ab.35 35 OVG Hamburg, Beschl. v. 7.4.2025 – 3 Bs 20/25, BRAK-Mitt. 2025, 301 ff. = NJW 2025, 2191 Rn. 15. Der Schutz der Pressefreiheit beginne bereits bei der Beschaffung von Informationen; staatliche Stellen dürften keine inhaltliche Kontrolle der publizistischen Motivlage ausüben.36 36 OVG Hamburg, Beschl. v. 7.4.2025 – 3 Bs 20/25, BRAK-Mitt. 2025, 301 ff. = NJW 2025, 2191 Rn. 15. Auch der BayVGH betont zwar die Unzulässigkeit einer gerichtlichen Inhaltskontrolle, stellt aber im Rahmen der Abwägung, ebenso wie zuvor das VG München, maßgeblich auf das aus seiner Sicht nur eingeschränkte öffentliche Informationsinteresse ab, das aufgrund einer bereits veröffentlichten Pressemitteilung bereits teilweise befriedigt sei.37 37 BayVGH, Beschl. v. 20.8.2025 – 7 CE 25.1263, BRAK-Mitt. 2025, 367 (in diesem Heft) = BeckRS 2025, 20973, Rn. 38. Letztlich ist beiden Gerichten insoweit einerseits zuzustimmen, dass nicht mit dem Grundsatz der Staatsferne der Presse vereinbar wäre, wenn Gerichte redaktionelle Relevanzentscheidungen treffen und bestimmte Informationen gänzlich vom Auskunftsrecht ausschließen dürften. Andererseits lässt sich nicht bestreiten, dass die Qualität des Informationsinteresses im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung eine Rolle spielt – nicht im Sinne einer Zensur, wohl aber im Sinne der Prüfung der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der begehrten Information. Die pauschale Gleichstellung aller Anfragen unabhängig vom Kontext (Regierungsskandal vs. private Auseinandersetzung)38 38 Dies lässt sich auch der Rspr. des BVerfG entnehmen: BVerfG, Beschl. v. 9.3.2010 – 1 BvR 1891/05, NJW-RR 2010, 1195 Rn. 32. erscheint realitätsfern. III. FAZIT Die beiden Entscheidungen zeigen exemplarisch die Spannungen zwischen Pressefreiheit und effektiven Schutzmechanismen im strafprozessualen Kontext auf. Weder eine pauschale Auskunftsverweigerung noch eine unreflektierte Informationsfreigabe wird der verfassungsrechtlichen Komplexität gerecht. Die Lösung kann nur in einer grundrechtsorientierten, einzelfallbezogenen Abwägung liegen, die sowohl der rechtsstaatlichen Bedeutung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht als auch der während eines Ermittlungsverfahrens besonderen Sensibilität der Persönlichkeitsrechte von Beschuldigten Rechnung trägt. Während des nicht-öffentlichen Ermittlungsverfahrens ist daher die Auskunft zu persönlichen Daten des Beschuldigten wie auch zu denen des Verteidigers regelmäßig unzulässig, weil das Geheimhaltungsinteresse das Informationsinteresse der Öffentlichkeit im Hinblick auf die Nicht-Öffentlichkeit des Ermittlungsverfahrens, die Unschuldsvermutung und das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant überwiegt. ANWALTSRECHT UND DIE RECHTSBERATUNG IM FOKUS EUROPÄISCHER GERICHTE RECHTSPRECHUNGSRÜCKBLICK 2024 DR. NADJA WIETOSKA* * Die Autorin ist Geschäftsführerin der BRAK. Sowohl der Europäische Gerichtshof als auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte haben im vergangenen Jahr für die Anwaltschaft wichtige Entscheidungen getroffen. Sie rücken die Rolle der Anwaltschaft als unverzichtbaren Bestandteil der rechtsstaatlichen Ordnungen ins Zentrum. Die Autorin erläutert die wichtigsten Entscheidungen und erläutert ihre Bedeutung für den Schutz des Anwaltsgeheimnisses und der anwaltlichen Unabhängigkeit. Im vergangenen Jahr sind auf europäischer Ebene eine Reihe bedeutsamer Entscheidungen ergangen, die unmittelbare Auswirkungen auf das anwaltliche Berufsrecht haben und zugleich die zentralen berufsrechtlichen Grundsätze – insb. die Unabhängigkeit der Anwaltschaft und das Berufsgeheimnis – in bemerkenswerter Deutlichkeit in den Fokus rückten. Sowohl der Europäische Gerichtshof (EuGH) als auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) haben in unterschiedlichen Konstellationen zum Ausdruck gebracht, dass die Wahrung anwaltlicher Kernwerte nicht nur berufsrechtlich, sondern auch unionsrechtlich vor dem Hintergrund ihrer maßgeblichen Bedeutung Schutz erfahren und die Hürde ihrer Beschränkung hoch anzusetzen ist. Die Entscheidungen zeichnen sich nicht allein durch ihre jeweilige Einzelfallrelevanz aus, sondern gewinnen in ihrer Gesamtschau auch voriger Jahre besonderes Gewicht: Sie markieren eine deutlich wahrnehmbare europäische Tendenz zur Stärkung der strukturellen Rahmenbedingungen anwaltlicher Berufsausübung und rücken die Rolle der Anwaltschaft als unverzichtbaren Bestandteil rechtsstaatlicher OrdnunAUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 5/2025 337
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