BRAK-Mitteilungen 5/2025

ensverhältnis unverzichtbar. In Anbetracht der möglichen Folgen, die ein gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen Beschuldigtem und Verteidiger auch für die Arbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft während des Ermittlungsverfahrens haben kann, liegt es zudem im öffentlichen Interesse, Störungen des Vertrauensverhältnisses auch in diesem Stadium zu vermeiden. Entgegen der Auffassung des Ast. ist dabei nicht maßgeblich, dass unmittelbarer Adressat des § 43a II 1 BRAO unzweifelhaft der Rechtsanwalt und nicht die nach Art. 4 I 1 BayPrG auskunftsverpflichtete Stelle ist. Wie bspw. auch das Steuergeheimnis (§ 30 AO) hat die Staatsanwaltschaft ebenso die Geheimhaltungsvorschrift des § 43a II 1 BRAO im Rahmen ihrer Abwägungsentscheidung zu beachten, sobald sie anlässlich eines strafrechtlichen nicht öffentlichen Ermittlungsverfahrens (zwangsläufig) den unter § 43a II 1 BRAO fallenden Namen des Strafverteidigers des Beschuldigten erfährt (vgl. zur „Beachtenspflicht“ von Berufsgeheimnissen im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes OVG BerlinBbg, Beschl. v. 20.12.2019 – OVG 6 S 58.19 Rn. 16). Das Mandantengeheimnis könnte ansonsten dadurch ausgehebelt werden, dass Strafverfolgungsbehörden Informationen unbegrenzt herausgeben. [32] Der Ast. dringt nicht mit dem Vortrag durch, die begehrte Kontaktaufnahme mit dem Strafverteidiger beeinträchtige keine privaten oder öffentlichen Belange. Zum einen stellt die Aufdeckung geheimhaltungsbedürftiger Informationen schon für sich genommen eine Beeinträchtigung der Interessen dar, die den Geheimhaltungsvorschriften zugrunde liegen. Zum anderen ist nicht auszuschließen, dass die Presse in einem Stadium, in dem die Beteiligten des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gerade unbehelligt von Öffentlichkeit und Presse tätig werden sollen, versucht, durch eine entsprechende Berichterstattung Einfluss auf den Strafverteidiger zu nehmen, wenn dieser eine Zusammenarbeit mit den Medien ablehnt. Dies kann sowohl die ungestörte Tätigkeit des Strafverteidigers als auch das Vertrauensverhältnis zu seinem Mandanten nachhaltig beeinträchtigen, insb. weil nicht auszuschließen ist, dass der begehrte Name des Strafverteidigers an andere Medienvertreter weitergegeben wird und diese dann den Strafverteidiger ebenfalls kontaktieren und/oder über ihn berichten. [33] b) Demgegenüber ist im Stadium des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens das vom Ast. geltend gemachte gesteigerte Informationsinteresse an der Berichterstattung über das mutmaßliche Kapitalverbrechen geringer zu bewerten als die zuvor aufgezeigten Geheimhaltungsinteressen. [34] Der Schutz der Pressefreiheit reicht von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung. Der publizistischen Vorbereitungstätigkeit ist besonderes Gewicht beizulegen (BVerwG, Urt. v. 1.10.2024 – 6 C 35.13 Rn. 24 m.w.N.). Erst der prinzipiell ungehinderte Zugang zu Informationen versetzt die Presse in den Stand, die ihr in der freiheitlichen Demokratie zukommende Funktion wirksam wahrzunehmen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.7.2015 – 1 BvR 1452/13 Rn. 14). Sinn und Zweck der daraus folgenden Auskunftspflichten ist es, der Presse zu ermöglichen, umfassend und wahrheitsgetreu Informationen über Geschehnisse von öffentlichem Interesse im staatlichen Bereich zu erhalten und dadurch in die Lage versetzt zu werden, die Öffentlichkeit entsprechend zu unterrichten. Auf diese Weise kann der Staatsbürger zutreffende und umfassende Informationen über tatsächliche Vorgänge und Verhältnisse, Missstände, Meinungen und Gefahren erhalten, die ihm sonst verborgen bleiben würden, die aber Bedeutung für eine abgewogene Beurteilung der für seine Meinungsbildung essenziellen Fragen haben könnten. Erst diese für eine möglichst unverfälschte Erkenntnis notwendige Übersicht über Tatsachen und Meinungen, Absichten und Erklärungen ermöglicht eine eigene Willensbildung und damit die Teilnahme am demokratischen Entscheidungsprozess überhaupt (vgl. BayVGH, Beschl. v. 7.8.2006 – 7 BV 05.2582 Rn. 35). [35] Der Inhalt des presserechtlichen Auskunftsanspruchs bestimmt sich durch die Aufgaben, die die Presse erfüllt (vgl. Art. 3 BayPrG). Ihr kommt neben der Informationsfunktion auch eine Kontrollfunktion zu (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.9.2015 – 1 BvR 857/15 Rn. 16). Bei der Recherche und Berichterstattung über ein Strafverfahren reicht der Schutz der Pressefreiheit weiter als in Fällen, in denen die Presse eine Berichterstattung über private Umstände zu Unterhaltungszwecken anstrebt, da staatliche Gewalt – überdies in besonders einschneidender Weise – ausgeübt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 1.10.2014 – 6 C 35.13 Rn. 26). Straftaten gehören zum Zeitgeschehen, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen, begründen grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Tat in Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt. Bei schweren Gewaltverbrechen ist in der Regel ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Interesse an näherer Information über die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters und seine Motive sowie über die Strafverfolgung anzuerkennen (BVerfG, Urt. v. 5.6.1973 – 1 BvR 536/72 Rn. 63; Beschl. v. 10.6.2009 – 1 BvR 1107/ 09Rn. 18). [36] Da die Art und Weise der Informationsbeschaffung der Presse grundrechtlich geschützt ist, darf die Durchsetzung ihres Informationsinteresses nicht von einer staatlichen Inhaltsbewertung des Informationsanliegens abhängig gemacht werden; denn die Presse entscheidet selbst, was sie des öffentlichen Interesses für Wert hält und was nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.3.2016 – 6 C 65.14 Rn. 18 f.), weshalb jede Art der Selektion der Medien durch die auskunftspflichtigen staatlichen Stellen nach Seriosität und Zuverlässigkeit oder etwa BERUFSRECHTE UND PFLICHTEN BRAK-MITTEILUNGEN 5/2025 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 372

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