AUS DEN GRÜNDEN: [1] I. Der Ast. macht als Journalist und Redakteur für die Zeitung „Bild“ im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einen presserechtlichen Auskunftsanspruch gegenüber dem Ag. geltend. [2] Laut polizeilicher Pressemitteilung v. 15.5.2025 nahm die Polizei am 14.5.2025 einen 29-jährigen Mann in der Stadt M. fest, der im Rahmen einer polizeilichen Personenkontrolle angegeben hatte, am Abend zuvor einen Mann in dessen Wohnung im Stadtteil F. lebensgefährlich verletzt zu haben. Wenig später wurde in der betreffenden Wohnung – so in der Pressemitteilung weiter – der 59-jährige Wohnungsinhaber tot aufgefunden. [3] Am 15.5.2025 luden die Staatsanwaltschaft M. und das Polizeipräsidium M. Journalisten zu einer Pressekonferenz, in der über die Festnahme des 29-jährigen Tatverdächtigen wegen eines vollendeten Tötungsdelikts informiert und der aktuelle Stand der Ermittlungen bekannt gegeben wurde. [4] Einen Tag später bat der Ast. die Pressestelle der Staatsanwaltschaft M. unter Berufung auf eine Entscheidung des Hamburgischen OVG v. 7.4.2025 – 3 Bs 20/25 – per E-Mail um Auskunft, wie der Anwalt des Tatverdächtigen heiße, der im Stadtteil F. einen 59-jährigen Mann getötet haben soll. [5] Die Pressestelle der Staatsanwaltschaft M. verweigerte mit E-Mail v. 19.5.2025 die vom Ast. begehrte Auskunft. Die Namen von Verteidigern in laufenden Ermittlungsverfahren würden nicht mitgeteilt, da die Entscheidung, welchen Verteidiger sich ein Beschuldigter nehme, Teil des Mandantengeheimnisses sei, das nicht durch Justizpressesprecher gelüftet werden dürfe. Der Justitiar des Verlags, bei dem der Ast. tätig ist, verlangte daraufhin im Namen des Ast. am gleichen Tag erneut die Erteilung der begehrten Auskunft bis 20.5.2025, 12 Uhr. Eine Reaktion der Pressestelle der Staatsanwaltschaft M. erfolgte hierauf nicht. [6] Am 6.6.2025 suchte der Ast. um einstweiligen Rechtsschutz beim VG nach und beantragte, den Ag. im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Auskunft über folgende Frage zu geben: „Wer ist der Strafverteidiger des Beschuldigten, der am 13.5. 2025 im Stadtteil F. einen 59-jährigen Mann getötet haben soll?“ [7] Das VG lehnte den Antrag mit Beschluss v. 18.6. 2025 ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Recht zur Auskunftsverweigerung des Ag. nach Art. 4 II 2 BayPrG bestehe, da die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht des § 43a II 1 BRAO betroffen sei. Im vorliegenden Einzelfall überwiege der verfassungsrechtlich verbürgte Schutz der rechtsstaatlichen Rechtspflege in seiner konkreten, einfachrechtlichen Ausformung durch das Mandantengeheimnis in § 43a II 1 BRAO die ebenfalls grundrechtlich geschützte Pressefreiheit und den damit einhergehenden Anspruch aus Art. 4 I 1 BayPrG, zumal dem Interesse der Öffentlichkeit bereits durch eine Pressemitteilung des Polizeipräsidiums M. und einer von Polizei und Staatsanwaltschaft veranstalteten Pressekonferenz Rechnung getragen worden sei. Mit dem Aspekt des Mandantengeheimnisses habe sich die vom Ast. für seinen Auskunftsanspruch in Bezug genommene Entscheidung des Hamburgischen OVG nicht auseinandergesetzt. [8] Gegen den Beschluss des VG wendet sich der Ast. mit seiner Beschwerde. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, entgegen der Feststellung des VG sei ein Anordnungsanspruch für die begehrte Auskunft gegeben. Die Verschwiegenheitspflicht gem. § 43a II 1 BRAO stelle keinen Grund für die Auskunftsverweigerung dar. Sie schütze nur den Mandanten; ein Geheimhaltungsinteresse des beauftragten Rechtsanwalts bestehe hingegen nicht. § 43a II 1 BRAO betreffe das bilaterale Verhältnis von Rechtsanwalt und Mandant. Der Ag. sei nicht Teil dieses Verhältnisses und insofern auch nicht Adressat der Norm. Im Übrigen schränke die Offenlegung des Namens des Pflichtverteidigers das von § 43a II 1 BRAO mitgeschützte Interesse der Allgemeinheit an einer rechtsstaatlichen Rechtspflege nicht ein. Da ausschließlich der Name des Strafverteidigers begehrt werde, bleibe das Mandatsverhältnis auch bei Erteilung der begehrten Auskunft geschützt. Ziel des Auskunftsantrags sei lediglich die Möglichkeit einer Kontaktaufnahme der Presse mit dem Strafverteidiger. Eine solche betreffe weder das Mandatsverhältnis noch das Interesse an einer rechtsstaatlichen Rechtspflege. Eine Kontaktaufnahme der Presse mit dem Pflichtverteidiger stärke vielmehr das Vertrauen der Allgemeinheit in eine rechtsstaatliche Rechtspflege, indem neben der sich aus der Pressemitteilung und der Pressekonferenz ergebenden Perspektive der Strafverfolgungsbehörden eine andere eingenommen und unter Berücksichtigung der journalistischen Sorgfaltspflicht vor einer Verdachtsberichterstattung eine Anhörung des Beschuldigten ermöglicht werde. Zudem überwiege das verfassungsrechtlich besonders geschützte Informationsinteresse des Ast. das Mandantengeheimnis selbst bei Unterstellung seiner Betroffenheit. Die Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts gelte entgegen der Auffassung des VG nicht uneingeschränkt, was auch aus § 2 III BORA folge, sondern sei im Rahmen der Interessenabwägung der auskunftsverpflichteten Stelle zu berücksichtigen. Dabei sei – im Unterschied zum besonderen Informationsinteresse der Allgemeinheit und des Ast. – die Verschwiegenheitspflicht, wenn man sie überhaupt annehme, allenfalls von geringem Gewicht betroffen. Es gehe um die isolierte Offenlegung des Namens des Pflichtverteidigers ohne Nennung des Namens des Mandanten und ohne Informationen zum konkreten Ermittlungsverfahren oder zum Inhalt des Mandats an sich. Darüber hinaus liege auch ein Anordnungsgrund vor, da der dafür nötige Gegenwartsbezug und das öffentliche Interesse gegeben seien. [9] Der Ast. beantragt, [10] den Beschluss des VG aufzuheben und dem Ag. im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, dem BERUFSRECHTE UND PFLICHTEN BRAK-MITTEILUNGEN 5/2025 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 368
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