[46] (aaa) Bereits der Umstand, dass die unmittelbare kein gleichwertige Alternative Geltung aller anwaltlichen Berufspflichten in dem in § 59e BRAO vorgesehenen Umfang für eine nicht anwaltlich tätige Steuerberatungsgesellschaft – ebenso wie für nichtanwaltliche Berufsträger (vgl. BT-Drs. 19/ 27670, 181) – nicht sinnvoll möglich wäre, sondern allenfalls eine Verpflichtung im Umfang des § 59d BRAO als Alternative in Betracht käme, durfte den Gesetzgeber dazu veranlassen, die o.g. alternative Lösungsmöglichkeit nicht als in jeder Hinsicht gleichwertig anzusehen. [47] (bbb) Auch im Hinblick auf die Kammeraufsicht musste der Gesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Gründen weder die Unterstellung der Steuerberatungsgesellschaft unter die Aufsicht der Rechtsanwaltskammer noch die Ausdehnung der Überwachungspflichten der Steuerberaterkammer auf anwaltliche Berufspflichten als in jeder Hinsicht gleichwertige Alternativen ansehen und war demnach nicht aus Gründen der Erforderlichkeit an der von ihm gewählten Lösung gehindert. Die erstgenannte Möglichkeit hätte anderweitige nachteilige Folgen wie eine doppelte Kammerzugehörigkeit und -aufsicht mit entsprechenden Abgrenzungsschwierigkeiten sowie die Aufnahme berufsfremder Kammermitglieder. Letzteres hat der Gesetzgeber für die als Gesellschafter an einer anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft nach der BRAK beteiligten berufsfremden Berufsträger, die nicht als Mitglieder des Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgans tätig sind, bewusst auch im Hinblick darauf abgelehnt, dass die Aufnahme einer Vielzahl von berufsfremden Mitgliedern mit dem Kammerauftrag der Interessenvertretung und Beratung der Anwaltschaft nur schwer zu vereinbaren sei und zudem fraglich wäre, ob die Rechtsanwaltskammern die Interessen von anderen Berufsgruppen adäquat wahrnehmen könnten (BT-Drs. 19/27670, 178). Diese Erwägungen durfte der Gesetzgeber auch hinsichtlich der Aufnahme von berufsfremden Berufsausübungsgesellschaften zugrunde legen und vor diesem Hintergrund die Alternativlösung einer Kammermitgliedschaft von berufsfremden Berufsausübungsgesellschaften in der Rechtsanwaltskammer für eine nicht gleichwertige Maßnahme halten. Gleiches gilt für eine alternativ denkbare Ausdehnung der Überwachungspflichten der Steuerberatungskammer auf die Einhaltung der anwaltlichen Berufspflichten. Der Gesetzgeber durfte im Rahmen der Erforderlichkeit davon ausgehen, dass im Hinblick auf die Beachtung der für die Rechtsanwaltschaft zentralen Berufspflichten eine Berufsaufsicht durch die Rechtsanwaltskammer wirksamer ist als eine solche durch die Steuerberaterkammer (vgl. Senat, Beschl. v. 11.11.2024 – AnwZ (Brfg) 35/23, NJW 2025, 660 Rn. 58). [48] (dd) Nach alledem durfte der Gesetzgeber im Rahmen seines weiten Einschätzungsspielraums die Beschränkung des Gesellschafterkreises einer anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft auf zugelassene Berufsausübungsgesellschaften im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege für erforderlich halten. [49] (d) Schließlich ist der durch die gesetzliche Regelung bewirkte Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit einer Steuerberatungsgesellschaft wie der Kl., die aufgrund des Umstands, dass eine ihrer Gesellschafterinnen eine Steuerberatungsgesellschaft ist, nicht als Berufsausübungsgesellschaft nach der BRAO zugelassen werden kann, bei einer Gesamtabwägung zumutbar. [50] Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts zumutbarer Eingriff der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe v. 7.7.2021 (BGBl. I S. 2363) hat der Gesetzgeber der Anwaltschaft und der Patentanwaltschaft sowie den Steuerberaterinnen und Steuerberatern weitgehende gesellschaftsrechtliche Organisationsfreiheit gewährt. Den genannten Berufsgruppen steht es frei, sich in einer Vielzahl von Rechtsformen zur gemeinschaftlichen Berufsausübung zu verbinden. Zulässig ist dabei – soweit in der vorliegenden Konstellation relevant – zunächst die hier vorliegende Verbindung zweier Steuerberatungsgesellschaften zu einer doppelstöckigen Steuerberatungsgesellschaft, der die umfassende Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen zukommt, die bei der Verbindung zweier Steuerberatungsgesellschaften zur gemeinsamen Berufsausübung den Kern der geschäftlichen Tätigkeit darstellen dürfte. Zulässig wäre auch die Beteiligung einer anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft, einer anerkannten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und einer anerkannten Buchprüfungsgesellschaft an der Steuerberatungsgesellschaft (vgl. § 55a I 1 StBerG). Gemäß § 59c I 1 Nr. 1 BRAO ist zudem der Zusammenschluss von Rechtsanwälten und Steuerberatern in einer Berufsausübungsgemeinschaft nach der BRAO möglich. Der Weg zu einer gemeinsamen Berufsausübung von Rechtsanwälten und Steuerberatern in Form einer Rechtsanwaltsgesellschaft steht diesen also offen, wobei hierfür verschiedene gesellschaftsrechtliche Rechtsformen genutzt werden können (vgl. § 59b II 1 BRAO). [51] Durch die streitgegenständliche Regelung wird allein die Möglichkeit der Berufsausübung in einer doppelstöckigen berufsgruppenübergreifenden Rechtsanwaltsgesellschaft ausgeschlossen. Dies hat in der hier maßgeblichen Konstellation zur Folge, dass eine Steuerberatungsgesellschaft, an der eine andere Steuerberatungsgesellschaft beteiligt ist, als solche von der Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten ausgeschlossen ist. Mandate, die über die einer Steuerberatungsgesellschaft gem. § 3 S. 1 Nr. 2 StBerG erlaubte Hilfeleistung in Steuersachen hinausgehen, dürfen von ihr nicht selbst übernommen werden, sondern allenfalls von einem für die Gesellschaft tätigen Rechtsanwalt auf der Grundlage einer persönlich an diesen gerichteten Beauftragung. [52] Dieser Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit hat jedoch insb. vor dem Hintergrund der unberührten SOZIETÄTSRECHT BRAK-MITTEILUNGEN 5/2025 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 388
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