.B. in der Studie des CCBE offenbar wurden,4 4 Zu der Untersuchung s. ausf. Nitschke, BRAK-Mitt. 2025, 8. rechtsextreme Netzwerke in der Anwaltschaft, der Umgang des Berufsrechts sowie der Selbstverwaltung mit politischen Extremisten, aber auch die Resilienz der Justiz und des Rechtsstaats. Auch die Demontage des Rechtsstaats in Polen und die schwierigen Bemühungen um seine Reparatur wurden thematisiert. Am Vorabend der Konferenz hatte die BRAK das von ihr herausgegebene und von Prof. Dr. Frank L. Schäfer verfasste Werk „Rechtsanwälte als Täter – die Geschichte der Reichs-Rechtsanwaltskammer“5 5 https://www.brak.de/publikationen/studie-rechtsanwaelte-als-taeter-geschichte-de r-rrak/. präsentiert, welches erstmals einen konzisen Blick darauf gewährt, wie aus einer anwaltlichen Selbstverwaltung ein politisch gesteuerter Umsetzungsapparat wurde, der tief in die Verfolgung und Entrechtung jüdischer und politisch missliebiger Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte verstrickt war. Aus der Essenz beider Veranstaltungen sah die Kammer Nürnberg die Besorgnis bestärkt, ob die Anwaltschaft resilient genug ist gegenüber populistischen und totalitären Kräften, denen es nicht um die Bewahrung der Rechtsstaatlichkeit geht. Sie wies darauf hin, dass die Hilfestellung durch einen unabhängigen, im Interesse der Mandanten, jedoch im Rahmen der Gesetze handelnden Rechtsanwalt lediglich einfachgesetzlich in §§ 3 und 1 BRAO geregelt ist. Sie kann also durch einfache Parlamentsmehrheiten geändert werden, etwa, indem die Berufsaufsicht in staatliche Hände gelegt wird oder die Zulassung zum Beruf durch politisch kontrollierte Behörden erfolgt.6 6 Zu ergänzen ist, dass die Zulassung zur Anwaltschaft und deren Widerruf einfachgesetzlich in §§ 7, 14 BRAO ausgestaltet sind; ihre Voraussetzungen könnten also ebenfalls mit einfacher Mehrheit geändert und z.B. von politischen Kriterien abhängig gemacht werden. Beides könne den verfassungsmäßig geschützten Zugang zum Recht erheblich behindern. Sie regte daher – unterstützt durch die beiden anderen bayerischen Rechtsanwaltskammern Bamberg und München – an, die BRAK möge sich beim Gesetzgeber dafür einsetzen, dass die Unabhängigkeit der Anwaltschaft verfassungsmäßig abgesichert wird. Die 82. Präsidentenkonferenz der BRAK am 13.3.2025 zeigte sich davon überzeugt und beschloss einstimmig, dass die BRAK entsprechend tätig werden soll. Die AG Sicherung des Rechtsstaates der BRAK erarbeitete daraufhin – federführend durch Prof. Dr. Christofer Lenz und Prof. Dr. Christoph Knauer, die als Vorsitzende der BRAK-Ausschüsse Verfassungsrecht und Strafprozessrecht der AG angehören – den nachfolgend vorgestellten Vorschlag, der schließlich von der Hauptversammlung der BRAK einstimmig beschlossen wurde. BUCHMANN/NITSCHKE, ZUGANG ZUM RECHT INS GRUNDGESETZ BRAK-MITTEILUNGEN 6/2025 AUFSÄTZE 414
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