BRAK-Mitteilungen 5/2025

sondere sei hierbei zu berücksichtigen, dass es dem Antragsteller freistehe, seine Kontaktdaten über die Staatsanwaltschaft an den Strafverteidiger weiterleiten zu lassen.14 14 BayVGH, Beschl. v. 20.8.2025 – 7 CE 25.1263, BRAK-Mitt. 2025, 367 (in diesem Heft) = BeckRS 2025, 20973 Rn. 43. II. BEWERTUNG 1. GESETZLICHE ANSPRUCHSGRUNDLAGE Die sämtlichen Streitigkeiten über Auskunftspflichten von Ermittlungsbehörden immanente Ursünde ist das Fehlen einer gesetzlichen Anspruchsgrundlage, die nicht nur die Funktion der Presse, sondern auch die Besonderheiten des Ermittlungsverfahrens berücksichtigt. Derzeit wird ein Auskunftsanspruch in der Regel aus § 4 der Landespressegesetze abgeleitet.15 15 Gertler, BeckOK StPO mit RiStBV und MiStra, 56. Edition, 1.7.2025, Nr. 23 RiStBV Rn. 46; Wittig, BeckOK StPO mit RiStBV und MiStra, 56. Edition, 1.7.2025, § 475 Rn. 5; zum Verhältnis verschiedener Auskunftsansprüche: VG München, Beschl. v. 13.9.2012 – M 22 E 12.4275, BeckRS 2012, 57548 Rn. 25 ff.; Sauerland, DStR 2015, 1569, 1570. Die in den § 4 der Landespressegesetze enthaltenen, weitgehend voraussetzungslosen Auskunftsansprüche, die auf Auskünfte der Staatsanwaltschaften ebenso anwendbar sein sollen wie etwa auf solche des Katasteramtes, sind nur eine mit dem Bestimmtheitsgebot (Art. 20 III GG) kaum vereinbare Auffanglösung.16 16 Schnoor/Giesen/Addicks, NStZ 2016, 256, 259 f. Denn die in diesen Normen vorgesehenen und ins Ermessen der Behörden gestellten Auskunftsschranken (etwa beim Bestehen von Geheimhaltungsvorschriften oder schutzwürdigen privaten Interessen) wiederholen lediglich den abstrakten Grundrechtskonflikt zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und den Medienfreiheiten, ohne die Besonderheiten eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens auch nur zu erwähnen.17 17 Schnoor/Giesen/Addicks, NStZ 2016, 256, 259 f. Es liegt jedoch auf der Hand, dass die nur bei Wahrung von Waffengleichheit und Unschuldsvermutung zu rechtfertigenden Eingriffskompetenzen der Ermittlungsbehörden auch einen besonderen Schutz bei der Weitergabe der die Beschuldigten betreffenden Daten an Medien erfordern. Der in der Rechtsprechung mitunter zu vernehmende Verweis auf die journalistischen Sorgfaltspflichten18 18 Exemplarisch: BVerfG, Beschl. v. 26.8.2003 – 1 BvR 2243/02, NJW 2004, 589; OLG Dresden, Urt. v. 27.11.2003 – 4 U 991/03, NJW 2004, 1181; OVG Münster, Beschl. v. 4.2.2021 – 4 B 1380/20, BeckRS 2021, 1073, Rn. 31; OLG Köln, Urt. v. 18.2.2021 – 15 U 44/20, ZUM-RD 2022, 488; ist schon deshalb untauglich, weil diese Sorgfaltspflichten weder Waffengleichheit oder Unschuldsvermutung noch verfahrensrechtliche Förmlichkeiten verlangen.19 19 BGH, Urt. v. 12.5.1987 – VI ZR 195/86, NJW 1987, 2225; Förster, BeckOK BGB, 75. Edition, 1.8.2025, § 12 Rn. 330; Dunckel, ZUM 2024, 18, 21 f. Angesichts des regelmäßig bundesweiten Medieninteresses an Ermittlungsverfahren führt die Verortung des Auskunftsrechts in den mitunter unterschiedlich ausgestalteten Landespressegesetzen zudem zu wenig plausiblen Ungleichbehandlungen vergleichbarer Sachverhalte.20 20 Dies lässt sich ebenfalls entnehmen: Schnoor/Giesen/Addicks, NStZ 2016, 256, 259. Etwa dürfen in Bayern Auskünfte nur verweigert werden, soweit „auf Grund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften eine Verschwiegenheitspflicht besteht“ (§ 4 II 2 BayPrG), während in Hamburg eine Auskunft auch wegen einer Verfahrensgefährdung, Geheimhaltungsvorschriften oder soweit „sonst ein überwiegendes öffentliches oder schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde“ verweigert werden darf (§ 4 II HambPrG). § 475 StPO bietet demgegenüber zwar eine bundesweit einheitliche Regelung von Auskunftsansprüchen aus Strafakten für „Private und sonstige Stellen“, allerdings wird eine Anwendung der Norm auch auf Auskunftsbegehren der Presse in Literatur und Rechtsprechung überwiegend abgelehnt.21 21 Überblick m.w.N. bei Singelnstein, MüKo StPO, 2. Aufl. 2024, § 475 Rn. 11 ff.; ablehnend etwa Wittig, BeckOK StPO, 56. Edition, 1.7.2025, § 475 Rn. 5 f. m.w.N.; BGH, Beschl. v. 20.6.2018 – 5 AR (Vs) 112/17, NJW 2018, 3123; OVG Berlin-Brandenburg (6. Senat), Beschl. v. 3.8.2017 – OVG 6 S 9.17; BayVGH, Beschl. v. 27.3. 2014 – 7 CE 14.253, NJW 2014, 2057. Hinzu kommt, dass auch § 475 StPO keine die Besonderheiten von Presseauskünften aus einem Ermittlungsverfahren abbildenden Regelungen enthält und, wohl auch deshalb, von der Rechtsprechung vielmehr als Grundlage für Informationsansprüche über laufende oder bereits abgeschlossene gerichtliche Verfahren22 22 etwa BVerwG, Urt. v. 1.10.2014 – 6 C 35/13, NJW 2015, 807, 811. herangezogen wird. Insgesamt werden weder § 4 der Landespressegesetze noch § 475 StPO in ihren tatbestandlichen Voraussetzungen den Besonderheiten des nicht-öffentlichen Ermittlungsverfahrens ausreichend gerecht. Umso mehr ist die Rechtsprechung gefordert, bei der Entscheidung über staatsanwaltschaftliche Auskunftspflichten dem Grundsatz der Nichtöffentlichkeit des Ermittlungsverfahrens (§ 160 I StPO), dem die Medienarbeit umfassenden fair-trial-Grundsatz und der Unschuldsvermutung angemessene Bedeutung zu verleihen. Diese Interessen berücksichtigen jedoch allein die Entscheidungen der bayerischen Verwaltungsgerichte.23 23 VG München, Beschl. v. 28.2.2018 – M 10 E 18.741, BeckRS 2018, 7582 Rn. 25; BayVGH, Beschl. v. 29.6.2023 – 7 CE 23.820, NJW 2024, 372 Rn. 25; VG München, Beschl. v. 18.6.2025 – M 10 E 25.3465, BeckRS 2025, 14445. 2. ANWENDUNGSBEREICH DES PRESSERECHTLICHEN AUSKUNFTSANSPRUCHS In Anwendung des allgemeinen presserechtlichen Auskunftsanspruchs aus § 4 BayPrG wirft der BayVGH zurecht die Frage auf, ob die begehrten Verteidigerdaten überhaupt in den Anwendungsbereich der Norm fallen.24 24 BayVGH, Beschl. v. 20.8.2025 – 7 CE 25.1263, BRAK-Mitt. 2025, 367 (in diesem Heft) = BeckRS 2025, 20973 Rn. 20 ff. Denn seinen eigenen Angaben zufolge beabsichtigte der Journalist keine Berichterstattung über den Strafverteidiger, sondern hoffte, über diesen an seinen Mandanten herantreten zu können.25 25 BayVGH, Beschl. v. 20.8.2025 – 7 CE 25.1263, BRAK-Mitt. 2025, 367 (in diesem Heft) = BeckRS 2025, 20973 Rn. 20 ff. Die Frage, ob DUNCKEL/KNAUER, PRESSEANFRAGEN ZU VERTEIDIGERNAMEN AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 5/2025 335

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