BRAK-Mitteilungen 5/2025

rechtigt, auf die sich ihre Schweigepflicht bezieht. Bei diesem durch die berufliche Funktion des Zeugen bedingten Zeugnisverweigerungsrecht ist es somit entscheidend, ob das konkrete Beweisthema zu einem Konflikt mit dem berufsspezifischen Vertrauenstatbestand führen kann (Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 383 Rn. 1a), wobei es nicht notwendig nur um die Vertrauenssphäre der Parteien, sondern – wie hier – auch um diejenige von Dritten gehen kann (Zöller/Greger, a.a.O. Rn. 16). Zu den Personen, die berufsbedingt das Zeugnis verweigern können, gehören auch Rechtsanwälte. Unter die Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts fällt gem. § 43a II BRAO alles, was ihm in Ausübung seines Berufs bekannt geworden ist, ohne dass es darauf ankommt, von wem und auf welche Weise er sein Wissen erworben hat (BGH, Beschl. v. 16.2.2011 – IV ZB 23/09 Rn. 10). Umfasst sind alle Tatsachen, die eine Beziehung zum Mandanten persönlich haben, die ihn jedenfalls betreffen, auch wenn nicht er selbst sie dem Anwalt persönlich anvertraut hat (Wieczorek/Schütze/ Ahrens, ZPO, 5. Aufl. 2024, § 383 Rn. 64 m.w.N.). [16] Gemessen daran kann sich der Zeuge Dr. X aufgrund des zur K Holding S.A. bestehenden Mandatsverhältnisses berechtigterweise auf ein Zeugnisverweigerungsrecht stützen. [17] a) Dass die K Holding S.A. als Gesellschaft existierte, der Zeuge von dieser jedenfalls auch als Rechtsanwalt mandatiert worden war und das Mandat die rechtliche Beratung und Begleitung der Übernahme des Unternehmens der Schuldnerin in den Konzern der K Holding S.A. durch die von ihr eingesetzte Tochter- und Erwerbsgesellschaft, die Käuferin, umfasste, ergibt sich nicht nur aus der Stellungnahme des Zeugen v. 18.3. 2025 (Bl. 1650 GA-LG unten), sondern auch aus dem Vortrag des Kl. Soweit sein diesbezüglich unklares Vorbringen im Schriftsatz v. 16.7.2018 (Bl. 534 ff. GA-LG) und im Zwischenstreit dahingehend verstanden werden könnte, es habe aus seiner Sicht ausschließlich ein Mandatsverhältnis zwischen dem Zeugen und der Käuferin bestanden, wird dieses durch sein Vorbringen bereits in der Klageschrift widerlegt. Dort hatte der Kl. vorgetragen, dass die K Holding S.A. die Erwerberin gewesen sei. Diese habe als Muttergesellschaft das Betriebsvermögen durch eine Tochtergesellschaft, also eine reine Erwerbsgesellschaft bzw. ein sog. Kaufvehikel, erwerben wollen. Dementsprechend hatte, so der Kl., der Gläubigerausschluss am 10.2.2016 beschlossen, dem „Angebot der K Holding S.A.“ (vgl. dazu: Bl. 551 ff. GALG) den Zuschlag zu erteilen. Ferner, so der Kl. weiter in der Klageschrift, übersandte seine Vertreterin, die Zeugin Dr. A, am 21.2.2016 dem „rechtsanwaltlichen Vertreter der Erwerberin, Herrn Rechtsanwalt X, auf Grundlage der geführten Gespräche eine E-Mail, welche die von den Parteien erörterten Änderungen“ skizziert habe. Auch im Schriftsatz v. 6.3.2018 führt der Kl. aus, der Zeuge sei der Verhandlungsführer auf Seiten der K Holding S.A. gewesen (Bl. 373 GA-LG). Eine – erst recht nachvollziehbare – Abstandnahme von diesem Vorbringen hat der Kl. nicht erklärt. [18] b) Das Beweisthema, nämlich der Inhalt der zwischen den notariellen Verträgen v. 10.2.2016 und v. 23.2.2016 geführten Gespräche zwischen den Verhandlungsführern des Kl. und der Erwerberseite, insb. etwaig mündlich getroffene ergänzende vertragliche Vereinbarungen, ist ohne Weiteres geeignet, die Interessen der K Holding S.A. unmittelbar zu beeinträchtigen. Zwar mag im formal-juristischen Sinn nicht die K Holding S.A., sondern die Käuferin unmittelbare Vertragspartnerin des Kl. gewesen sein. Gleichwohl werden durch die jeweilige Vertragsgestaltung die wirtschaftlichen Interessen der Muttergesellschaft hiervon gleichermaßen betroffen. Allen Beteiligten, insb. auch dem Kl., war – wie er selbst in der Klageschrift ausführt – aufgrund des Angebots der K Holding S.A. bewusst, dass die Käuferin nur Erwerbsgesellschaft war und als – so der Kl. – „Übernahmevehikel“ fungierte, um das zu übernehmende Unternehmen, die Schuldnerin, in den Konzern der K Holding S.A. einzugliedern. Als Muttergesellschaft teilte sie indessen die wirtschaftlichen Interessen ihrer Tochtergesellschaft unmittelbar. [19] Ungeachtet der von einer etwaigen Vertragsgestaltung ausgehenden wirtschaftlichen Auswirkung auf die Interessen der K Holding S.A. können der von dem Zeugen Dr. X wiederzugebende Gesprächsinhalt und insb. dessen Hintergründe zudem geeignet sein, wesentlich weitergehende Interessen der K Holding S.A. zu beeinträchtigen. Wie der Bekl. zu 2) zutreffend ausführt, ohne dass der Kl. oder der Zeuge dem erheblich entgegengetreten wären, gibt es nicht unerhebliche Anhaltspunkte dafür, dass auch Schadensersatzansprüche aus § 826 und § 823 II BGB i.V.m. § 263 StGB gegen die K Holding S.A. gegeben sein könnten. Insoweit kommt in Betracht, dass das Verhalten der Organe der K Holding S.A. den Tatbestand des Eingehungsbetrugs erfüllen könnte. Ausweislich des Akteninhalts stand der Käuferin offensichtlich kein – von ihrer Muttergesellschaft beizubringendes – hinreichendes Eigenkapital zur Verfügung. Sie hatte deshalb keine Zahlungen auf den ersten Unternehmenskaufvertrag bis zum 19.2.2016 geleistet und konnte dies auch nicht, worüber sie zunächst getäuscht hatte. Die mangelnde Kapitalausstattung der Tochtergesellschaft, ihre fehlende Zahlungsfähigkeit und die Täuschung darüber waren, wie die E-Mail der Zeugin Dr. A v. 21.2.2016 an den Zeugen Dr. X erweist, offensichtlich bereits vor Abschluss des Änderungsvertrags Gegenstand ausführlicher Erörterungen der Parteien (vgl. Bl. 100 GA-LG: „[...] Als Geschäftsfähige Personen war es die Entscheidung der Handelnden, ohne Zahlungsfähigkeit entsprechende Verpflichtungen zu übernehmen. Über die deliktischen und evt. anderen rechtlichen Folgen haben Sie wohl auch schon aufgeklärt. Wohingegen wir noch am Donnerstag in der Besprechung im Unternehmen in dem Glauben gelassen wurden, die Zahlung sei eine technische Frage der Überweisung des Geldes mit eventuell zeitlichem Verzug von einigen Stunden, ohne dass die Ungewissheit der Auszahlung am Freitag, den 19.02., erklärt wurde. [...].“). Nachdem die von der K Holding S.A. – konBERUFSRECHTE UND PFLICHTEN BRAK-MITTEILUNGEN 5/2025 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 376

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