vorhandener Unterlagen. Dies verweigerte die Kanzlei unter Verweis auf das anwaltliche Berufsgeheimnis sowie den Umstand, dass die Beratung nicht steuerlicher, sondern gesellschaftsrechtlicher Natur gewesen sei. Der EuGH bekräftigte, dass auch eine das Gesellschaftsrecht zum Gegenstand habende Rechtsberatung unter den Schutz des Art. 7 GRCh, entsprechend dem Schutzkreis des Art. 8 EMRK, fällt. Das Rechtsgebiet selbst hat keine Auswirkung auf die dem Berufsgeheimnis zugesprochene Bedeutung, welches sowohl die Existenz als auch den Inhalt des Mandats umfasst.7 7 EuGH, Urt. v. 26.9.2024 – C-432/23, Rn. 66. 3. FAZIT Diese jüngsten Urteile markieren eine deutliche Besinnung auf die Rolle des Berufsgeheimnisses als unentbehrliche Voraussetzung anwaltlicher Unabhängigkeit – losgelöst des Rechtsgebiets. Ungeachtet dessen erkennt der Gerichtshof auch weiterhin den Regelungszweck der DAC-Richtlinie – die Bekämpfung grenzüberschreitender Steuervermeidung – grundsätzlich als legitiman. II. ALL EYES ON: DIE HALMER-ENTSCHEIDUNG DES EuGH Im Mittelpunkt der letztjährigen EU-Rechtsprechung zum anwaltlichen Berufsrecht stand das Vorlageverfahren des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs zur Frage der unionsrechtlichen Zulässigkeit des anwaltlichen Fremdbesitzverbots nach §§ 59a, 59e BRAO a.F.8 8 BayAGH, Beschl. v. 20.4.2023 – BayAGH III-4-20/21, BRAK-Mitt. 2023, 185 m. Anm. Schaeffer. S. dazu auchDahns/Flegler/Nitschke, BRAK-Mitt. 2023, 204 sowie Zelger, BRAK-Mitt. 2024, 131. Dieses Vorlageverfahren hat nicht nur auf nationaler Ebene, sondern EU-weit für Aufmerksamkeit gesorgt. Mit Urteil v. 19.12.2024 erklärte der EuGH das Fremdbeteiligungsverbot als mit dem Unionsrecht vereinbar.9 9 Vgl. EuGH, BRAK-Mitt. 2025, 40 und näher dazu Pott/Wietoska, BRAK-Mitt. 2025, 2 ff.; Dahns/Flegler/Nitschke, BRAK-Mitt. 2023, 204 ff.; sowie Zelger, BRAK-Mitt. 2024, 131. 1. DAS AUSGANGSVERFAHREN Ausgangspunkt war ein Vorlagebeschluss des Bayerischen AGH zu einem Rechtsstreit, bei dem eine zugelassene Rechtsanwaltsgesellschaft in der Form einer UG die Mehrheit ihrer Geschäftsanteile an eine nicht-anwaltliche Kapitalgesellschaft mit Sitz in Österreich übertragen hatte. Der darauffolgende Widerruf der Zulassung durch die Rechtsanwaltskammer München stützte sich auf das in §§ 59a, 59e BRAO a.F. normierte Fremdbeteiligungsverbot, wonach in damaliger Fassung ausschließlich Angehörige der rechtsberatenden Berufe als Gesellschafter einer Anwaltsgesellschaft zugelassen waren. Die klagende Gesellschaft rügte insb. einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) und den freien Kapitalverkehr (Art. 63 AEUV). Das Vorlageersuchen des Bayerischen AGH zielte damit auf die unionsrechtliche Überprüfung einer berufsrechtlichen Strukturmaßnahme, die in ihrer absoluten Ausgestaltung – als vollständiger Ausschluss nicht-anwaltlicher Kapitalbeteiligung – einen Eingriff in die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit bedeutet. 2. DIE ENTSCHEIDUNG DES EuGH Der EuGH hat diesen Eingriff mit bemerkenswerter Deutlichkeit für gerechtfertigt erklärt. Maßgeblich ist aus Sicht des Gerichtshofs, dass das Fremdbesitzverbot einem legitimen Ziel dient – dem Schutz der anwaltlichen Unabhängigkeit – und zur Zielerreichung geeignet, erforderlich und angemessen ist. Das Urteil greift damit auf die bekannte Dogmatik der „Rechtfertigung zwingender Gründe des Allgemeininteresses“ zurück. Trotz der im konkreten Fall getroffenen in einer Satzung verankerten Vorkehrungen gegen Interessenkonflikte misst der EuGH der bloßen Möglichkeit externer Einflussnahme entscheidende Bedeutung bei. Maßgeblich ist nicht, ob Einfluss konkret ausgeübt wird, sondern ob er potenziell möglich ist – ein methodischer Ansatz, der an die Dassonville-Formel erinnert: Schon die Eignung, den geschützten Bereich mittelbar oder potenziell zu gefährden, genügt. Vor diesem Hintergrund hält der Gerichtshof das Fremdbesitzverbot für ein legitimes, geeignetes und erforderliches Mittel zur Sicherung anwaltlicher Unabhängigkeit und geordneter Rechtspflege. Mitgliedstaaten steht ein weiter Wertungsspielraum zu, europäisches Recht erzwingt keine Öffnung des Gesellschafterkreises zugunsten reiner Finanzinvestoren. Der EuGH stärkt damit die berufsrechtliche Gestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten und unterstreicht, dass nationale Regelungen, die das Berufsbild der Anwaltschaft funktional schützen, nicht als wettbewerbsfeindlich gelten, solange sie systematisch auf das Ziel der Wahrung der Integrität der Rechtspflege gerichtet sind. Noch während das Vorlageverfahren vor dem EuGH lief, führte das damalige Bundesministerium der Justiz parallel eine Umfrage in der Anwaltschaft zur potentiellen Lockerung des Fremdbesitzverbotes durch – schließlich war die Überprüfung des Fremdbeteiligungsverbotes im Koalitionsvertrag verankert. Das Ergebnis fiel vergleichbar zu der bereits 2021 durchgeführten Soldan-Umfrage aus: Die Mehrheit sah keinen Bedarf für exogenes Kapital von Finanzinvestoren und sahen die Gefahr in der sachfremden Einflussnahme zu Lasten der anwaltlichen Unabhängigkeit.10 10 Näher zur Auswertung der Ergebnisse Nitschke/Wietoska, BRAK-Mitt 2024, 2 ff.; BMJ, Pressemitteilung Nr. 75/2023. III. EGMR ZUR UNTERSUCHUNG UND BESCHLAGNAHME IN KANZLEIRÄUMEN 2024 waren die FälleJones Day v. DeutschlandundNeziri´c v. Bosnien und Herzegowina paradigmatisch für WIETOSKA, ANWALTSRECHT UND DIE RECHTSBERATUNG IM FOKUS EUROPÄISCHER GERICHTE AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 5/2025 339
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