BRAK-Mitteilungen 5/2025

Darlegungs- und Beweislast beim Mandanten Strafverteidigern wird dem Mandanten die Beweisführung dadurch erleichtert, dass eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, dass die vereinbarte Vergütung unangemessen hoch und das Mäßigungsgebot des § 3a III 1 RVG verletzt ist, wenn das Honorar mehr als das Fünffache der gesetzlichen Höchstgebühren beträgt. Infolge der faktischen Leitbildfunktion der gesetzlichen Gebührenordnung kann das Vertrauen des Rechtssuchenden in die Integrität der Anwaltschaft erschüttert werden, wenn sich der Rechtsanwalt ein Honorar versprechen lässt, dessen Höhe die gesetzlichen Gebühren um ein Mehrfaches übersteigt (BGH, Urt. v. 4.2.2010 – IX ZR 18/09, BGHZ 184, 209 Rn. 48). Dies gilt gleichermaßen für die Vereinbarung eines Pauschalhonorars (BGH, Urt. v. 4.2.2010, a.a.O. Rn. 47 ff.) wie für die Vereinbarung eines Zeithonorars eines Strafverteidigers (vgl. BGH, Urt. v. 19.5.2009 – IX ZR 174/06, WM 2009, 1379 Rn. 14; v. 21.10.2010 – IX ZR 37/10, NJW 2011, 63 Rn. 33). Mit Urt. v. 10.11.2016 (IX ZR 119/14, ZIP 2016, 2479) hat der Senat im Fall eines für eine Vertretung in Familiensachen vereinbarten Pauschalhonorars klargestellt, dass die in der Rechtsprechung des Senats für die Honorare von Strafverteidigern aufgestellte Vermutung für die Unangemessenheit der vereinbarten Vergütung auch für Honorare in zivilrechtlichen Streitigkeiten gilt. Die gesetzlichen Gebühren in zivilrechtlichen Streitigkeiten bieten ebenfalls einen ersten Orientierungspunkt, so dass es gerechtfertigt ist, die für die Honorare von Strafverteidigern von der Rechtsprechung des Senats entwickelte Vermutung auch in zivilrechtlichen Streitigkeiten anzuwenden (BGH, Urt. v. 10.11.2016, a.a.O. Rn. 27). Für die Vereinbarung eines Zeithonorars in zivilrechtlichen Streitigkeiten – wie hier – gilt nichts anderes. [17] Überschreitet die vereinbarte Vergütung die entsprechenden fiktiven gesetzlichen Gebühren um nicht mehr als das Fünffache, muss der Mandant darlegen und ggf. beweisen, dass die vereinbarte Vergütung unter Berücksichtigung aller Umstände unangemessen hoch ist. Bei einem Überschreiten um mehr als das Fünffache muss hingegen der Rechtsanwalt die tatsächliche Vermutung für die Unangemessenheit des Honorars widerlegen. Hierzu genügt der Nachweis, dass die vereinbarte Vergütung im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände gleichwohl angemessen ist (BGH, Urt. v. 4.2.2010 – IX ZR 18/09, BGHZ 184, 209 Rn. 49). Ist – wie im Streitfall – die Angemessenheit eines vereinbarten Zeithonorars zu beurteilen, wird dem von den Parteien gewählten Vergütungsmodell am ehesten dadurch Rechnung getragen, wenn vornehmlich auf die Angemessenheit dieser Honorarform im konkreten Fall sowie auf die Angemessenheit des ausgehandelten Stundensatzes und der Bearbeitungszeit abgestellt wird (vgl. BVerfG, AnwBl 2009, 650, 653; BGH, Urt. v. 4.2.2010, a.a.O. Rn. 73; v. 21.10.2010 – IX ZR 37/10, NJW 2011, 63 Rn. 13 ff.). [18] Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das vereinbarte zeitabhängige Honorar nicht unangemessen Würdigung der Besonderheiten des Einzelfalls hoch i.S.d. § 3a III 1 RVG ist, wenn die vereinbarte Honorarform unter Würdigung der Besonderheiten des Einzelfalls sachgerecht erscheint, der vereinbarte Stundensatz nicht außergewöhnlich hoch und die geltend gemachte Bearbeitungszeit angemessen ist. Denn eine aufwandsangemessene anwaltliche Vergütungsvereinbarung kann nicht unangemessen hoch sein (vgl. BGH, Urt. v. 3.4.2003 – IX ZR 113/02, NJW 2003, 2386, 2387 zur Sittenwidrigkeit der Vergütungsvereinbarung). Die in der Rechtsprechung des Senats zur Angemessenheit eines Pauschalhonorars entwickelten Faktoren wie etwa die Bedeutung der Sache für den Mandanten, das Ziel, das der Mandant mit dem Auftrag angestrebt hat, der Umfang, in dem dieses Ziel durch die Tätigkeit des Anwalts erreicht wurde und die Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, haben demgegenüber bei der Angemessenheit eines Zeithonorars regelmäßig nur eine geringere Bedeutung. Diese Faktoren sind vielmehr vorrangig bei der Angemessenheit eines Pauschalhonorars zu prüfen. [19] 3. Im Streitfall kann mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung schon kein fünffaches Überschreiten der gesetzlichen Gebühren angenommen werden. Anders als das Berufungsgericht meint, ist bei der Ermittlung des für die tatsächliche Vermutung maßgeblichen Quotienten nicht auf das Verhältnis des Gesamthonorars zur Summe der aus der Gesamtheit aller dem Kl. für die beauftragten Tätigkeiten entstehenden gesetzlichen Gebühren abzustellen. Vielmehr sind auf der Grundlage der vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen die von den Parteien so bezeichneten Mandate A., G., N., K., B. und Rechnungsumschreibung je für sich zu betrachten und hieran zu messen, ob das vereinbarte Honorar für die insoweit jeweils angefallenen Tätigkeiten die hierfür fiktiv anfallenden gesetzlichen Gebühren um ein Fünffaches überschreitet. [20] a) In der überwiegenden Anzahl der vom Senat entschiedenen Fälle zur Frage, ob ein vereinbartes Honorar sittenwidrig überhöht (§ 138 BGB) oder unangemessen hoch (§ 3a III 1 RVG) ist, hatte der Mandant dem Rechtsanwalt lediglich einen einzelnen Auftrag betreffend die Vertretung in einer Rechtsstreitigkeit erteilt. In diesen Fällen lag auf der Hand, dass das vereinbarte Honorar und die hierfür fiktiv anfallenden gesetzlichen Gebühren einander gegenüberzustellen waren (vgl. etwa BGH, Urt. v. 27.1.2005 – IX ZR 273/02, BGHZ 162, 98, 105). Im Fall eines Dauermandats, in dessen Rahmen der Rechtsanwalt u.a. in mehreren Zivilprozessen und einem arbeitsgerichtlichen Verfahren tätig geworden war, hat der Senat für die Prüfung der Sittenwidrigkeit der Vergütungsvereinbarung den gesetzlichen Gebührenanspruch des Rechtsanwalts für die im Rahmen des Dauermandats geführten Zivil- und Arbeitsgerichtsverfahren mit dem insgesamt nach der Vergütungsvereinbarung in Rechnung gestellten Betrag verglichen (BGH, Urt. v. 3.4.2003 – IX ZR 113/02, NJW 2003, 2386, 2387). BRAK-MITTEILUNGEN 5/2025 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 394

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