auch eine solche Recherchehilfe vom landespressegesetzlichen Informationsrecht gedeckt ist, hätte sich im Hamburger Verfahren erst recht gestellt, da § 4 HmbPrG schon tatbestandlich auf die „der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte“ beschränkt ist. Gleichwohl wird diese Rechtsfrage vom OVG Hamburg nicht näher behandelt und vom BayVGH letztlich offengelassen.26 26 BayVGH, Beschl. v. 20.8.2025 – 7 CE 25.1263, BRAK-Mitt. 2025, 367 (in diesem Heft) = BeckRS 2025, 20973 Rn. 23. 3. ABWÄGUNG NACH DEM SPHÄRENMODELL Der vom OVG Hamburg gewählte Ansatz, bei der infolgedessen gebotenen Abwägung zwischen dem grundsätzlichen Informationsrecht und einem entgegenstehenden schutzwürdigen privaten Interesse nach § 4 II Nr. 3 HmbPrG auf das von der Rechtsprechung entwickelte Sphärenmodell zurückzugreifen, ist jedenfalls dann ungeeignet, wenn die in der Zivilrechtsprechung ebenfalls anerkannte27 27 OLG Köln, Urt. v. 3.2.2015 – 15 U 133/14 Rn. 16; LG Bielefeld, Beschl. v. 23.5. 2012 – 20 S 3/12, BeckRS 2012, 12894; LG Köln, Urt. v. 29.10.2009 – 8 O 140/ 09, BeckRS 2009, 29340; insb. zum Mandatsverhältnis: OLG Brandenburg, Urt. v. 5.3.2012 – 1 U 8/11, NJW-RR 2012, 1191. und hier betroffene Geheimoder Vertraulichkeitssphäre unberücksichtigt gelassen wird. Insbesondere verkennt das OVG Hamburg mit der Feststellung, der Strafverteidiger sei nicht anders als alle anderen in seiner Sozialsphäre betroffen, die besondere rechtsstaatliche Rolle des Strafverteidigers bzw. Rechtsanwalts.28 28 Knauer, MAH Strafverteidigung, 3. Aufl. 2022, § 1 Rn. 2 ff.; Kudlich, MüKo StPO, 2. Aufl. 2023, Einleitung, Rn. 310 ff.; Fischer, KK-StPO, 9. Aufl. 2023, Einleitung § 137 Rn. 204. Wie demgegenüber der BayVGH darstellt, nimmt der Strafverteidiger vorliegend seine berufliche Tätigkeit im Interesse der Allgemeinheit an einer rechtsstaatlichen Rechtspflege wahr, was seinen schützenswerten Interessen im Rahmen der Abwägung ein höheres Gewicht verleiht.29 29 BayVGH, Beschl. v. 20.8.2025 – 7 CE 25.1263, BRAK-Mitt. 2025, 367 (in diesem Heft) = BeckRS 2025, 20973 Rn. 30. Aufgabe des Strafverteidigers ist die unabhängige Durchsetzung der Beschuldigtenrechte.30 30 Knauer, MAH Strafverteidigung, 3. Aufl. 2022, § 1, Rn. 81 ff.; Kudlich, MüKo StPO, 2. Aufl. 2023, Einleitung, Rn. 310 ff.; Fischer, KK-StPO, 9. Auflage 2023, Einleitung § 137 Rn. 205. In dieser Rolle als Beistand des Beschuldigten (§ 137 StPO) obliegt ihm nicht nur ein Recht, sondern eine Pflicht zur Verschwiegenheit hinsichtlich aller nicht offenkundigen Tatsachen, die ihm in Ausübung seines Berufes bekannt geworden sind (§ 43a II BRAO). Die Verschwiegenheitspflicht des Verteidigers ist für das Vertrauensverhältnis zwischen Mandanten und Anwalt unverzichtbar, wie der BayVGH klarstellt.31 31 BayVGH, Beschl. v. 20.8.2025 – 7 CE 25.1263, BRAK-Mitt. 2025, 367 (in diesem Heft) = BeckRS 2025, 20973 Rn. 31. Sie gilt im Ermittlungsverfahren, in dem im Regelfall nichts offenkundig oder öffentlich bekannt ist, umso umfassender. Der BayVGH stellt dabei zutreffend fest: „In Anbetracht der möglichen Folgen, die ein gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen Beschuldigtem und Verteidiger auch für die Arbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft während des Ermittlungsverfahrens haben kann, liegt es zudem im öffentlichen Interesse, Störungen des Vertrauensverhältnisses auch in diesem Stadium zu vermeiden.“32 32 BayVGH, Beschl. v. 20.8.2025 – 7 CE 25.1263, BRAK-Mitt. 2025, 367 (in diesem Heft) = BeckRS 2025, 20973 Rn. 31. Daher folgert der BayVGH, dass das Informationsinteresse der Presse hinter dem Geheimhaltungsinteresse im Ermittlungsverfahren zurück stehen muss – zwar nicht grundsätzlich, jedoch immerhin hinsichtlich der Namen der Verteidiger.33 33 BayVGH, Beschl. v. 20.8.2025 – 7 CE 25.1263, BRAK-Mitt. 2025, 367 (in diesem Heft) = BeckRS 2025, 20973 Rn. 25, 30. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des BVerwG: das BVerwG hat in einer Entscheidung über Informationen zu Namen der Verfahrensbeteiligten während einer öffentlichen Hauptverhandlung dem Grundsatz der Öffentlichkeit für die Abwägung ein besonderes Gewicht beigemessen.34 34 BVerwG, Urt. v. 1.10.2014 – 6 C 35/13, NJW 2015, 807, 808 f. Im Umkehrschluss kann bei Nicht-Öffentlichkeit des Ermittlungsverfahrens nach den Grundsätzen des BVerwG nicht ohne Weiteres ein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit angenommen werden. 4. BERÜCKSICHTIGUNG DER PERSÖNLICHKEITSRECHTE DES BESCHULDIGTEN Offensichtlich unvollständig ist die vom OVG Hamburg getroffene Abwägungsentscheidung aber vor allem, weil sie mit keinem Wort auf die Rechte des Beschuldigten eingeht. Richtigerweise stellt der BayVGH nicht allein auf das Persönlichkeitsrecht des Rechtsanwalts ab, sondern berücksichtigt in seiner Abwägung maßgeblich die Belange des Beschuldigten als dessen Mandanten. Zurecht weist der BayVGH darauf hin, dass bereits die Offenlegung des Namens eines Verteidigers Rückschlüsse auf das Mandat zulassen und damit nicht nur die Vertrauensbeziehung zum Strafverteidiger, sondern auch das Recht des Beschuldigten auf Anonymität und ein faires Verfahren gefährden könne. Erst recht, wenn der Verteidigername offenkundig nur dazu dienen soll, Informationen über den Beschuldigten zu erlangen oder Kontakt zu ihm herzustellen. In einer medialen Verdachtsberichterstattung trägt jede einzelne Nachricht und damit auch die Mitteilung, dass und durch welchen Verteidiger sich ein Beschuldigter vertreten lässt, zu dessen öffentlicher Stigmatisierung als mutmaßlicher Straftäter bei. Dies gefährdet die bis zur Verurteilung und damit insb. im Stadium des Ermittlungsverfahrens geltende Unschuldsvermutung. 5. KEINE INHALTLICHE KONTROLLE JOURNALISTISCHER ANFRAGEN Die divergierenden Auffassungen der Gerichte offenbaren zudem eine grundlegende Kontroverse: Dürfen staatliche Stellen in presserechtlichen Auskunftsverfahren die Relevanz journalistischer Nachfragen inhaltlich bewerten? Das OVG Hamburg lehnt eine solche Bewertung unter Berufung auf die Rechtsprechung des BVerfG strikt DUNCKEL/KNAUER, PRESSEANFRAGEN ZU VERTEIDIGERNAMEN BRAK-MITTEILUNGEN 5/2025 AUFSÄTZE 336
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