BRAK-Mitteilungen 5/2025

1017 – Preisänderungsregelung; vgl. auch BGH, Urt. v. 16.11.2004 – VI ZR 298/03, WRP 2005, 236 Rn. 18 bis 20). Für die Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses reicht es nicht aus, dass eine außergerichtliche Auseinandersetzung – wie stets – in eine gerichtliche Auseinandersetzung münden kann (BGH, GRUR 2020, 886 Rn. 22 – Preisänderungsregelung; Koch, WRP 2019, 1259 Rn. 31; vgl. auch BGH, WRP 2005, 236 Rn. 19 f.). [14] bb) Von diesen Grundsätzen ausgehend hat das Berufungsgericht angenommen, der Kl. fehle für den Klageantrag zu 1 das Rechtsschutzbedürfnis. Das auf die Unterlassung von Äußerungen in Inkassoschreiben beschränkte Verbot wirkte zwar in einem nachfolgenden gerichtlichen Verfahren nicht fort. Der Klageantrag betreffe jedoch die Rechtsverfolgung der Bekl. für ihre Mandanten an sich, die ihr nicht untersagt werden könne. Die Bekl. als Inkassodienstleistungen anbietende Rechtsanwaltskanzlei sei darauf angewiesen, für ihre Mandanten Forderungen aus (behaupteten) Mietverträgen geltend machen zu können. Dabei sei sie nach § 43d I Nr. 2 BRAO verpflichtet, in solchen Inkassoschreiben an Privatpersonen Angaben zum Forderungsgrund, also zu Gegenstand und Datum des Vertrags, zu machen. Würden der Bekl. diese Angaben für den Fall eines fehlenden Mietvertragsverhältnisses verboten, müsste sie befürchten, in Fällen, in denen der Verbraucher einen Vertragsschluss in Abrede stelle, gegen den Unterlassungstitel zu verstoßen und mit einem Ordnungsmittelverfahren konfrontiert zu werden. Dies wäre mit ihrer Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege unvereinbar und stellte einen unzulässigen Eingriff in den Kernbereich ihrer anwaltlichen Tätigkeit dar. Die Bekl. könnte die Einleitung eines Ordnungsmittelverfahrens nur verhindern, wenn sie die Inkassotätigkeit für Forderungen aus Mietverträgen einstellte oder vor jedem Inkassoschreiben das Vorliegen eines wirksamen Vertragsschlusses überprüfte. Das sei ihr weder rechtsverbindlich möglich noch zumutbar. Zu derartigen Ermittlungen sei sie berufsrechtlich nicht verpflichtet. [15] cc) Mit dieser Begründung kann ein RechtsschutzRechtsschutzbedürfnis zu Unrecht verneint bedürfnis der Kl. hinsichtlich des Klageantrags zu 1 nicht verneint werden. [16] (1) In einem für die Mandantin nachfolgend geführten Prozess auf Begleichung einer Mietzinsforderung wäre der Bekl. nicht die Behauptung untersagt, der Verbraucher habe mit der Mandantin einen Mietvertrag abgeschlossen. Das gilt auch dann, wenn – wie die Revisionserwiderung anführt – die Bekl. im Streitfall von der G. Gr. GmbH nicht nur zur außergerichtlichen, sondern auch bereits zur gerichtlichen Geltendmachung der Forderung bevollmächtigt gewesen sein sollte. Auch in diesem Fall stellten eine von der Bekl. in einem vorgerichtlichen Inkassoschreiben aufgestellte Behauptung des Abschlusses eines Mietvertrags und ein entsprechender Vortrag in einem gerichtlichen Schriftsatz keine untrennbare Einheit dar (vgl. Koch, WRP 2019, 1259 Rn. 31). Dass der Bekl. bei einer Verurteilung nach dem von der Kl. begehrten Klageantrag zu 1 eine außergerichtliche Beitreibung möglicher Mietzinsforderungen ihrer Mandanten gegenüber Verbrauchern ggf. unzumutbar erschwert wäre (dazu II.1b), schließt das Rechtsschutzbedürfnis der Kl. nicht aus (vgl. BGH, WRP 2005, 236 Rn. 19 f.). [17] (2) Die Revisionserwiderung wendet vergeblich ein, da nach dem begehrten Unterlassungstenor zu 1 die Bekl. wegen des oft zweifelhaften Bestands des Mietverhältnisses faktisch daran gehindert wäre, etwaige daraus resultierende Ansprüche ihrer Mandanten außergerichtlich geltend zu machen, wäre sie zu einem unmittelbaren gerichtlichen Vorgehen gehalten. Die Beschränkung der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung wirke sich daher in einem gerichtlichen Verfahren in der Weise aus, dass der Mandant mangels einer außergerichtlichen Zahlungsaufforderung keine Verzugszinsen geltend machen könne und dem Risiko ausgesetzt sei, im Fall eines sofortigen Anerkenntnisses gem. § 93 ZPO die Kosten des Rechtsstreits tragen zu müssen. Die Bekl. wird durch eine Untersagung, in einem Inkassoschreiben unzutreffend den Abschluss eines Mietvertrags zu behaupten, nicht daran gehindert, mit dieser Behauptung vermeintliche Ansprüche ihrer Mandanten aus einem Mietverhältnis einzuklagen. Der Mandant kann durch eine eigene vorgerichtliche Zahlungsaufforderung den Gegner in Verzug setzen und so ein für ihn kostennachteiliges sofortiges Anerkenntnis der Klageforderung vermeiden. Auch im Streitfall hatte ausweislich des Inkassoschreibens der Bekl. die G. Gr. GmbH bereits vor der Beauftragung der Bekl. ein Mahnschreiben an den Verbraucher versandt. [18] b) Die zum Nachteil der Kl. ergangene Entscheidung des Berufungsgerichts über den Klageantrag zu 1 stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Zwar ist die Klage auch ansonsten zulässig; insb. ist die Kl. nach § 8 III Nr. 3 UWG klagebefugt. Der mit dem Klageantrag zu 1 geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist aber in der Sache nicht gegeben. [19] aa) Soweit das Berufungsgericht den Klageantrag zu 1 nicht für unzulässig, sondern auch für unbegründet gehalten hat, gelten seine Ausführungen zur fehlenden Begründetheit allerdings als nicht geschrieben, weil die gleichzeitige Prozess- und Sachabweisung wegen der unterschiedlichen Rechtskraftwirkungen unzulässig ist (vgl. BGH, Urt. v. 4.5.2018 – V ZR 266/16, NJW-RR 2018, 974 Rn. 15; Urt. v. 8.12.2021 – VIII ZR 190/19, BGHZ 232, 94 Rn. 34; Urt. v. 28.4.2023 – V ZR 270/21, NJW-RR 2023, 1166 Rn. 15). Das Revisionsgericht kann über die sachliche Berechtigung der Klage jedoch auch nach deren Abweisung als unzulässig entscheiden, wenn das Berufungsurteil einen Sachverhalt ergibt, der für die rechtliche Beurteilung eine verwertbare tatsächliche Grundlage bietet, und wenn bei Zurückverweisung ein anderes Ergebnis nicht möglich erscheint (BGH, Urt. BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 5/2025 361

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