BRAK-Mitteilungen 5/2025

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG EUROPA *LEITSATZ DER REDAKTION (ORIENTIERUNGSSATZ) SOZIETÄTSVERTRETUNG DURCH PARTNER VOR UNIONSGERICHTEN NICHT AUTOMATISCH UNZULÄSSIG Art. 19 III Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union 1. Der Beschluss des Gerichts der Europäischen Union v. 10.10.2022, Studio Legale Ughi e Nunziante/EUIPO – Nunziante und Ughi (UGHI E NUNZIANTE) (T-389/22, EU:T:2022:662), wird aufgehoben. 2. Die Rechtssache wird an das Gericht der Europäischen Union zurückverwiesen. 3. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten. * 4. Art. 19 III der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass Rechtsanwälte, die Partner einer Sozietät sind, grundsätzlich nicht von der Vertretung dieser Sozietät vor dem Gericht der Europäischen Union ausgeschlossen sind. * 5. Das Gericht hat im Einzelfall zu prüfen, ob zwischen der Sozietät und den sie vertretenden Anwälten ein Abhängigkeitsverhältnis mit Über- oder Unterordnungscharakter besteht oder ob andere Umstände vorliegen, die Zweifel an der Unabhängigkeit der Anwälte i.S.v. Art. 19 III der Satzung des Gerichtshofs begründen. EuGH, Urt. v. 4.9.2025 – C-776/22 P Volltext unter www.brak-mitteilungen.de HINWEISE DER REDAKTION: Mit seiner Entscheidung klärt der EuGH die Voraussetzungen, unter denen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ihre eigene Sozietät vor den Unionsgerichten vertreten dürfen. Entgegen der Auffassung des EuG stellt die bloße Partnerschaft der vertretenden Anwälte in der klagenden Sozietät kein generelles Hindernis im Hinblick auf das in Art. 19 III der EuGH-Satzung geforderte Unabhängigkeitserfordernis dar. Der EuGH betont, dass eine Einzelfallprüfung erforderlich ist, in der insb. die Struktur des Mandatsverhältnisses, das Vorliegen eines möglichen Über-/Unterordnungsverhältnisses sowie weitere Indizien für eine mangelnde Unabhängigkeit zu bewerten sind. Ein Automatismus, der aus dem partnerschaftlichen Verhältnis auf fehlende Unabhängigkeit schließt, widerspricht dem unionsrechtlichen Verständnis anwaltlicher Unabhängigkeit und Selbstständigkeit. BERUFSRECHTE UND PFLICHTEN *LEITSATZ DER REDAKTION (ORIENTIERUNGSSATZ) KEINE GESCHÄFTLICHE HANDLUNG DURCH INKASSO-RECHTSANWALT BRAO § 43d I Nr. 1 und 2; UWG § 2 I Nr. 2 Angaben eines Rechtsanwalts in einem an eine Privatperson gerichteten Inkassoschreiben zum Namen seines Auftraggebers sowie zum Grund und zur Höhe der geltend gemachten Forderung stellen regelmäßig keine geschäftliche Handlung des Rechtsanwalts dar. BGH, Urt. v. 18.6.2025 – I ZR 99/24 AUS DEM TATBESTAND: [1] Die Kl. ist ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverband. Die Bekl. ist eine Rechtsanwaltskanzlei, die in großem Umfang Inkassodienstleistungen für Unternehmen anbietet. [2] Die Bekl. versandte am 18.2.2022 ein Inkassoschreiben (Anl. K5) an einen Verbraucher. Darin gab sie unter Verweis auf die Vertretung der G. Gr. GmbH an, der Verbraucher habe am 24.11.2020 einen Mietvertrag über ein Mobilfunkgerät geschlossen, aus dem ein Betrag von 164,70 Euro trotz Mahnung ihrer Mandantin unbezahlt geblieben sei. Diesen Betrag zuzüglich Verzugszinsen sowie Mahn- und Anwaltskosten forderte die Bekl. ein. Hierzu verwies sie am Ende des Schreibens unter Nennung des Betrags von 164,90 Euro auf eine Rechnung v. 28.10.2021 betreffend einen am 24.11.2020 mit der „G. GmbH“ geschlossenen Mietvertrag. Die Rechnung v. 28.10.2021 (Anl. K3) belief sich auf eine Summe von 64,90 Euro. Eine „G. GmbH“ existiert nicht. [3] Die Kl. hat geltend gemacht, die von der Bekl. und ihrer Mandantin aufgestellte Behauptung eines MietBERUFSRECHTE UND PFLICHTEN BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 5/2025 359

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